Der Bundesrat will die Finma stärken – ob die vorgeschlagenen Massnahmen die CS-Krise verhindert hätten, ist aber zweifelhaft Im Schatten der Kontroverse über strengere Eigenkapitalregeln für die UBS hat der Bundesrat ein Bündel weiterer Reformen der Bankenregulierung in Aussicht gestellt. Die Regierung wirft dabei ein weites Netz aus.
Im Schatten der Kontroverse über strengere Eigenkapitalregeln für die UBS hat der Bundesrat ein Bündel weiterer Reformen der Bankenregulierung in Aussicht gestellt. Die Regierung wirft dabei ein weites Netz aus.

Der Bundesrat hat Anfang Juni Richtungsentscheide für die künftigen Regeln im Bankensektor gefällt. Im Fokus der öffentlichen Debatte standen vor allem die strengeren Eigenkapitalvorgaben für die UBS. Doch das Paket der Regierung umfasst noch über zwanzig weitere Massnahmen, welche in erster Linie auf die grossen («systemrelevanten») Banken zielen, aber zum Teil alle Banken umfassen. Neben der UBS zählen in der Schweiz auch Raiffeisen-Gruppe, Zürcher Kantonalbank und Postfinance zu den systemrelevanten Instituten.
Gut ein halbes Dutzend seiner Vorschläge zählt der Bundesrat zu den «Kernmassnahmen». Neben der Verschärfung der Eigenmittelvorgaben für die UBS zählt die Regierung dazu vor allem strengere Vorgaben für die Krisenplanung einschliesslich Liquidität sowie gewisse Massnahmen zur Stärkung der Finanzmarktaufsicht (Finma).
Was heisst Verantwortung?
Der Bundesrat hat einige Wünsche der Finma aufgenommen. Dazu gehört die Einführung eines «Verantwortlichkeitsregimes». Es bedeutet laut Beteiligten eine klarere Zuordnung der Verantwortlichkeiten zu den massgebenden Entscheidungsträgern, garniert mit konkreten Sorgfaltspflichten, so dass bei Verfehlungen die Aufsichtsbehörde rascher auf die Verantwortlichen zugreifen kann – und die Bank selber zum Beispiel Boni zurückfordern könnte. Dies soll für alle Banken gelten; der Bund verspricht für die kleineren Institute eine «schlanke» Umsetzung. Typischerweise betroffen wären Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder, doch vor allem in grösseren Instituten können auch weitere wichtige Entscheidungsträger hinzukommen.
Die UBS weist in ihrem Geschäftsbericht 2024 ausserhalb der Konzernleitung 835 «Kernrisikoträger» aus; im Mittel erhielten diese Angestellten eine Jahresvergütung von gut 2 Millionen Franken. Laut Bundesangaben dürfte die Zahl der im vorgesehenen Regime erfassten Verantwortlichen bei der UBS weit tiefer sein («maximal im tiefen dreistelligen Bereich»). Die Finma erwähnt in einem am Mittwoch publizierten Informationsblatt für die Bankbranche neben Geschäftsleitung und Verwaltungsrat auch die Leiter von Kontrollfunktionen (wie Risikomanagement und Compliance) sowie die Leiter der wesentlichen Geschäftsbereiche.
Eine «eigentliche Beweislastumkehr» ist laut Bundesangaben nicht geplant: «Eine Person, in deren Verantwortungsbereich ein Fehlverhalten passiert ist, muss nicht nachweisen, dass sie nicht verantwortlich ist.» Die Aufsichtsbehörde schrieb es am Mittwoch wie folgt: Die Finma «hat auch weiterhin den Nachweis zu erbringen, dass sich eine verantwortliche Person durch ihr Tun oder Unterlassen pflichtwidrig verhielt».
