Ferien machen glücklich – aber ganz anders, als Sie denken Was die Wissenschaft über perfekte Ferien weiss: Tagträume vermeiden, wenig fotografieren und abbrechen, wenn es gerade am schönsten ist.

Was die Wissenschaft über perfekte Ferien weiss: Tagträume vermeiden, wenig fotografieren und abbrechen, wenn es gerade am schönsten ist.

(Illustration: Simon Tanner)

Die schlechte Nachricht zu Beginn: Wenn Sie gerade dabei sind, Ihre Koffer für die Ferien zu packen, liegen die schönsten Tage des Jahres möglicherweise bereits hinter Ihnen. Oder zumindest die glücklichsten.

Schweizerinnen und Schweizer machen gerne Ferien, statistisch gesehen fahren sie drei Mal jährlich weg. 77 Prozent von ihnen wollen diesen Sommer verreisen, die Mehrzahl ans Meer, wo sie durchschnittlich zwei Wochen bleiben und knapp 3000 Franken ausgeben werden.

Wir investieren viel Zeit und Geld in unsere Ferien – aber oft überraschend wenig Verstand. Dabei untersuchen Forscher seit Jahrzehnten, wie man die Erholung und das Glück maximiert und Enttäuschungen vermeidet.

Was also weiss die Wissenschaft über die perfekten Ferien?

1. Wann uns das Glück findet

«Verwechseln Sie diesen Infinity-Pool nicht mit einem Swimmingpool, denn er ist klein, und man kann nicht wirklich schwimmen – nur Fotos machen und mit anderen drinsitzen.» (Tripadvisor-Bewertung eines Hotels auf dem Bürgenstock, Schweiz)

Fangen wir mit der offensichtlichen Frage an: Warum verreisen wir überhaupt? Die Konsumpsychologie hat eine bestechend einfache Antwort darauf: Wir investieren in Ferien, weil wir annehmen, dass wir am anderen Ort glücklicher sein werden als zu Hause.

Tatsächlich steigern Ferien unser Wohlbefinden, was an sich nicht überraschend ist. Überraschend ist der Zeitpunkt. Denn jede geplante Reise kann den Pegel unseres Glücks nicht einmal, sondern gleich dreimal heben: während wir uns darauf freuen, während wir es geniessen und wenn wir daran zurückdenken. Und diese Glückskurve verläuft ganz anders als vermutet, wie eine niederländische Studie nahelegt. Befragt man Ferienreisende vor, während und nach dem Trip, zeigt sich: Wir fühlen uns nicht am besten, während wir in Italien am Strand liegen, mit einer Velogruppe durch die Bretagne radeln oder Amsterdam erkunden. Das kann sogar der Tiefpunkt sein.

Das Glück ist intensiver, wenn wir diesen Momenten entgegenfiebern oder uns später an sie erinnern. «Rosy view» heisst dieses Phänomen in der Wissenschaft, die «rosarote Brille»: Der Mensch neigt dazu, Erlebnisse in der Erwartung oder im Rückblick besser zu bewerten als in der Realität. Zuvor verdrängen wir mögliche Unannehmlichkeiten, danach vergessen wir sie rasch wieder. Nur in den Ferien selbst trüben Hitze, Mücken oder Menschenmassen unser Ferienvergnügen.

Vorfreude ist die allerbeste Freude. Sie hebt unsere Stimmung bereits 8 Wochen vor Abreise sanft an, steigert sich nach weiteren 4 Wochen deutlich und erreicht 10 bis 7 Tage vorher ihren Höhepunkt. Die Autoren der Studie empfehlen deshalb, mehrere kürzere Reisen übers Jahr verteilt zu planen statt eine lange Sommerfrische. So lässt sich das Glück nämlich strecken.

Allerdings kommt es darauf an, wie man die Tage und Wochen vor den Ferien verbringt. Wer gestresst ist, weil die Reise noch nicht organisiert ist oder der Job vor der Absenz umso stressiger wird, verpasst das Glücksgefühl. Um von der Vorfreude zu profitieren, muss man sie auskosten. Oder, besser noch, anheizen.

