Made in Österreich, aber mit der Schweizer Uhrenindustrie aufs Engste verbandelt Das Familienunternehmen Hirsch aus Klagenfurt ist mit Uhrenbändern aus Leder gross geworden. Mittlerweile nutzt es für seine Produkte auch exotische Materialien wie Stein und Holz. Hirsch war aber auch an einem Wendepunkt der Schweizer Uhrenindustrie massgeblich beteiligt.

Das Familienunternehmen Hirsch aus Klagenfurt ist mit Uhrenbändern aus Leder gross geworden. Mittlerweile nutzt es für seine Produkte auch exotische Materialien wie Stein und Holz. Hirsch war aber auch an einem Wendepunkt der Schweizer Uhrenindustrie massgeblich beteiligt.

 

Nikolaus Hirsch (l.) leitet mit seinem Bruder Matthäus das Familienunternehmen Hirsch in vierter Generation. Bild: PD

Das Uhrenarmband ist für die meisten Uhrenbesitzer ein rein funktionaler Gegenstand – es «befestigt» den Zeitmesser am Handgelenk. Nur schon berufsbedingt mag sich Nikolaus Hirsch (31) mit einer solchen Geringschätzung des Gegenstandes nicht abfinden: «Vom Optischen her macht das Uhrenband siebzig Prozent einer Uhr aus», sagt der Unternehmer, der mit seinem Bruder Matthäus (30) den Klagenfurter Uhrenbandhersteller Hirsch leitet.

Das österreichische Familienunternehmen, das im Jahr einen Umsatz von rund 70 Millionen Euro erzielt, ist mit der Schweizer Uhrenindustrie aufs Engste verbunden. Es beliefert bekannte Markenhersteller und bezeichnet sich nicht unbescheiden als «Hauptlieferant der Schweizer Luxusuhrenindustrie».

Plastikbänder für die Swatch-Uhr

Hirsch war aber auch an einem historischen Schlüsselmoment der Branche beteiligt, der mit Luxus nichts zu tun hat: Als die Swatch Group 1983 die gleichnamige, hoch automatisiert hergestellte Plastikuhr lancierte, war sie mit einem Kunststoffband von Hirsch versehen. Man habe das Band gleichsam erfunden, sagt eine Mitarbeiterin auf einem Rundgang durch die Fabrik. «Hirsch hat den entsprechenden Werkstoff entwickelt.»

Insgesamt stellte Hirsch für die Plastikuhr 80 Millionen Bänder her; in der Klagenfurter Fabrik hängt in einer Vitrine eine grosse Kollektion in vielen Farben und in unterschiedlichen Mustern. Wie genau der Kontakt nach Biel zur Swatch Group zustande gekommen ist, sagt Matthäus Hirsch nicht. Man habe sich gefunden, meint er bloss.

Die Firma Hirsch hat ihre Wurzeln in der Lederverarbeitung. Offiziell wirbt sie mit dem Gründungsjahr 1765. Die Herstellung von Uhrenbändern hat das Unternehmen aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 aufgenommen. Hans Hirsch, der Urgrossvater der beiden heutigen Chefs, sammelte Lederreste aus der Schuhindustrie und produzierte daraus Uhrenbänder. «Er ist ein Bastler gewesen», sagt Nikolaus Hirsch über seinen Vorfahren. Später trieb der Grossvater Hermann Hirsch die Expansion des Unternehmens voran.

Dieses beschäftigt heute über 600 Angestellte, ungefähr die Hälfte von ihnen ist in Klagenfurt tätig. Damit ist Hirsch laut eigenen Angaben der grösste private Arbeitgeber in der Kärntner Landeshauptstadt mit ihren rund 100 000 Einwohnern.

Die Naht auf dem Band ist reine Verzierung

Das Leder für die Uhrenbänder stammt meist aus Norditalien. Rund 65 bis 85 Arbeitsschritte sind notwendig, damit aus einem grossen Lederlappen ein Armband entsteht. Ein Uhrenband aus Leder ist zwei- oder dreischichtig: Es besteht also mindestes aus dem Futter- und dem Oberleder; je nach Produkt wird auf das Futterleder noch Padding aus Lederresten gegossen, um es länger haltbar zu machen.

