«Die grossen Uhrenkonzerne sind unsere Totengräber», sagt der Chef des Uhrenhändlers Les Ambassadeurs Der Uhrenfachhandel war einst eine feste Grösse im Schweizer Detailhandel. Heute hat er kaum noch etwas zu sagen – Weltmarken wie Rolex, Omega oder IWC geben den Takt vor. Jetzt bricht ein Händler das Schweigen.
Der Uhrenfachhandel war einst eine feste Grösse im Schweizer Detailhandel. Heute hat er kaum noch etwas zu sagen – Weltmarken wie Rolex, Omega oder IWC geben den Takt vor. Jetzt bricht ein Händler das Schweigen.

Wer gerade eine Luxusuhr zum Schnäppchenpreis will, muss nicht weit suchen. Beim Uhrenhändler Les Ambassadeurs an der Zürcher Bahnhofstrasse sind Marken wie Blancpain, Breguet, Omega oder Parmigiani mit bis zu 30 Prozent Rabatt erhältlich. Eine Breguet Classique gibt es für 35 000 statt 50 000 Franken. Auch gefragte Modelle wie die Fifty Fathoms von Blancpain oder die Omega Speedmaster sind stark vergünstigt.
Für einen Fachhändler mit klingendem Namen ist das ein Tabubruch. In der Regel halten sich Händler strikt an die Preisempfehlungen der Hersteller. Wenn Uhren dennoch vergünstigt verkauft werden müssen, geschieht das diskret über separate Kanäle. Die Modelle könnten sonst als Ladenhüter gelten.
Doch die Situation bei Les Ambassadeurs ist aussergewöhnlich – und aus Sicht des Unternehmens dramatisch.
Traditionshaus vor dem Aus
Wie die «Handelszeitung» zuerst berichtete, muss Les Ambassadeurs seine Filialen an der Zürcher Bahnhofstrasse und der Genfer Rue du Rhône schliessen. Man suche zwar neue, günstigere Standorte, sagt Renato Vanotti, Verwaltungsratspräsident der Excellence Holding, zu der das Unternehmen gehört. Aber ob das Geschäft überhaupt weitergeführt werden kann, ist laut Vanotti fraglich. Die Holding, im Besitz der Familie des saudischen Unternehmers Thamer Abdullah al-Rayes, will kein frisches Kapital mehr einschiessen, und von neuen Investoren gab es noch nicht genügend Zusagen.
Es war die Swatch Group, die Les Ambassadeurs den entscheidenden Schlag versetzte: Der Uhrenkonzern der Familie Hayek, zu dem auch die Marken Blancpain, Breguet und Omega gehören, kündigte im vergangenen Sommer die Zusammenarbeit mit dem Multimarkenhändler. «Ohne grosse Marken, die Volumen bringen, lassen sich Mieten an Toplagen nicht mehr finanzieren», sagt Vanotti. Zwar sei man nach Corona langsam wieder in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt – «aber dann kam dieser Rückschlag».
Les Ambassadeurs hatte früher die ganze Crème de la Crème der Schweizer Uhrenmarken im Sortiment – mit Ausnahme von Rolex und Patek Philippe. Doch in den 2010er Jahren begannen die grossen Marken, eigene Boutiquen zu eröffnen. «IWC war die erste, die sich von uns verabschiedete, dann folgten die übrigen Richemont-Marken, Audemars Piguet, LVMH, Kering – und schliesslich 2024 auch die Swatch Group», sagt Vanotti.
Mit den Marken der Swatch Group, ergänzt durch kleinere, unabhängige Hersteller, hätte das Geschäft laut Vanotti weiterlaufen können. Doch der Wegfall von Omega, Blancpain und Breguet bedeutete einen Umsatzeinbruch von einem Drittel, was nicht mehr verkraftbar war.
Das Sagen haben die Marken
Die Entwicklung bei Les Ambassadeurs steht exemplarisch für die Lage im Uhrenfachhandel. Früher bewarben sich die Marken bei den Händlern – heute ist es umgekehrt. Wer nicht genauste Vorgaben zu Präsentation, Raumgestaltung und User-Experience erfüllt, verliert die Marken. So geschehen beim Juwelier Gübelin, dem die Swatch Group vor zehn Jahren sämtliche Marken entzog – mutmasslich wegen Unzufriedenheit mit der Präsentation der eigenen Marken im Vergleich zur Konkurrenz. Auch bei Les Ambassadeurs wurde das Ladenkonzept kritisiert.
Die Marken wollen das Kauferlebnis kontrollieren – und die Kundendaten und die Marge! Manche, wie Richard Mille oder Audemars Piguet, verzichten ganz auf den traditionellen Fachhandel.
