Konventionalstrafe: ein nützliches Instrument, aber mit Vorsicht zu geniessen Aktenzeichen KMU_today_010: Die Kolumne von André Brunschweiler, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei LALIVE in Zürich, gibt Antworten auf juristische Fragen, die Schweizer KMU beschäftigen können beziehungsweise beschäftigen sollten.

Aktenzeichen KMU_today_010: Die Kolumne von André Brunschweiler, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei LALIVE in Zürich, gibt Antworten auf juristische Fragen, die Schweizer KMU beschäftigen können beziehungsweise beschäftigen sollten.

André Brunschweiler, Partner der Anwaltskanzlei Lalive in Zürich. (Foto: PD)

Stellen Sie sich vor, Ihr Unternehmen investiert in eine neue Produktionslinie. Die Installation ist vertraglich auf Anfang September festgelegt – doch der Lieferant ist in Verzug. Die Inbetriebnahme verschiebt sich, und damit auch Ihre Auslieferungen. Oder: Sie führen mit einem potenziellen neuen Geschäftspartner vertrauliche Gespräche über eine strategische Kooperation – samt Marktanalysen, Margenstruktur und Prozess-Know-how. Doch nach der Unterzeichnung eines NDA erfahren Sie, dass dieser Partner Ihre Informationen nutzt, um das Projekt kurzerhand selbst umzusetzen – ohne Sie. Der konkrete Schaden? Schwierig zu beziffern und kaum durchsetzbar.

In solchen Fällen kann eine sogenannte Konventionalstrafe ein wirkungsvolles Instrument sein. Diese definiert im Voraus, wie viel eine Vertragspartei bei einer Vertragsverletzung zu bezahlen hat – ohne dass der Geschädigte effektiv einen (finanziellen) Schaden erlitten haben oder nachweisen muss. Auch wird ein Verschulden vermutet, womit sich die Beweislast umkehrt: Nicht Sie müssen etwas beweisen, um die Strafzahlung zu erhalten, sondern Ihr Vertragspartner muss sich entlasten, um nicht zu bezahlen.

Die Konventionalstrafe besteht nur so lange wie die Hauptpflicht. Fällt der Vertrag dahin – etwa wegen eines formellen Mangels – wird auch die Strafklausel hinfällig. Ebenfalls wichtig: eine Konventionalstrafe in die AGB zu schreiben, könnte sie unwirksam machen – etwa, wenn sie überraschend oder unklar formuliert ist. Besser ist eine transparente Regelung im Hauptvertrag.

Die Konventionalstrafe kann im Streitfall den Weg durch die Gerichte verkürzen. (Symbolbild: Adobe Stock)

Richterliche Herabsetzung bei übersetzt hoher Strafe

Die Vertragsfreiheit erlaubt grundsätzlich, die Höhe der Strafe frei zu bestimmen. Doch Gerichte können übersetzt hohe Konventionalstrafen herabsetzen – allerdings nur bei einem krassen Missverhältnis zur Pflichtverletzung.

Zum Beispiel reduzierte das Bundesgericht eine Konventionalstrafe in einem Fall von 690 000 Franken auf 170 000 Franken– es befand, dass die Strafe deutlich zu hoch war, gemessen am wirtschaftlichen Wert der Hauptleistung.

Ob eine Konventionalstrafe verhältnismässig ist, wird im Einzelfall beurteilt und hängt von verschiedenen Faktoren ab: Vertragsdauer, Art und Schwere der Verletzung, wirtschaftlicher Kontext, Branchenüblichkeit und Geschäfts­erfahrung der Parteien spielen eine Rolle. Wichtig ist: Eine zu hohe Strafe wird in der Regel lediglich reduziert, nicht aber für nichtig erklärt. Wer also auf Nummer sicher gehen will, setzt die Strafe lieber etwas höher an – eine spätere Herabsetzung ist das kleinere Übel als völlige Wirkungslosigkeit.

Die Konventionalstrafe tritt grundsätzlich an Stelle des Schadenersatzes, ausser es wurde vertraglich anders geregelt. Ist absehbar, dass sich ein effektiver Schaden nur schwer abschätzen lässt, sollte die Möglichkeit eines zusätzlichen Schadenersatzes vertraglich ausdrücklich vorzubehalten werden. Ein zusätzlicher Schaden kann nur gefordert werden, wenn ein Verschulden nachgewiesen wird.

Vertraglicher Gestaltungsspielraum

Bei der Ausgestaltung von Konventionalstrafen besteht ein weiter Gestaltungsspielraum. Die Strafe muss nicht zwingend die Zahlung eines Geldbetrags sein – sie kann auch darin bestehen, eine Forderung oder ein vertragliches Recht zu verlieren, etwa den Anspruch auf Werklohn oder eine Vergütung.

Ebenfalls sinnvoll ist es im Vertrag klar zu regeln, dass die Bezahlung der Strafe nicht von der Vertragserfüllung befreit. Ohne eine solche ausdrückliche Vereinbarung gilt die Strafzahlung nämlich mit wenigen Ausnahmen als Ersatz für die ursprünglich geschuldete Leistung.

Durchsetzung – auch im Inkasso ein Vorteil

Eine klar formulierte Konventionalstrafe kann als Schuldanerkennung im Sinne des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts gelten. Damit kann der Gläubiger im Streitfall direkt die provisorische Rechtsöffnung beantragen. Das verschafft KMU in der Praxis ein effizientes Inkassoinstrument.

Vorsicht bei Auslandverträgen – insbesondere englisches Recht

Was in der Schweiz zulässig ist, ist es international nicht immer. Im englischen Recht sind sogenannte «penalty clauses» grundsätzlich nicht durchsetzbar. Zulässig sind nur «liquidated damages», also realistisch geschätzte, vorab bestimmte Schadensbeträge. Eine fixe Vertragsstrafe ohne klaren Bezug zum tatsächlichen Schaden gilt dort als rechtswidrig. Für KMU mit internationalen Partnern ist die Rechtswahlklausel entscheidend – und im Zweifel sollte Schweizer Recht vereinbart werden.

Fazit

Die Konventionalstrafe ist ein bewährtes Werkzeug, um Vertragspflichten durchzusetzen, Beweisschwierigkeiten zu entschärfen und Inkassorisiken zu reduzieren. Sie wirkt präventiv, repressiv und prozedural – vorausgesetzt, sie ist klug ausgestaltet.

Lalive

Rechtsanwalt André Brunschweiler ist spezialisiert auf die Beratung und Vertretung von Klienten in (meist strittigen) wirtschaftsrechtlichen Angelegenheiten mit einem Fokus auf Vertrags- und Gesellschaftsrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht sowie Arbeitsrecht. Er ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Lalive, die von den Standorten in Zürich, Genf und London aus Unternehmen, Behörden sowie Privatpersonen in komplexen, vorwiegend internationalen Sachverhalten und vor allem Streitigkeiten berät.

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