Die kanadische Psychologin Elizabeth Dunn erforscht seit Jahren, wie man möglichst viel Glück für sein Geld bekommt. Vorfreude hält sie für eine der kraftvollsten Quellen, eine Art emotionale Rendite, die früh ausgezahlt wird. Wer sich seine Ferien ausmalt, indem er Reiseführer liest, Unternehmungen plant und sich vorstellt, wie die Spaghetti alle Vongole schmecken werden, wird jedes Mal belohnt.

Das liegt an einer faszinierenden Eigenschaft unseres Gehirns: Wir können Freude vorfühlen. Denken wir an etwas, von dem wir annehmen, dass es uns glücklich machen wird, empfinden wir das Glück bereits. Diesen kleinen Kick verschaffen wir uns oft unbewusst. Zum Beispiel, wenn wir auf der Website des Hotels nochmals die Zimmer und den Infinity-Pool anschauen, obwohl wir längst gebucht haben.

Die Vorstellungskraft kann aber noch mehr. Sie macht auch die realen Ferien besser. Das liegt einerseits am Erwartungseffekt: Rechnen wir mit etwas Gutem, nehmen wir es als besser wahr. Andererseits kann uns unser Hirn auch über kleine Enttäuschungen vor Ort hinwegretten. Das Hotel ist doch nicht so malerisch gelegen wie gedacht, der Infinity-Pool eher winzig als unendlich? Hier hilft uns die kognitive Dissonanz: Widersprechen sich zwei Erfahrungen, also zum Beispiel der vorgestellte und der reale Pool, löst das in uns eine unangenehme Spannung aus. Das Gehirn wird versuchen, diese zu verkleinern oder aufzulösen, und dafür hat es eine Reihe von Tricks. Statt enttäuscht zu sein, reden wir uns das Problem schön. Wir trivialisieren («Eigentlich schwimme ich sowieso lieber im Meer»), rationalisieren («Immerhin hat es so mehr Platz für Liegestühle») oder werten andere Aspekte auf («Das Zimmer und die Aussicht sind dafür grossartig»).

Aber Vorsicht, diese Effekte funktionieren auch umgekehrt. Liest man nach der Hotelbuchung nur noch negative Bewertungen, statt sich an den schönen Fotos vorzufreuen, passiert womöglich das Gegenteil. Wir reisen mit negativen Erwartungen an und finden prompt überall Gründe zum Mäkeln.

2. Wie uns innere Wünsche antreiben

«Das ist kein schicker Glamping-Ausflug für die Bucket-List. Es geht meist bergauf über harte Steine (. . .). Eine romantische Vorstellung von einem Abenteuer, aber nichts, woran die meisten Menschen ab vierzig Freude haben werden.» (Tripadvisor-Bewertung einer viertägigen Wandertour auf den Machu Picchu)

Treten wir einen Schritt zurück. Warum haben wir genau diese Ferien gebucht und keine andern? Wir könnten die Ferien ja auch in einem Yoga-Retreat in Indien verbringen statt in einem Ferienhaus auf Elba. Oder auf den peruanischen Machu Picchu wandern, statt eine Kreuzfahrt in der Ägäis zu machen. Wie wählen wir aus den Millionen von Möglichkeiten aus?

Jede Tat hat ein Motiv: Das gelte bei Verbrechen genauso wie beim Verreisen, sagt die Motivationspsychologie. Jede zielgerichtete Handlung, also auch die Ferienbuchung, wird durch ein inneres Bedürfnis ausgelöst. Das Bedürfnis nach Erholung vielleicht, nach Zugehörigkeit, Abwechslung, Spass oder Selbstverwirklichung. Oft ist es nicht nur ein Motiv, das uns antreibt, sondern es sind gleich mehrere.

Ferien sind immer der Versuch, solche Wünsche zu befriedigen. Der Entscheidungsprozess danach ist einfach: Wir entwickeln Wunschbilder, die zu unseren Bedürfnissen passen, inspiriert durch Erzählungen von Freunden, Reiseberichte, Fotos auf Instagram oder unsere Erinnerung an frühere Ferien. Dann begeben wir uns auf eine mentale Zeitreise. Wir versetzen uns in diese Kulisse, die wir im Kopf entworfen haben, und versuchen, unsere zukünftigen Emotionen vorauszusehen.

