Startups sind wunderbar – aber bitte nicht von Staates Gnaden Die Schweiz gehört zu den innovativsten Ländern der Welt, es fliesst so viel Geld in Startups wie noch nie. Auch der Bund sieht kein Marktversagen. Da muss man sich fragen, was ihn geritten hat, dass er trotzdem einen staatlichen Innovationsfonds will.

Die Schweiz gehört zu den innovativsten Ländern der Welt, es fliesst so viel Geld in Startups wie noch nie. Auch der Bund sieht kein Marktversagen. Da muss man sich fragen, was ihn geritten hat, dass er trotzdem einen staatlichen Innovationsfonds will.

Die Firma C-Labs prüft mithilfe von Big Data Nahrungsmittel auf ihre Zuverlässigkeit. Sie ist eine Ausgründung der Hochschule in Lugano und wurde vom Warenprüfkonzern SGS gekauft. Bild: Christoph Ruckstuhl / NZZ

Innovation – davon kann ein Land doch nie genug haben! Schliesslich hängt unser Wohlstand davon ab, ob wir stets besser werden. Also möchten sich auch bürgerliche Politikerinnen und Politiker bei diesem Thema nicht lumpen lassen. Jüngstes Beispiel ist der bundesrätliche Entscheid für einen Schweizer Innovationsfonds, mit dem Jungfirmen finanziell unterstützt werden sollen. Die frühere FDP-Präsidentin Petra Gössi hatte dafür jüngst in der NZZ geworben, aber auch SVP-Magistrat und Wirtschaftsminister Parmelin konnte nicht widerstehen.

Es muss schon schlecht stehen um den Innovationsstandort, wenn der Bundesrat plötzlich aktiv in die Firmenwelt eingreifen will. Oder vielleicht doch nicht? Die Schweiz wird etwa von der prominenten französischen Business School Insead unter 132 Staaten seit Jahren als die innovativste Nation geführt. Wenn man nur anschaut, wie viel Geld den jungen Firmen jährlich zufliesst, war 2021 ein Rekordjahr: Die 3 Milliarden waren sieben Mal so viel wie zehn Jahre zuvor.

Und wie hat der Bundesrat selbst das Thema vor noch nicht langer Zeit – 2017 – beurteilt? Damals hiess es in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage: «Die Schweiz ist ein Standort, der über einen aktiven, international stark vernetzten Risikokapitalmarkt verfügt.» Und weiter: «Ein Programm kann kaum mit einem Marktversagen legitimiert werden.» Hat sich die Welt in den vier Jahren so verändert? Angesichts der Zahlen für Startups würde man sagen: wenn schon, zum Besseren. Offenbar aber nicht für den Bundesrat.

Ein solcher Fonds ist zudem nicht rasch wieder weg, vielmehr wird es um ein jahrzehntelanges Engagement gehen. Die Schweiz ist dagegen immer gut damit gefahren, dass der Staat nicht in Firmen investiert. Auch bei der Corona-Hilfe hat man mit Krediten operiert, um tunlichst zu vermeiden, dass der Bund plötzlich Miteigentümer bei Tausenden von Kleinunternehmen wird. Dass laut den bundesrätlichen Plänen primär Startups aus den Bereichen Dekarbonisierung und Digitalisierung Geld erhalten sollen, zeigt zudem, wie problematisch solche Programme sind. Was ist mit denen, die nicht ins Schema passen?

Das Totschlagargument helvetischer Politik aber lautet: Das Ausland macht es ja auch. Dann blicke man für einen Augenblick nach Berlin. Dort gibt es eine Agentur für Sprunginnovationen – also eine staatliche Stelle, die Firmen fördern soll, die technologisch ganz vorne mitmischen (als habe hier der Staat oder von ihm bezeichnete Experten ein Sonderwissen). Deren Leiter sagte in einem Interview, dass der Zukunftsfonds der deutschen Regierung in den nächsten 20 bis 30 Jahren von 10 Milliarden auf 10 Billionen wachsen solle. Alle Finanzierungslücken in den verschiedenen Phasen eines Startups müsse der Staat schliessen. Es brauche einen guten Plan.

Pardon, das tönt nach dem Gegenteil von Innovation, die zunächst oft ungerichtet ist und gewiss nicht einem (staatlichen) Plan folgt. Wenn es in Europa zu einem Subventionswettlauf kommt, macht die Schweiz besser nicht mit (Deutschland steht im Innovationsindex übrigens auf Platz 10).

Ja, es gibt diverse Hürden, die Startups, aber auch andere Firmen plagen. Die einfache Einstellung von Arbeitnehmern ausserhalb der EU oder die Vermögensbesteuerung, die bei Finanzierungsrunden ein Startup belasten kann. Hier ist der Bund dran oder hat bereits Vereinfachungen gemacht. Auch das Arbeitsgesetz aus dem Industriezeitalter gilt es zu entschlacken.

Gewiss, das ist alles unspektakulär, und mit solchen Massnahmen setzt sich kein Bundesrat ein Denkmal. Aber wenn es kein Marktversagen gibt, was auch der Bund so sieht, sollte sich Bern bitte heraushalten: Startups sind wunderbar – aber wir brauchen keine von Staates Gnaden.

Christoph Eisenring, «Neue Zürcher Zeitung»

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