Innovatives aus New Bülach: Ein neues Projekt soll die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorantreiben Am Donnerstag wurde in Bülach das Digital Health Center eröffnet. Das von der Stadt initiierte Projekt soll Forscher, Unternehmer und Financiers zusammenbringen.

Am Donnerstag wurde in Bülach das Digital Health Center eröffnet. Das von der Stadt initiierte Projekt soll Forscher, Unternehmer und Financiers zusammenbringen.

 

Uhren messen heute schon Puls oder Sauerstoffsättigung. Im Bereich von Digital Health warten in Zukunft aber wohl noch viele Neuerungen. (Bild: Goran Basic / NZZ)

Die Behörden hoffen, dass in der Agglo gute Ideen spriessen. In Dübendorf gibt es den Innovationspark und in Bülach bald das Digital Health Center.

Der Grundgedanke ist immer der gleiche: Die öffentliche Hand hilft dabei, Raum zur Verfügung zu stellen für Forscher und Entrepreneurs und erwartet Innovation und unternehmerischen Erfolg als Gegenleistung. Aber funktioniert das: forcierte Kreativität?

Beispiele wie der Bio-Technopark in Schlieren beweisen, dass aus solchen «Clustern», wo sich Universitäten, Startups und Geldgeber tummeln, erfolgreiche Unternehmen hervorgehen können. Eines der prominentesten Beispiele aus Schlieren ist Glycart, das von Roche für 235 Millionen Franken gekauft wurde.

Die Stadt Bülach, die das Digital Health Center initiiert hat, erhofft sich ähnliche Erfolge. Und es ist wohl falsch, Bülach der Zürcher Agglo zuzuordnen. Die Stadt zählt heute über 22 000 Einwohner, ist gute 20 Zugminuten von Zürich entfernt und bildet im Unterland ein eigenes Zentrum. Und es ist Aufbruchstimmung zu spüren. Neben dem alten Bülach mit dem schmucken Riegelbau-Rathaus und den Kopfsteinpflaster-Gassen wird im Norden entlang der Gleise derzeit das neue Bülach hochgezogen. New Bülach gewissermassen.

«Die Pandemie hat uns geboostert»

In diesem New Bülach entstehen nicht nur Penthouse-Wohnungen im 18. Stock, sondern auch das Digital Health Center. Noch hat das Center provisorische Räumlichkeiten bezogen, im Winter 2023/24 will man dann in den Neubau auf dem Glasi-Areal umziehen, wo Büroflächen von 1600 Quadratmetern zur Verfügung stehen. Offiziell eröffnet wurde es aber schon diesen Donnerstag.

Ein wichtiger Meilenstein sei dies, meinte der Bülacher Stadtpräsident Mark Eberli (EVP) in seiner kurzen Ansprache. Erst vor zwei Jahren nahmen die Initianten das Projekt in Angriff. «Wir befürchteten, dass uns die Pandemie zurückwirft, aber sie hat uns eher geboostert.» Auch weil Corona gezeigt hat, dass es mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens noch nicht allzu weit her ist. Oder anders: Die Sache hat Potenzial.

Ähnlich sieht es Alfred Angerer, Professor für Gesundheitsökonomie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Die Weltorganisation für geistiges Eigentum verorte die Schweiz in Sachen Innovation an der Weltspitze. Anders sehe es aber bei der Innovation im Gesundheitswesen aus, dort hinke die Schweiz hinterher, und dies, obschon die Rahmenbedingungen eigentlich gut wären. Aus seiner Sicht scheitert es an der Kommunikation. «Wir müssen der Bevölkerung zeigen, dass wir mit einem Ausbau von Digital-Health-Angeboten ein besseres und günstigeres Gesundheitswesen haben könnten.»

Operationsroboter und Hüftgelenke aus dem Drucker

Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli blickte in ihrer Ansprache zurück auf die Pandemie. Die Digitalisierung habe zweifellos dabei geholfen, diese zu bewältigen. Sie verwies auf das Covid-Zertifikat, das rasch und gut funktioniert habe, oder die digitale Anmeldung zur Covid-Impfung. Auch das Contact-Tracing konnte nur dank Automatisierung die hohen Fallzahlen bewältigen. Eine ihrer Lehren aus der Pandemie sei, dass man den digitalen Fortschritt am besten in einer Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privaten vorantreiben könne.

Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh hob in ihrer Ansprache die Bedeutung der Digitalisierung im Gesundheitsbereich hervor. «Heute misst das Smartphone unsere Schritte, ein Roboter führt Operationen durch, und das neue Hüftgelenk kommt aus dem 3-D-Drucker. Die Innovation ist atemberaubend, und sie kommt unserer Gesundheit zugute.»

Und freilich profitiere auch die Wirtschaft. Der Kanton Zürich sei schon heute ein Hotspot für Digital Health in der Schweiz. 70 Unternehmen und Startups aus diesem Bereich hätten sich im Kanton angesiedelt. Der Life-Science-Cluster, von dem Digital Health ein Teil ist, erziele eine Wertschöpfung von 5,3 Milliarden Franken im Jahr und stelle knapp 19 000 Arbeitsplätze.

Die Voraussetzungen dafür, auch im Bereich von Digital Health zu wachsen, stünden gut, dank den ausgezeichneten Hochschulen, dem bedeutenden Finanzplatz und der Anwesenheit grosser Technologieunternehmen. In Bülach sei nun ein Ort der intensiven Kooperation geschaffen worden. Und sie sei sicher, dass im neuen Center «noch viel Aufsehenerregendes passieren wird».

Zuständig dafür ist auch Geschäftsführer Stefan Lienhard, der sich «mega» darüber freute, dass das Digital Health Center nun offiziell eröffnet wurde, und versicherte, dass Grosses passieren werde: «the magic is gonna happen.» Man stehe aber freilich noch ganz am Anfang dieses Marathons und sei damit beschäftigt, sich zu vernetzen. Mehrere Startups und Unternehmen hätten sich bereits angeschlossen, viele weitere ihr Interesse bekundet. Mit im Boot sind zudem die Spitäler Bülach, Winterthur und Hirslanden, der Krankenversicherer Helsana, die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, die Zürcher Kantonalbank sowie der Kanton Zürich und die Stadt Bülach.

Aber nochmals, lässt sich Innovation auf diese Art erzeugen? Professor Angerer sagt dazu, dass es «der beste Weg ist, den wir im Moment kennen». Wichtig sei, dass ein geschützter Raum geschaffen werde, in dem auch Misserfolge erlaubt seien. Die Vernetzung müsse gefördert werden sowie auch physische Begegnungen. Und freilich brauche es Ressourcen.

Die richtigen Zutaten wären in Bülach da, Erfolgsgarantien gibt es freilich keine. Scheitern ist Teil von Innovation.

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