«Affective forecasting» heisst dieser unbewusste Prozess in der Entscheidungspsychologie. Wir stellen uns vor, wie wir uns am Ferienort fühlen werden. «Wenn ich am Strand liege, werde ich endlich entspannt sein», nehmen wir an oder: «Wenn ich auf dem Machu Picchu stehe, verspüre ich ein echtes Gefühl von Freiheit und Abenteuer.»

Im letzten Schritt passen wir die Träume dann wieder der Realität an und schliessen Kompromisse: Wie viele Ferientage habe ich überhaupt zur Verfügung, welche Destination ist erreichbar, wie hoch liegt mein Budget? Und natürlich auch: Wer kommt mit – und decken sich unsere Träume?

Um das herauszufinden, hat der Tourismusforscher Sebastian Filep ein einfaches Konzept entwickelt. Er teilt die Reisenden in zwei Gruppen ein. Die einen sind hedonistisch, die anderen eudaimonisch motiviert. Die Hedonisten streben das Ferienglück an, indem sie Lust, Freude und Komfort optimieren und Unbehagen vermeiden. Sie träumen von Ferien, in denen sich angenehme Momente aneinanderreihen und keine Tiefpunkte zu erwarten sind. Deshalb buchen sie Pauschalreisen, All-inclusive-Resorts, Kreuzfahrten oder kehren ins immergleiche Ferienhaus zurück.

Eudaimonisch motivierte Reisende hingegen treibt nicht der Wunsch nach angenehmen Momenten an, sondern der nach unvergesslichen. Sie suchen nach Höhepunkten und nehmen dafür auch Tiefpunkte in Form von Mühsal oder Unsicherheit in Kauf. Diese Reisenden besteigen den Machu Picchu, reiten auf Kamelen durch die Wüste oder machen sich auf den Jakobsweg.

Ein Mensch ist nicht entweder hedonistisch oder eudaimonisch motiviert. Die meisten von uns tragen beides in sich, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt. Aber je nach Lebensphase und Belastungen im Alltag kann die eine oder die andere Seite überhandnehmen. Schwierig wird es erst, wenn sich Leute für die Ferien zusammentun, deren Motive sich widersprechen. Oder wenn wir selbst unsere Bedürfnisse verkennen, weil wir lieber abenteuerlicher, sportlicher oder entspannter wären, als wir es tatsächlich sind.

3. Wen wir mit Ferien beeindrucken wollen

«Das war die langweiligste Tour, die ich je gemacht habe. Man läuft einfach nur durch eine Favela (. . .). Meiner Meinung nach ist das nicht wirklich gefährlich. (. . .) Manche haben dort sogar neuere Kühlschränke als ich zu Hause.» (Tripadvisor-Bewertung einer dreistündigen Tour durch eine Favela in Rio de Janeiro)

Welche Ferien wir uns leisten, hat natürlich mit unserem Budget zu tun. Aber eben nicht nur. Eine Studie von 2022, in der die Forscher die Daten von mehr als 60 000 Europäern analysierten, macht sichtbar, dass die Leute häufiger und weiter reisen, wenn die Menschen in ihrem Umfeld das auch tun.

Der Mensch reist eben nie nur für sich allein, sondern immer auch für das Bild, das er von sich entwirft. Der Ökonom und Soziologe Thorstein Veblen zählte das Reisen schon vor 125 Jahren zum «demonstrativen Konsum». Wir zeigen damit, was wir uns leisten können und wer wir sind.

Den sozialen Wettbewerb, der damit einhergeht, nennt man in den USA «keeping up with the Joneses». Er geht auf einen Comic aus dem Jahr 1913 zurück, in dem eine Familie versucht, mit den wohlhabenden Nachbarn, den Joneses, mitzuhalten. Heute steht er für die menschliche Tendenz, mit Nachbarn und Verwandten «gleichzuziehen», wenn es um Konsum und Statussymbole geht – oder sie zu überflügeln.

