Die Wirtschaft ist beim Klimaschutzgesetz gespalten Obwohl das Klimaschutzgesetz die Unternehmen mit Subventionen lockt, spricht sich die Wirtschaft nicht einstimmig für die Vorlage aus.

Obwohl das Klimaschutzgesetz die Unternehmen mit Subventionen lockt, spricht sich die Wirtschaft nicht einstimmig für die Vorlage aus.

Fossile Energie soll möglichst durch erneuerbare ersetzt werden. So sieht es das Klimaschutzgesetz vor. (Bild: Steven / Pixabay)

Im Juni kommt der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative, das Klimaschutzgesetz, vor das Volk. Darin soll das Ziel der Klimaneutralität bis ins Jahr 2050 festgeschrieben werden. Anders als die Gletscherinitiative sieht das Gesetz kein Verbot von Öl, Benzin, Diesel und Erdgas ab dem Jahr 2050 vor. Es sind darin aber Absenkpfade zur Reduktion von CO2-Emissionen vorgesehen.

Daher soll der Ersatz von Öl-, Gas- und Elektroheizungen durch klimafreundliche Systeme mit 2 Milliarden Franken unterstützt werden. Betriebe in Industrie und Gewerbe, die innovative Technologien zur klimaschonenden Produktion einsetzen, sollen von Subventionen in der Höhe von 1,2 Milliarden Franken profitieren.

Wirtschaftsverbände uneins

Die Politik scheint mehrheitlich für das Klimaschutzgesetz zu sein. Bis jetzt ist die SVP zumindest die einzige Partei, die die Nein-Parole herausgegeben hat. Die FDP entscheidet erst an der Delegiertenversammlung im Mai. Die FDP Aargau hat sich bereits für das Gesetz ausgesprochen. Die Jungfreisinnigen beschlossen die Stimmfreigabe.

Ein anderes Bild zeigt sich bei den Wirtschaftsverbänden. Economiesuisse stimmte einstimmig für das Klimaschutzgesetz. «Wir haben uns schon vor Jahren für Netto-Null ausgesprochen und waren damit der Politik voraus», sagt Alexander Keberle, Mitglied der Geschäftsleitung bei Economiesuisse. Die Bedeutung der Nachhaltigkeit sei heute schon in der wirtschaftlichen Realität angekommen. Denn Nachhaltigkeit sei ein wichtiges Argument für die Kundengewinnung, um Mitarbeitende anzuwerben und zu halten, um neue Geschäftsfelder zu erschliessen und auch im Hinblick auf die Geldbeschaffung am Kapitalmarkt.

Emissionsintensive Unternehmen wie die Chemie-, Maschinen-, Elektro-, Metall- und Zementverarbeitungsindustrie seien ebenfalls für das Gesetz, sagt Keberle. «Diese Branchen sind schon lange auf den Umweltschutz sensibilisiert. Nicht nur aus Reputationsgründen, sondern auch aus ökonomischen.» Denn diese Unternehmen geben viel Geld für Heizöl, Gas und Strom aus und bezahlen hohe CO2-Abgaben. Daher sind sie interessiert, unabhängiger von diesen fossilen Energieträgern zu werden. Es sei jetzt wichtig und richtig, dass sich das Volk zur Netto-Null-Gesetzgebung äussern könne.

Der Gewerbeverband konnte sich hingegen nicht entscheiden und hat Stimmfreigabe beschlossen. Die Diskussion sei in der Gewerbekammer kontrovers geführt worden, sagt Hans Bigler, der Direktor des Gewerbeverbands.

Grundsätzlich begrüsst der Gewerbeverband die Netto-Null-Zielsetzung bis ins Jahr 2050. Dieses langfristige Ziel sowie die vorgesehene Etappierung gäben den Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit und seien auch international abgestützt, schreibt der Verband in einer Medienmitteilung. Zudem enthalte die Vorlage keine Gebote und Verbote. Das Gesetz lasse aber allfällige Engpässe bei der Produktion von elektrischem Strom ausser acht. Zudem sei es nicht klar, ob man mit den Massnahmen die Etappenziele zur Klimaneutralität erreiche, und auch die Finanzierung der im Gesetz vorgesehenen Instrumente sei nicht geregelt.

«Mit den Zielsetzungen des Gesetzes wären die meisten einverstanden. Aber einige Mitglieder der Gewerbekammer befürchten, dass dadurch neue politische Forderungen aufkommen könnten», sagt Bigler. Die Vorlage wurde also nicht nur inhaltlich, sondern auch politisch bewertet. Alexander Keberle von Economiesuisse ist anderer Meinung: «Wir haben genug Vertrauen in die Schweizer Politik, dass das Klimaschutzgesetz nicht Tür und Tor öffnet für absurde politische Forderungen.»

Partikularinteressen der Branchen

Die Uneinigkeit scheint stark mit Partikularinteressen zusammenzuhängen. Das Baugewerbe erhofft sich durch die Subventionen zusätzliche Aufträge. Auf der anderen Seite stehen die Hauseigentümer, die ihre Heizungen ersetzen müssen. Dafür sind im Klimaschutzgesetz zwar Subventionen vorgesehen, aber es wäre neu auch festgeschrieben, dass sie die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 82 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 senken müssen. Und das, obwohl die Wohnbevölkerung ständig wächst. Daher spricht sich der Hauseigentümerverband gegen das Gesetz aus.

Auch der Wirteverband Gastrosuisse befürchtet, dass auf Restaurantbetreiber zusätzliche finanzielle Belastungen zukommen. Der Präsident Casimir Platzer wird in der Medienmitteilung des Verbands so zitiert: «Die Gesetzesvorlage liefert keine Antworten darauf, wie jedes der 30 000 gastgewerblichen Unternehmen das Netto-Null-Ziel erreichen, geschweige denn die Zielerreichung nachweisen soll.»

Auch der Bauernverband hat die Ja-Parole gefasst. Wie der «Blick» berichtete, unterstützt der Verband die Vorlage wegen der «grossen Betroffenheit der Landwirtschaft vom Klimawandel». Das ist insofern bemerkenswert, als viele Bauern auch SVP-Mitglieder sind.

Isabelle Wachter, «Neue Zürcher Zeitung»

«NZZ Live»-Veranstaltung: Klimaschutzgesetz – wie weiter?

Mitte Juni kommt der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative an die Urne. Und damit steht die nächste kapitale Weichenstellung in der Schweizer Klimaschutzpolitik an.
15. Mai 2023, ab 18.30 Uhr, NZZ-Foyer, Zürich
Tickets und weitere Informationen finden Sie hier

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