Diesem bleiben vor allem die zweitklassigen Standorte, wo die Marken keine eigenen Boutiquen eröffnen wollen – etwa in kleineren Städten wie Bern, Biel oder St. Gallen. Oder etwas abseits der Toplagen, wenn die Marken den Eindruck haben, es lohne sich, in einer Stadt an mehreren Standorten vertreten zu sein. Selbst beim Sortiment sind die Fachhändler von der Gnade der Marken abhängig: Besonders gesuchte Modelle werden ihnen oft vorenthalten. Beliefert werden nur die Boutiquen der Marken.
Gab es an der Zürcher Bahnhofstrasse im Jahr 2000 erst 2 Monomarkenboutiquen, sind es heute 19, ab Sommer werden es 20 sein. Die klassischen Uhrengeschäfte haben sich bis jetzt trotzdem mehrheitlich halten können. Neben Les Ambassadeurs gibt es dort noch Christ, Kurz, Meister 1881, Beyer, Gübelin und Bucherer. Erst Türler hat den Uhrenverkauf aufgegeben und fokussiert sich nun etwas abseits des Paradeplatzes auf Schmuck.
Weitere Fachgeschäfte unter Druck – nur Bucherer geht es blendend
Aber mehrere dieser Geschäfte stehen unter Druck: Meister 1881 wurde Anfang Mai vom St. Galler Modelabel Akris übernommen – von Uhren war dabei kaum die Rede, dafür aber vom Handwerk des Silberschmieds.
Die Chronometrie Beyer wirkt wie ein Fels in der Brandung. Seit 1760 in Familienbesitz, führt sie Rolex und Patek Philippe im Sortiment – eine seltene Kombination, die beinahe eine Lizenz zum Gelddrucken darstellt. Doch Beyer kämpft mit einem Nachfolgerproblem. Der Patron René Beyer verstarb im April ohne Nachkommen. Seine Schwester Muriel Zahn-Beyer hat die Leitung übernommen, doch auch sie ist kinderlos. Die langjährige persönliche Beziehung der Familie Beyer zu Rolex und Patek wird also irgendwann zwangsläufig enden. Spätestens dann werden die beiden ihre Zusammenarbeit neu evaluieren.
Die Luzerner Gübelin-Gruppe baut am Hauptsitz 30 Stellen in der Administration ab, wie im Mai bekanntwurde. Die Läden seien nicht betroffen, heisst es. Allerdings verlor Gübelin parallel dazu in Lugano und St. Moritz die Vertretung von Patek Philippe.
Bereits 2022 entschied sich Gübelin in Luzern zudem für eine Zusammenarbeit mit Richemont: Am Schwanenplatz betreibt der Juwelier seither eine TimeVallée-Boutique – ein Multimarkenkonzept des Luxusgüterkonzerns, das den Händlern begrenzte Flexibilität lässt.
Anders als der Konkurrenz geht es Bucherer blendend – allerdings nicht wegen der Stärke als Fachhändler, sondern wegen Rolex. 2023 wurde der weltgrösste Fachhändler von der weltgrössten Uhrenmarke übernommen. Die Weko genehmigte den Zusammenschluss im Mai 2024 ohne vertiefte Prüfung. Ausschlaggebend waren Zusicherungen von Rolex: Vertrieb, Service und Ersatzteillieferungen sollen bestehen bleiben, der Mehrmarkenvertrieb fortgeführt werden. Diese Zusagen gelten allerdings nur für fünf Jahre.
Für Vanotti ist der Entscheid unverständlich: «Bucherer hat im Multibrand-Retail faktisch ein Monopol.»
«Zu lange nach der Pfeife der Uhrenmarken getanzt»
Angesichts des drohenden Aus von Les Ambassadeurs spricht Vanotti aus, was viele Händler nur denken. «Die grossen Uhrenkonzerne sind die Totengräber des Fachhandels. Wir sind nur noch dort geduldet, wo es den Marken nützt.» Selbst Rolex, grundsätzlich ein verlässlicher Partner der Händler, sei mit der Bucherer-Übernahme zum grössten Fachhändler weltweit geworden.
Auch die Tatsache, dass der Händler nun öffentlich Luxusuhren mit Rabatt anbietet, ist Ausdruck davon, dass es nichts mehr zu verlieren gibt. «Wir haben alle Marken angeschrieben und ihnen angeboten, dass sie ihre Uhren zurückkaufen», sagt Vanotti. Doch nach anfänglich positiven Reaktionen habe man entweder nichts mehr gehört, oder die offerierten Preise für den Rückkauf seien so niedrig gewesen, dass man sie schlicht nicht habe akzeptieren können: «Wir haben viel zu lange nach der Pfeife der Uhrenmarken getanzt.»