Inzwischen sind wir umzingelt von Millionen von Joneses. Längst vergleichen wir uns nicht mehr nur mit dem nahen Umfeld, sondern auch mit Leuten in den sozialen Netzwerken, mit Prominenten oder mit Figuren aus erfundenen Geschichten. Das führt zu amüsanten Phänomenen wie dem «‹White Lotus›-Effekt», über den gerade viel geschrieben wird. In der erfolgreichen HBO-Serie zerbricht das Leben ultrareicher Leute vor traumhafter Kulisse auf Hawaii, Sizilien und bald auf Koh Samui.

Obwohl die Protagonistinnen und Protagonisten egozentrisch, bindungsgestört, verwöhnt oder wahnsinnig nervig sind und ihr Geld sie kein bisschen glücklich macht, taugen sie offenbar als Joneses: Das Hotel Four Seasons im sizilianischen Taormina, der Drehort der zweiten Staffel, ist trotz Zimmerpreisen ab 1500 Euro über Monate ausgebucht. Gleichzeitig wird es von Gästen überrannt, die nur im Restaurant essen oder an der Bar einen Cocktail trinken wollen – und sich dann in den Kommentaren über überzogene Preise beschweren. Sogar die Ultrareichen selbst lassen sich von «White Lotus» inspirieren; es heisst, das frisch vermählte Ehepaar Bezos verbringe die Flitterwochen dort.

Aber es geht nicht nur darum, was wir uns gerne leisten wollen. Auch in unserem Geschmack und unseren Vorlieben spiegelt sich die Klasse, zu der wir gehören. Das hat der französische Soziologe Pierre Bourdieu in seinem berühmten Werk «Die feinen Unterschiede» beschrieben. Wir grenzen uns beim Reisen ab von den Gruppen, zu denen wir nicht gehören wollen, und streben nach Anerkennung bei jenen, denen wir uns verbunden fühlen.

Wer die günstigsten Strandferien in Rimini bucht, zeigt, dass er sich Ferien überhaupt leisten kann. Wer sich für eine Kulturreise entscheidet, will nicht zu den Massentouristen am Strand gehören. Wer ein Yoga-Retreat besucht, grenzt sich von oberflächlichen Kulturreisenden ab. Wer in den Ferien eine Tour durch einen Slum einbaut, beweist, dass er sich auch für die Schattenseiten eines Landes interessiert. Wer mit dem Rucksack durch Georgien trampt, hat Luxus nicht nötig. Wer die Ferien zu Hause verbringt, obwohl er sich Ferien leisten könnte, hält sich für besonders klimabewusst. Wie lautet der erste Grundsatz der Kommunikationstheorie: Wir können nicht nicht kommunizieren.

4. Warum Fotos das Erlebnis schmälern

«Das Erlebnis des Gleitschirmfliegens war in Ordnung. Enttäuscht hat mich allerdings das Fotoangebot. Die Aufnahmen waren furchtbar. (. . .) Der Pilot meines Partners hat ihm sogar Posen vorgeschlagen.» (Google-Bewertung von einem Gleitschirmflug, Interlaken)

Früher verschickte man eine einzige Postkarte, um Daheimgebliebene neidisch zu machen, heute posten wir oft Dutzende von Bildern. Doch wenn wir ein Erlebnis fotografieren, schwächt das die Freude am Erlebnis selbst. Vor allem, wenn wir die Absicht haben, die Bilder danach zu teilen.

Es gibt mehrere Studien, die diesen Effekt untersuchen. Eine davon teilte die Probanden in drei Gruppen ein: Gruppe A sollte das Erlebnis – zum Beispiel die Besichtigung einer Sehenswürdigkeit – fotografieren, aber ohne die Möglichkeit, die Bilder auf den sozialen Netzwerken zu teilen. Gruppe B sollte die Fotos danach posten. Gruppe C durfte gar nicht fotografieren. Danach wurde getestet, wie detailliert sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an das Erlebte erinnerten und wie gut sie sich fühlten.