Dennoch sollen die Beweishürden für die Behörde kleiner werden. Facherklärungen stellen die Sachlage etwa so dar: Findet im Verantwortungsbereich eines Managers eine Verletzung des Aufsichtsrechts statt wie etwa Mithilfe bei Geldwäscherei- oder Steuerdelikten, muss die Finma nach geltenden Regeln für eine Sanktionierung konkret nachweisen, dass der Manager beim Missstand involviert war, davon gewusst hat oder hätte wissen müssen. Schwierig ist dies vor allem bei hohen Kadern, die weit weg von der Front sind. Im geplanten Regime müsste die Finma einem Verantwortlichen «nur» noch eine Verletzung der Sorgfaltspflichten nachweisen, was in der Praxis einfacher erscheint.
Unklare Wirkungen
Der deklarierte Hauptzweck der Übung ist erzieherisch: Die betroffenen Manager sollen sich ihrer Verantwortung und deren Folgen stärker bewusst werden. Das Financial Stability Board (FSB), das globale Standards für die Finanzmarktregulierung setzt, hatte 2024 in seinem Länderbericht zur Schweiz ein Verantwortlichkeitsregime empfohlen. Zwei Rechtsexpertinnen der Universität St. Gallen prognostizierten in einem Aufsatz von 2024 ebenfalls eine positive Wirkung des geplanten Regimes auf die Kultur betroffener Banken.
Doch ob die geplante Zusatzbürokratie die gewünschten Kultureffekte zeitigt, ist unklar. Ein genannter Kritikpunkt: Entscheidungsträger im Finanzsektor hätten schon heute weitgehende Sorgfaltspflichten, und ein Regime mit einer Liste spezifischer Pflichten führe eher zu mehr Checklisten-Mentalität als zu mehr Verantwortungsbewusstsein.
Als Pioniere spezifischer Verantwortlichkeitsregeln gelten die Briten, die ein solches Regime 2016 einführten. Eine Anfang 2025 publizierte Studie von britischen Forschern kam zu einem durchwachsenen Befund. Die Qualität der Dokumentationen in den Banken habe sich nach Einschätzung von Beteiligten verbessert – aber es sei umstritten, ob dies eine Verbesserung im Berufsverhalten spiegle oder nur eine rechtliche Absicherung der Betroffenen. Die Briten überprüfen derzeit ihr Regelwerk. In der Schweiz sollen die Regeln laut Behördenangaben «schlanker» ausgestaltet sein als bei den Briten. So sollen deutlich weniger Angestellte betroffen sein.
Abschreckende Bussen?
Eine Kompetenz der Finma zur Verhängung von Bussen gegen Bankmanager soll es laut Bundesrat weiterhin nicht geben. Die Regierung spricht sich aber im Einklang mit der Aufsichtsbehörde für eine Bussenkompetenz der Finma gegenüber den beaufsichtigten Finanzinstituten aus. Dies entspreche internationalen Standards, und es trage zur Stärkung der Aufsicht bei. Vorgesehen sind solche Bussen bei «schwerwiegenden Verstössen gegen das Aufsichtsrecht». Der Bussenbetrag müsse «ausreichend abschreckend sein, ohne jedoch die Existenz des Finanzinstituts zu bedrohen».
Laut einem neuen Finma-Informationsblatt sollte «die maximale Bussenhöhe im Gesetz definiert werden in Abhängigkeit von einer objektiv bestimmbaren Grösse» – zum Beispiel dem Bruttoertrag des bestraften Instituts. Der konkrete Betrag richte sich dann im Einzelfall nach der Schwere der Delikte.
Auch die Bussenkompetenz entspricht einer Empfehlung des globalen Standardsetzers. Die Finma verspricht sich dadurch «mehr Schlagkraft», insbesondere durch den «präventiven und abschreckenden Effekt». Ob Bussen zulasten der Aktionäre statt zulasten der verantwortlichen Manager die Verantwortlichen abschrecken, erscheint indes manchen Fachleuten zweifelhaft. Laut dem Parlamentsbericht zum Fall CS musste die Bank von 2012 bis 2022 total weltweit über 11 Milliarden Franken für Bussen, Vergleiche oder Schadenersatz bezahlen, doch grossen erzieherischen Wert scheint dies nicht gehabt zu haben. Generell ist der Finanzsektor notorisch für häufige Bussenverdikte. Die Website «Violation Tracker Global» hat für den Finanzsektor seit 2010 Bussen von total fast 320 Milliarden Dollar erfasst, was rund dem Fünffachen der Summe für die zweitplatzierte Branche (Pharma) entspricht.
