Die nächste Welt ist bezugsbereit Virtual-Reality-Headsets werden sich dieses Jahr sehr wahrscheinlich durchsetzen. Sie sind nun bequem und leistungsfähig genug, um mehrere Stunden in dreidimensionalen Räumen zu verbringen.

Virtual-Reality-Headsets werden sich dieses Jahr sehr wahrscheinlich durchsetzen. Sie sind nun bequem und leistungsfähig genug, um mehrere Stunden in dreidimensionalen Räumen zu verbringen.

 

An der Consumer Electronic Show in Las Vegas haben verschiedene Hersteller ihre neuen VR-Headsets vorgestellt. Bild: unsplash

Es kann kein Zufall sein, dass die grösste Technologiemesse der Welt in der Glitzermetropole der USA stattfindet. An der Consumer Electronic Show (CES), die direkt in und neben den grossen Kasinos von Las Vegas zelebriert wird, scheinen auch exzentrische Wunschträume in Reichweite: das tragbare Windrad etwa, das beim Strandbesuch selbstproduzierten Strom liefert. Oder die genveränderte Zimmerpflanze, die für die ultimative Raumatmosphäre sorgt. Ob diese Entwicklungen je im Leben der Menschen ankommen, ist eine andere Frage.

Der grosse Traum von Meta-Chef Mark Zuckerberg zumindest dürfte dieses Jahr in Erfüllung gehen: Virtual-Reality-Headsets, jene Skibrillen-ähnlichen Geräte, die uns in virtuelle 3-D-Welten eintauchen lassen, sind jetzt massentauglich. 2023 dürfte das Jahr sein, in denen sie sich definitiv durchsetzen.

Das kommt spät, wenn man bedenkt, dass Zuckerberg seit 2014 auf VR setzt. Er ist der Prediger in der Wüste, der den Menschen zuruft, dass sie bald ins verheissene Land kommen, ins Metaversum. Dort sind zwar schon Millionen von jungen Leuten anzutreffen. Aber ihre virtuellen Lieblingsorte sind zweidimensional und heissen «Fortnite» oder «Roblox». Die teuren und bis vor kurzem noch sehr unhandlichen Headsets stülpen sich nur wenige über. Das werde sich nun rasch ändern, sagen Experten.

Zuckerbergs grosse Wette

Meta, die jährlich mehrere Milliarden in die Entwicklung von Headsets und Software für ihr Metaversum steckt, hat einen dominierenden Marktanteil erreicht. Ihre Brille Meta Quest 2 kostet 500 Fr. und bietet ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis. Vergessen wir nicht, dass es sich dabei um einen eigenständigen Computer handelt. Dieses VR-Headset ist nicht einfach ein Peripheriegerät, sondern funktioniert völlig unabhängig von einem PC oder einem Smartphone.

Zuckerberg gibt seine Brillen noch so gern zum Discountpreis ab, um Metas Vorsprung auszubauen. Sein Endziel ist, die Plattformen von Apple, Google und Microsoft umgehen oder sogar ablösen zu können: Die Meta Quest führt ohne Umweg über Betriebssysteme wie iOS, Android oder Windows ins Metaversum. Und so kann Meta an jeder Transaktion 30% mitverdienen und darüber hinaus mehr Nutzerdaten sammeln denn je.

Allerdings ist die Welt, die Meta beherrscht, bis jetzt ein kleiner und wenig attraktiver Planet. Gemäss der Analysefirma Gartner sind 2022 insgesamt 12,8 Mio. sogenannte Head-Mounted Displays verkauft worden. Diese Kategorie umfasst neben VR-Brillen auch Augmented-Reality-Headsets: Diese AR-Geräte sind in der Lage, die reale Welt mit virtuellen Objekten anzureichern. Einige der neueren Brillen können sowohl AR als auch VR.

Trotz dem Vorsprung von Meta nutzen also erst wenige Menschen und dann auch noch überwiegend männliche Teenager Zuckerbergs Metaversum. Und sie spielen darin eigentlich ausschliesslich Videogames wie «Beat Saber», eine App, die Meta gekauft hat.

Darum war es Zuckerberg so wichtig, auch die Fitness-VR-App «Within» zu akquirieren. Denn fürs Turnen in virtuellen Welten interessieren sich auch Frauen und generell etwas ältere Menschen. So lukrativ der Gaming-Markt ist, Zuckerberg hat eine viel breitere Vision vom Metaversum: Er will, dass wir uns dort nicht nur unterhalten lassen, sondern auch unsere Freunde treffen, einkaufen, trainieren und arbeiten.