Das Ergebnis: Die Menschen, die fotografiert hatten, konnten sich etwas besser an visuelle Details erinnern als die, die nicht fotografierten. Aber an das Erlebnis selbst, also an andere Sinneseindrücke und an Empfindungen, erinnerten sie sich schlechter. Unser Gehirn scheint die Erinnerungsarbeit auszulagern, sobald wir fotografieren, und die Eindrücke schlechter mit den anderen Erfahrungen zu verknüpfen.

Bei der Freude ist es ähnlich: Wer nicht fotografiert, bewertet das Erlebnis im Nachhinein besser. Wenn wir beabsichtigen, Bilder von einem Moment zu teilen, machen wir uns Gedanken darüber, wie dieser Moment bei unserem Publikum ankommen wird, statt ihn zu geniessen. Besonders unzufrieden mit einem Erlebnis sind übrigens diejenigen, die Fotos gepostet, aber nur wenige Likes dafür erhalten haben.

5. Weshalb die Gedanken nicht frei sein sollten

«Wir machen mindestens fünf Kreuzfahrten pro Jahr. Unsere letzte Reise war ein absoluter Albtraum. Wir haben ‹The Key› gebucht – und es war völlig nutzlos. Beim Check-in wurden wir nicht anders behandelt als andere Gäste. (. . .) Nur zwei Steckdosen (!) in der gesamten Kabine – das ist völlig absurd.» (Yelp-Bewertung für eine Karibik-Kreuzfahrt)

Im Schnitt verreisen die Schweizer zwei Wochen in die Sommerferien. Das ist schön, aber länger als nötig, jedenfalls was die Erholung betrifft. Den Gipfel der Entspannung erreichen wir nämlich bereits am achten Ferientag. Wer länger bleibt, wird nicht noch relaxter. Der Level stagniert oder sinkt sogar wieder.

Wie gut wir uns erholen, hängt aber auch davon ab, was wir tun – oder eben nicht tun. Stundenlang im Liegestuhl an gar nichts zu denken, klingt verlockend, ist aber leider keine gute Idee. Denn unser Gehirn hat eine unangenehme Eigenschaft: Lassen wir den Geist einfach so herumwandern, führt er uns meist in dunkle Gassen unser selbst. Plötzlich landen wir bei dem Tadel des Chefs, dem peinlichen Moment im Meeting oder dem dummen Satz, den wir vor Monaten zum Schwiegervater gesagt haben.

Im Leerlauf wird in unserem Kopf das Default-Mode-Network (DMN) aktiv, ein Netzwerk von Hirnregionen, das uns dazu bringt, über uns und andere nachzudenken. Unglücklicherweise ist das DMN ein Pessimist; von der Evolution darauf programmiert, Gefahren zu erkennen, statt Glück zu maximieren. Schaltet unser Geist auf Autopilot, scannt er die Vergangenheit nach Fehlern und projiziert diese auf die Zukunft. Und weil das DMN Wiederholungen mag, geraten wir in Gedankenschleifen. Wir grübeln endlos über vergangene Probleme und sorgen uns über das, was vor uns liegt.

Wie unglücklich es uns machen kann, an gar nichts zu denken, haben Matthew Killingsworth und Daniel T. Gilbert an der Harvard University untersucht. Sie sammelten per App 250 000 Momentaufnahmen von mehr als 2000 Probanden, die jeweils angeben mussten, was sie gerade taten, woran sie dachten und wie sie sich fühlten. Die Teilnehmer waren weniger glücklich, wenn ihre Gedanken abschweiften – und das sogar, wenn es angenehme Gedanken waren. Interessant war die Kausalität: Unzufriedene Leute neigen nicht stärker dazu, die Gedanken schweifen zu lassen. Es ist das Abschweifen, das zur Unzufriedenheit führt.