Bussenkompetenz für das Volksgemüt
Trotzdem hofft die Finma, dass sie mit Instrumenten wie Verantwortlichkeitsregime und Bussenkompetenz gegenüber grossen Banken mit mehr Autorität auftreten kann. Laut kritischen Beobachtern spielt allerdings die Persönlichkeit der Finma-Exponenten für die Autoritätsfrage eine wichtigere Rolle als die vorgeschlagenen Instrumente. Die Finma hatte sich in der Vergangenheit mit anderem Personal an der Spitze gegen eine Bussenkompetenz ausgesprochen. Dies vor allem mit zwei Argumenten: Die Abschreckungswirkung sei gering, und mit einer Bussenkompetenz nähere man sich strafrechtsähnlichem Gelände, was die Verfahren der Aufsichtsbehörden erschwere.
«Eine Bussenkompetenz der Finma hätte wenig erwünschte Wirkung, aber einige unerwünschte Nebenwirkungen», schrieb jüngst der frühere Finma-Chefjurist und heutige Berater Urs Zulauf. Zu den Nebenwirkungen zählt er vor allem aufwendigere Verfahren zulasten der Kerntätigkeit der Finma.
Sogar für den Bundesrat gehört die Bussenkompetenz nicht zu den Kernmassnahmen. Doch dieses Thema ist publikumsnah und hat deshalb starken Marketing-Charakter – gegenüber dem inländischen Publikum (wir wollen die Sünder zur Kasse bitten) und gegenüber dem Ausland (wir entsprechen international gängiger Praxis). Der Schuss könnte indes an beiden Fronten auch nach hinten losgehen – wenn die Bussenkompetenz Erwartungen weckt, die sie kaum erfüllen kann.
Für früheres Eingreifen
Auch der Plan des Bundesrats zur stärkeren gesetzlichen Verankerung der Finma-Kompetenz für Frühinterventionen ist schwierig einzuschätzen. Dies betrifft Interventionen vor dem Überschreiten offizieller Krisen-Schwellenwerte. Zu den genannten möglichen Früheingriffen zählen zum Beispiel Kürzungen von Boni und Dividenden, Einschränkungen der Geschäftstätigkeit oder das Verbot von Zukäufen. Die Idee klingt modern – angesichts der breiten Kritik an der Finma, bei der CS «zu spät» durchgegriffen zu haben. So hatte die Finma unter anderem argumentiert, dass ihr für ein früheres und härteres Durchgreifen die Rechtsgrundlagen gefehlt hätten.
Am Mittwoch erklärte die Behörde, dass die derzeitige Rechtsgrundlage für frühe Interventionen bei Missständen auslegungsbedürftig sei. Zudem gelte bei Beschwerden gegen Finma-Verfügungen die aufschiebende Wirkung, was angeordnete Massnahmen auf Jahre hinaus blockieren könne. Die aufschiebende Wirkung von Beschwerden nach Frühinterventionen soll laut Bundesrat wegfallen. Das könnte die Schlagkraft der Behörde stärken.
Laut einer Analyse des ehemaligen Finma-Chefjuristen Urs Zulauf hat die Aufsichtsbehörde bei festgestellten «Missständen» in einer Bank jetzt schon weitgehende Kompetenzen. Doch eine gesetzliche Verankerung einer Generalklausel zur «Frühintervention in Krisennähe» mit beispielhafter Aufzählung möglicher Massnahmen könne sinnvoll sein – auch wenn dies laut Zulauf die CS-Krise kaum verhindert hätte.
Das gesamte Paket zur Bankenregulierung kann man auf diverse Arten sehen. Der Bundesrat verkauft es als Zusammenspiel einer Vielzahl von Massnahmen, die in der Summe die Finanzstabilität deutlich stärken. Gewisse Regulierungskritiker orten derweil ein typisches Überschiessen nach einer Krise mit Massnahmen, die mit der Krise direkt nichts zu tun haben. Die Suche nach einer Balance wird in den kommenden Jahren zur Ochsentour für die Bundespolitik.