Aufgepasst bei der (Nicht-)Wiederwahl des Verwaltungsrats Aktenzeichen KMU_today_007: Die Kolumne von André Brunschweiler, Partner der Anwaltskanzlei Lalive in Zürich, gibt Antworten auf juristische Fragen, die Schweizer KMU beschäftigen können beziehungsweise beschäftigen sollten.

Aktenzeichen KMU_today_007: Die Kolumne von André Brunschweiler, Partner der Anwaltskanzlei Lalive in Zürich, gibt Antworten auf juristische Fragen, die Schweizer KMU beschäftigen können beziehungsweise beschäftigen sollten.

André Brunschweiler, Partner der Anwaltskanzlei Lalive in Zürich. (Foto: PD)

Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) kennen das Problem: Die ordentliche Generalversammlung (GV), an der die Verwaltungsratsmitglieder (VR) wiedergewählt werden, findet nicht immer innert sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres statt, wie es das Gesetz verlangt. Dies kann schwerwiegende Folgen haben – es kann zur Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen. Nachfolgend werden die einschlägige Gerichtspraxis sowie Lösungsansätze dargestellt.

Drohende Handlungsunfähigkeit

Das Bundesgericht hat in einem wegweisenden Urteil im Jahre 2021 entschieden (BGE 148 III 69), dass ein VR-Mandat grundsätzlich sechs Monate nach Ende des Geschäftsjahres endet, wenn die Statuten eine einjährige Amtsdauer vorsehen, was oftmals der Fall ist. Es gibt insbesondere keine automatische Wiederwahl.

Ohne gültige Wiederwahl verfügt die Gesellschaft über keinen (gültig gewählten) VR, was einen sogenannten Organisationsmangel darstellt und zur Handlungsunfähigkeit des Unternehmens führt. Es gibt dann niemanden mehr, der für die Gesellschaft rechtsgültig handeln kann. Insbesondere kann diesfalls auch niemand mehr eine GV einberufen, an der dann der VR wiedergewählt wird. Vielmehr muss ein solcher Mangel mittels eines Gerichtsverfahrens (sogenanntes Organisationsmangelverfahren) behoben werden.

In einem jüngeren Entscheid aus dem Jahre 2024 hat das Bundesgericht diese strikte Ansicht etwas relativiert und klargestellt, dass es ganz wesentlich auf die statutarischen Bestimmungen zur Wahl und Amtsdauer des VR ankomme. So hielt es das Bundesgericht für zulässig, dass ein (erst) am 21. November 2021 «auf ein Jahr bis zur nächsten Generalversammlung» wiedergewählter VR nicht nur bis zum Ablauf der sechsmonatigen Gesetzesfrist für die Durchführung der GV für das Geschäftsjahr 2021 gewählt wurde, sprich bis zum 30. Juni 2022, sondern sein Amt erst am 21. November 2022 endet. Das Bundesgericht ging auf dem Weg der Auslegung davon aus, dass die Statutenbestimmung eine solche Wiederwahl auf ein Jahr oder bis zur nächsten GV zulasse.

Mögliche Lösungsansätze für KMU

Basierend auf dieser Rechtsprechung, gibt es folgende Empfehlungen:

  1. Klare Statutenregelungen vorsehen: Die Amtsdauer der VR kann statutarisch bis auf maximal sechs Jahre frei festgelegt werden. Auch kann in den Statuten klar geregelt werden, wie lange ein VR-Amt dauern soll. Es empfiehlt sich, eine längere Frist vorzusehen, aber dann dennoch jedes Jahr Wiederwahlen durchzuführen, ohne zu spezifizieren, bis wann die Wiederwahl gilt.
  2. Regelmässige Wiederwahlen durchführen: Unabhängig von den Statuten sollte die GV spätestens sechs Monate nach Ende des Geschäftsjahres durchgeführt werden, also üblicherweise bis Ende Juni. Nota bene kann auch das Geschäftsjahr anders als das Kalenderjahr festgelegt werden. In diesem Fall sollte die GV unmittelbar nach Abschluss des Geschäftsjahres geplant werden.
  3. Universalversammlung als Ausweg: Wurde die Wiederwahl verpasst, so kann allenfalls auch eine Revisionsgesellschaft eine GV einberufen, natürlich nur bei Gesellschaften, welche eine Revisionsgesellschaft haben. Andernfalls gibt es aussergerichtlich nur noch die Möglichkeit den Mangel mittels einer Universalversammlung zu beheben, also bei Anwesenheit aller Aktionäre. Sofern nämlich alle Aktionäre anwesend sind, kann auch ohne Einberufung durch den VR eine GV durchgeführt werden, an der die VR-Mitglieder unkompliziert (wieder-)gewählt werden.

Konkrete Handlungsempfehlung

Fazit: Für KMU ist es entscheidend, klare Statuten zu haben und die GV fristgerecht durchzuführen. Wer beides versäumt, riskiert ungültige VR-Mandate und damit eine Handlungsunfähigkeit des Unternehmens. Eine eindeutige Statutenregelung und eine konsequente Einhaltung der Sechsmonatsfrist bieten den sichersten Schutz vor teuren Rechtsstreitigkeiten.

Lalive

Rechtsanwalt André Brunschweiler ist spezialisiert auf die Beratung und Vertretung von Klienten in (meist strittigen) wirtschaftsrechtlichen Angelegenheiten mit einem Fokus auf Vertrags- und Gesellschaftsrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht sowie Arbeitsrecht. Er ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Lalive, die von den Standorten in Zürich, Genf und London aus Unternehmen, Behörden sowie Privatpersonen in komplexen, vorwiegend internationalen Sachverhalten und vor allem Streitigkeiten berät.

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