Diese Vision dürfte Realität werden. Vielleicht aber nicht wegen Meta, sondern trotz Meta. An der CES zeigten mehrere asiatische Konkurrenten ihre VR-Geräte und -Anwendungen. Sie holen rasch auf: Der Verkauf von Sonys neuem VR-Headset beginnt bereits im Februar. Der Elektronik- und Unterhaltungskonzern verfügt über den grossen Vorteil, dass seine Konsole, die für die neue Brille benötigt wird, bereits in 30 Mio. Haushalten steht. Und es könnten noch mehr sein, hätte es Sony in den letzten Monaten geschafft, die Nachfrage nach seiner neuen Playstation zu befriedigen.

Auch für andere japanische Konzerne sind VR und AR zentral. Canon zum Beispiel, die ebenfalls eine entsprechende Brille im Angebot hat, bietet neu VR-Anrufe an: Wer einen Freund im Metaversum treffen will – zum Beispiel in einem Teehaus in den Bergen Hawaiis –, kann also genauso gut auf eine japanische Lösung setzen. Wer zusammen mit anderen in einem virtuellen Raum ein neues Produkt entwerfen will, ohnehin.

Dass nicht nur Meta leichte und komfortable VR-Headsets bauen kann, zeigt das neue Gerät des taiwanischen Anbieters HTC: Seine Vive Elite wiegt nur 625 Gramm inklusive Akku. Mit dieser Brille kann man ohne weiteres einen zweistündigen Film schauen oder Sport treiben. Das Headset von HTC – für das auf der dazugehörenden Plattform 100 «Erlebnisse» zur Verfügung stehen – soll bereits nächsten Monat in den Verkauf kommen. Es kostet mit rund 1400 Franken allerdings deutlich mehr als ein Meta-Gerät.

Der Elefant im Kasino ist aber Apple. Die Anzeichen verdichten sich, dass der verschwiegene iPhone-Hersteller noch dieses Jahr sein eigenes Headset lancieren wird. Das leiten Spezialisten von Patenteingaben Apples ab. Aber auch von Stelleninseraten und den Informationen, die Apples Technologiepartner durchsickern lassen.

Der jüngste Insider-Bericht von dieser Woche spricht von einem 3000-Dollar-teuren Headset. Dieser Betrag sprengt natürlich das Budget der meisten Apple-Nutzer. Aber Entwickler würden sich bestimmt auf eine solche Brille stürzen, um Anwendungen zu programmieren. Sie wissen aus Erfahrung: Wenn Apple sich einmal dazu entschliesst, eine neue Produktekategorie zu lancieren, dann setzt sich diese in aller Regel durch. Siehe Tablets, intelligente Uhren oder kabellose Kopfhörer.

VR-Brillen mit Düften

«Das Metaversum ist näher, als Sie denken!», rief Steve Koenig den Konferenzteilnehmern zu. Er ist zuständig für das Research bei jener Organisation, die die CES Jahr für Jahr auf die Beine stellt. «Machen Sie keinen Fehler, das ist ein wirklicher Trend.»

Ob Meta diesen Trend auch in Zukunft anführen wird, ist mit dem nahenden Markteintritt von Apple fraglich. Meta wird punkto VR nun selbst von seiner Erzrivalin im Social-Media-Geschäft bedrängt: Die chinesische Tiktok-Eignerin Bytedance ist mit dem Kauf des VR-Headset-Herstellers Pico ebenfalls in das Geschäft eingestiegen. Erst im Oktober hat Pico ein vielversprechendes neues Konkurrenzprodukt zur Meta Quest lanciert. Zum gleichen Preis. Das alles verheisst nichts Gutes für Zuckerberg. Für technologieaffine Konsumenten ist der zunehmende Wettstreit der Anbieter aber eine frohe Botschaft.

An der CES wurden übrigens bereits Entwicklungen vorgestellt, die das Eintauchen ins 3-D-Internet noch sinnlicher machen sollen. OVR Technology bietet ein Gerät an, das an die VR-Headsets verschiedener Anbieter angebracht werden kann und diesen über eine Bluetooth-Schnittstelle erlaubt, Düfte abzusondern.

Markus Städeli, Las Vegas, «NZZ am Sonntag»

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