Der schlaue Kühlschrank muss warten: Das Internet der Dinge legt eine Pause ein Gerade noch feierten Chiphersteller Rekorde, doch nun trübt sich der Ausblick erheblich ein. Das spüren auch Schweizer Firmen.

Gerade noch feierten Chiphersteller Rekorde, doch nun trübt sich der Ausblick erheblich ein. Das spüren auch Schweizer Firmen.

 

Mit dem Internet der Dinge kommt Licht auch in einen geschlossenen Kühlschrank. Bild: unsplash

Das Internet der Dinge eröffnet eine Welt der Wunder. Man kann in den Kühlschrank schauen, ohne die Tür zu öffnen. Der südkoreanische Elektronikkonzern Samsung hat dafür Kameras in das Kühlfach verbaut. Per App lässt sich von unterwegs nachsehen, welche Lebensmittel noch da sind. Das ist potenziell hilfreich, wenn man mit Gedächtnislücken vor dem Supermarktregal steht. So werden beim sogenannten Internet of Things (IoT) Geräte, die eigentlich keine Computer sind, über das Netz mit anderen Anwendungen verknüpft.

Doch in einem Wirtschaftsabschwung und bei hoher Teuerung verblasst der Reiz der Wunder. Da ist es wahrscheinlicher, dass die Konsumenten ihr Geld lieber direkt in Lebensmittel investieren als in einen teuren Kühlschrank, dessen Lücken sie von überall daran erinnern, was sie sich jetzt nicht mehr leisten können. Der Betriebsgewinn von Samsung Electronics, bekannt auch für Handys, Tablets und Fernseher, fiel von Oktober bis Dezember um zwei Drittel gegenüber dem Vorjahreszeitraum und auf den tiefsten Stand seit acht Jahren. Für den Jahresbeginn sind Analytiker ähnlich pessimistisch.

Wird die Erholung abgewürgt?

Eine gedämpfte Nachfrage ist für den IoT-Markt eine schlechte Nachricht. Der Aufwärtstrend war bereits wegen der Lieferkettenprobleme in der Pandemie ins Stocken geraten und flachte ab. Im vergangenen Jahr nahm das Wachstum dann wieder Fahrt auf. Rund 14,4 Milliarden Geräte aller Art waren 2022 mit dem Netz verbunden, wie die Marktbeobachter von IoT Analytics schätzen. Computer, Tablets, Handys usw. wurden allerdings nicht mitgezählt. Jetzt könnte die nächste Pause folgen.

Die Chiphersteller stellen sich bereits darauf ein. TSMC aus Taiwan, der weltgrösste Chipproduzent, erwartet für das erste Quartal 2023 einen Umsatzrückgang um 14 Prozent zum Vorquartal. Das ist eine Vollbremsung. Der Auftragsfertiger, der Chips für Konzerne wie Apple herstellt, hatte im vierten Quartal noch einen Rekordgewinn von knapp 10 Milliarden Dollar verzeichnet. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 soll es wieder aufwärtsgehen.

Für diese Zeit erwarten auch die Analytiker von Goldman Sachs den Tiefpunkt des Chipzyklus. Zur Nachfrageschwäche aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage kommt nämlich noch ein typisches Problem der Branche hinzu: Viele Firmen sitzen jetzt auf vollen Chiplagern. Ihre Bestellungen folgen dem Wirtschaftszyklus und sind somit im Tech-Boom der Pandemie stark angestiegen. Um gegen Lieferturbulenzen gewappnet zu sein, wurde noch mehr bestellt. Diese Lager werden nun erst abgebaut, bevor neue Chips bei den Herstellern eingekauft werden.

Auch das Schweizer Unternehmen U-Blox, ein weltweit führender Entwickler von Positionierungschips zur Standortbestimmung, spürt die rasche Abkühlung. Nachholeffekte bescherten U-Blox zwar ebenfalls ein aussergewöhnlich gutes Jahr 2022: Die Firma aus Thalwil konnte den Umsatz wie erwartet um rund die Hälfte auf 624 Millionen Franken steigern. Doch das Wachstum verlor im vierten Quartal klar an Schwung. Das Unternehmen erwartet, dass die Erlöse künftig im historisch üblichen Rahmen zunehmen.

Die Industrie 4.0 kann U-Blox nicht ganz abschirmen

U-Blox ist zugleich für den Abschwung besser gerüstet als andere Anbieter. Tröstlich ist der grosse Auftragsbestand, auf den sich die seit Anfang Jahr vom neuen CEO Stephan Zizala geführte Firma stützen kann. Vor allem aber wird nur ein Zehntel des Umsatzes mit Chips für Konsumelektronik erwirtschaftet. Fast 30 Prozent stammen von Chips für den Automobilsektor und rund 60 Prozent von Chips für Industrieanwendungen, zum Beispiel bei Robotern in Fabriken oder zur Standortbestimmung in der Logistik.

Das Internet der Dinge ist auch aus der Industrie nicht mehr wegzudenken, die dann gern als Industrie 4.0 bezeichnet wird. Deshalb zählt das IoT zu den grossen Hoffnungsfeldern von U-Blox. Auch hat U-Blox sogenannte Konnektivitätschips im Angebot, die Verbindungen zu einem Wi-Fi-Netz oder über Bluetooth herstellen. Die Firma expandiert zudem bei Dienstleistungen in der Cloud, dem zentralen Speicherplatz auch für IoT-Anwendungen.

Allerdings hängt die Nachfrage der Industriekunden von deren Investitionsbereitschaft ab – und in einem Wirtschaftsabschwung fällt die tendenziell geringer aus. Angesichts der globalen Wirtschaftsschwäche stufte die Grossbank UBS U-Blox-Aktien Mitte Januar auf «verkaufen» herunter. Die grossen Lagerbestände könnten auf die Chip-Preise drücken, befürchten die Analytiker. Auch verweisen sie auf den wachsenden Wettbewerb bei Konnektivitätschips. Mit dem IoT-Ausbau habe U-Blox ein solides Fundament – aber 2023 und 2024 brächten für die Firma wohl eine zeitweilige Pause, so die UBS.

Eine Pause zeichnet sich auch bei VAT ab, dem Vakuumventilhersteller aus dem St. Galler Rheintal. Die Ventile werden bei Maschinen verbaut, die zur Produktion von Halbleitern dienen. Das Jahr 2022 erwies sich für VAT ebenfalls als Rekordjahr, doch von Oktober bis Dezember brach der Auftragseingang deutlich ein, auf 249 Millionen Franken – um 20 Prozent zum Vorquartal und sogar um 43 Prozent zum Vorjahresquartal. Bemerkbar machen sich auch die amerikanischen Sanktionen gegen die chinesische Chipbranche, die eine Auslieferung der Maschinen verzögern. Jetzt kommt tatsächlich einiges gleichzeitig zusammen.

Benjamin Triebe, «Neue Zürcher Zeitung»

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