6. Wie Erholung gelingt

«Das ist keine Tour, das ist ein Militärmarsch. Man darf auf dem Weg nicht stehen bleiben – sobald der Guide losläuft, muss man sofort mitgehen, sonst taucht ein finsterer Typ auf und brüllt einen an.» (Tripadvisor-Bewertung einer Führung durch die Katsura Imperial Villa, Kyoto, Japan)

Wie sollen wir entspannen? Sabine Sonnentag hat das perfekte Ferienrezept entdeckt. Die Arbeits- und Organisationspsychologin untersucht an der Universität Mannheim, wie Menschen sich am nachhaltigsten erholen. Vier Zutaten machen laut Sonnentag gelungene Ferien aus.

1. Entspannung, also Aktivitäten, die weder körperlich noch geistig anspruchsvoll sind: gemütliche Spaziergänge, Baden, in ein Buch eintauchen. 2. Kontrolle, also das Gefühl, nicht fremdbestimmt zu sein und die Tage so zu gestalten, wie man möchte. 3. Kompetenzerleben, eine eher überraschende Zutat: In den Ferien eine Herausforderung zu meistern – etwa eine Sportart auszuprobieren oder einen Kochkurs zu besuchen –, macht uns wach und frisch. 4. Abschalten. Ob Gespräche, Spiele oder eine Wanderung – in den Ferien sollte man geistige Distanz zum Alltag schaffen und so wenig wie möglich an die Arbeit denken. Also keine E-Mails checken und hoffen, dass der Chef nicht anruft.

Jessica de Bloom, eine Kollegin von Sabine Sonnentag, hat das Rezept später noch um zwei Zutaten erweitert: 5. Sinn, also erfüllende Erfahrungen, und 6. soziale Verbundenheit mit anderen Menschen.

7. Warum mehr nicht besser ist

«Ich habe schon höhere Berge gesehen.» (Yelp-Bewertung für den Mount Rainier, USA)

Um sich optimal zu erholen, sollte man die Arbeit zu Hause lassen, also keine E-Mails checken, die Benachrichtigungen von Teamkollegen auf stumm schalten, Anrufe ignorieren. Darin sind sich die meisten Forscher einig. Aber nicht alle. Der amerikanische Verhaltensökonom Jeff Galak hat im vergangenen Sommer einen aufsehenerregenden Artikel im «Wall Street Journal» geschrieben, in dem er mit solchen Glaubenssätzen bricht.

Galak forscht unter anderem zur hedonistischen Adaption. Der Gewöhnungseffekt führt dazu, dass wir bei positiven (und negativen) Ereignissen rasch wieder auf unser «normales» Glücksniveau zurückkehren. Wir gewöhnen uns erstaunlich rasch an die schönen Dinge des Lebens, weshalb zehn Tage am Strand nicht glücklicher machen als sieben und fünf Museumsbesuche nicht zufriedener als drei. Man würde denken, dass mehr von einem schönen Erlebnis immer besser sei, schreibt Galak. «Aber in Wirklichkeit ist das oft nicht der Fall. Tatsächlich ist einer der Hauptgründe, warum Ferien – oder andere angenehme Aktivitäten – enttäuschend wirken können, eine unumstössliche Wahrheit des hedonistischen Konsums: Der Genuss nimmt mit der Zeit ab. Je öfter wir etwas konsumieren, desto weniger geniessen wir es.»

Galak schlägt deshalb vor, den Genuss bewusst zu unterbrechen, wenn er am grössten ist, und dann neu anzusetzen. Das widerspricht unserer Intuition. Befragt man Menschen, ob sie bei einem angenehmen Erlebnis – einer Massage, Musikhören oder eben in den Ferien – unterbrochen werden möchten, wollen das die meisten nicht. Geht es hingegen um etwas Unangenehmes wie Lärm oder Kopfweh, käme ihnen eine Pause gelegen. Experimente beweisen aber das Gegenteil: Wird eine Massage unterbrochen, geniessen wir sie danach umso mehr. Bekommen wir eine Pause vom nervigen Lärm, plagt uns der Krach danach umso stärker.

Mit dem Effekt lasse sich die hedonistische Gewöhnung austricksen, glaubt Galak. Man verlässt den Strand genau dann, wenn man gerne noch bleiben möchte, und geht ins Hotel, um seine E-Mails zu checken. Kehrt man danach ans Meer zurück, ist die Freude so gut wie neu.