Die Naht hingegen ist bei Hirschs Lederbändern bloss Zierde. Ober- und Futterleder werden stattdessen mit Druck und Wärme miteinander verklebt. Hans Hirsch hat diese Technik entwickelt und patentieren lassen, sie heisst deshalb Hirsch-Rembordé-Verfahren.

Dieses Uhrenband ist innen aus Kautschuk und aussen aus Blättern. Bild: PD

In der Klagenfurter Fabrik sind vornehmlich Frauen in der Herstellung beschäftigt – so wie bei anderen Industriefirmen, die Produkte fertigen, bei denen es auf die Feinmotorik ankommt. Nicht selten wechseln zum Beispiel Coiffeusen aus ihrem angestammten Beruf zu Hirsch.

Automatisieren lässt sich die Herstellung von Lederbändern kaum, unter anderem, weil das Ausgangsmaterial nie identisch ist. Alligatorleder etwa muss auf Kampfspuren oder Mückenstiche untersucht werden und braucht eine sorgfältige Weiterverarbeitung.

Wer bei Hirsch mit diesem teuren Ausgangsmaterial an der Stanzmaschine arbeitet, durchläuft eine Anlehre von eineinhalb Jahren; sonst ist bei Hirsch eine Ausbildung «on the job» von sechs Monaten üblich.

Uhrenbänder aus Birke und Schieferstein

Teils fertigen die grossen Uhrenhersteller Uhrenbänder selbst, teils kaufen sie diese bei unabhängigen Lieferanten wie Hirsch ein. Die Swatch Group etwa fertigt alle Bänder aus Keramik selbst, jene aus Leder und Metall bezieht sie teilweise von Zulieferern. «In der Regel haben die Uhrenhersteller eine Mehrfach-Lieferanten-Strategie», sagt Matthäus Hirsch. Laut Angaben der Swatch Group gibt es Dutzende von unabhängigen Herstellern von Uhrenbändern.

Die Uhrenmarken suchen ständig neue Materialien für ihre Produkte. Hirsch muss deshalb Forschung betreiben, um im Geschäft zu bleiben. Die Österreicher brachten etwa als Erste ein Uhrenband auf den Markt, das aus Kalbsleder bestand, aber eine sogenannte Alligatorenprägung aufwies. «Mittlerweile gibt es einen Trend zu nicht-tierischen Materialien», sagt Nikolaus Hirsch.

Kautschuk hat sich durchgesetzt, Hirsch experimentiert aber auch mit Bändern, deren Oberfläche aus Birke oder Schieferstein besteht. Man liess auch Metall rosten, schützte es mit einer Beschichtung und trug es auf Fasermaterial auf.

Hirsch will als Marke bekannter werden

Die Luxusuhrenindustrie ist immer wieder starken Zyklen unterworfen. Die Hirsch-Brüder sind deshalb froh, dass ihr Unternehmen auf drei Beinen steht: Es beliefert nicht nur die Uhrenhersteller mit Bändern, sondern auch Juweliere und betreibt Servicestationen in Kaufhäusern.

Solche Shop-in-Shops gibt es auch in der Schweiz. Die Mitarbeiter dort kümmern sich etwa um den Batteriewechsel oder versehen die Uhr mit einem neuen Band. Diese Mini-Läden sind für Hirsch eine Chance, um mit Endkunden in Kontakt zu kommen.

Für Uhrenbandhersteller ist es nämlich schwierig, das Publikum mit ihrer Marke bekannt zu machen. Die Uhrenproduzenten akzeptieren es in der Regel nicht, dass auf dem Band der Name des Herstellers aufgedruckt ist. Bänder unter der Marke Hirsch kann das österreichische Familienunternehmen deshalb fast nur über Juweliere und die eigenen Läden vertreiben.

Dieses Geschäft will Hirsch weiter forcieren. Bereits Robert Hirsch, der Vater von Nikolaus und Matthäus, hatte 2017 das Motto ausgegeben: «Hirsch will zur Konsumentenmarke werden.» Diesem Zweck dient auch ein eigener Web-Shop, den Hirsch im Jahr 2020 kurz vor Ausbruch der Pandemie in Betrieb genommen hat.

Daniel Imwinkelried, «Neue Zürcher Zeitung»

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