Der hedonistische Gewöhnungseffekt wirkt über die Ferien und Jahre hinweg. Er kann sich sogar zu einer Art emotionaler Taubheit steigern. Menschen, die sehr viel reisen, empfinden dabei weniger Freude, Begeisterung oder Staunen, und sie erinnerten sich auch schwächer an ihre Erlebnisse.

Das liegt am Belohnungssystem unseres Gehirns. Es reagiert weniger stark auf wiederholte Reize, sogar wenn sie objektiv «besser» sind. Reisen, auch wenn sie uns an neue Orte führen, fühlen sich dann nicht mehr so «neuartig» an. Ausserdem steigt unsere Erwartungshaltung mit jedem Trip. Messen wir jede Aussicht, jedes Hotelzimmer, jeden Strand an den Spitzenergebnissen der Vergangenheit, haben wir stets schon spektakulärere Aussichten, tollere Hotels, traumhaftere Strände gesehen.

8. Womit Ferien enden sollten

«Ein sehr teurer Familientag, um nur eine Handvoll Delfine zu sehen.» (Tripadvisor-Bewertung für eine Delfin-Bootstour, Auckland, Neuseeland)

Ein Trost für alle, die bereits in den Ferien sind: Diese müssen nicht rundum gelungen sein, damit wir sie im Rückblick als geglückt wahrnehmen. Das besagt die «Peak-End»-Regel, die der Verhaltensökonom und Nobelpreisträger Daniel Kahneman in den 1990er Jahren formulierte. Ursprünglich wollte er wissen, wie sich Menschen an Schmerz erinnern. Patienten, die eine Darmspiegelung über sich ergehen lassen mussten, berichteten zuerst in Echtzeit, wie unangenehm sie den Moment empfanden, und dann noch einmal rückblickend. Kahneman entdeckte, dass Menschen ein Ereignis nicht nach dem Durchschnitt ihrer Gefühle beurteilten. Entscheidend sind der intensivste Moment und das Ende.

Später wandten Kahneman und andere Forscher diese Erkenntnis auch auf angenehme Erlebnisse wie Besuche in Freizeitparks oder eben Ferien an. Und tatsächlich galt die «Peak-End»-Regel auch dort.

Für unsere Ferien bedeutet das: Ein einziger Höhepunkt prägt Ferien stärker als eine Reihe mittelmässiger Unternehmungen. Wer sein Ferienglück vergrössern möchte, gibt sein Geld besser für eine Ballonfahrt, einen Bootsausflug oder eine Safari-Tour aus, statt sich jeden Tag drei Margaritas zu gönnen. Diesen Höhepunkt plant man erst in der zweiten Hälfte der Ferien ein. Findet das Beste gleich am Anfang statt, ist die Gefahr gross, dass alle nachfolgenden Erlebnisse im Vergleich dazu abfallen.

Ausserdem sollte man das Ende der Ferien inszenieren. Am letzten Tag also nicht nur packen und die Reste aufessen, sondern noch einmal etwas besonders Schönes einplanen. Einen Ausflug am Nachmittag etwa oder ein romantisches Dinner im Lieblingsrestaurant.

9. Wie lange das Glück anhält

«Grossartiger Strand, einfach zu sandig. Aber schön zum Schwimmen. Ich empfehle, ihn trotzdem zu besuchen.» (Tripadvisor-Bewertung für den Tumon Beach, Mikronesien)

Die gute Nachricht zum Schluss: Bisher schien es, als brächten Ferien längerfristig kaum etwas. Das Wohlbefinden sackte eine Woche nach der Heimkehr wieder auf den Alltagswert ab, die Erholung war spätestens nach zwei Wochen futsch. Eine soeben erschienene Übersichtsarbeit, die 32 empirische Studien einbezieht, macht nun Hoffnung, dass das Feriengefühl deutlich länger anhält. Falls Ihre Ferien also bereits vorbei sind und Sie gerade wehmütig die Koffer auspacken – vor Ihnen liegen nochmals sechs Wochen Glück.

Barbara Klingbacher, «Neue Zürcher Zeitung»

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