Die EU reguliert die chaotische Krypto-Finanzwelt. Das ist global ein Novum Facebook hat mit dem Digitalgeld-Projekt Libra das Monopol der Zentralbanken angetastet. Mit zwei neuen Gesetzen will sich die EU künftig vor solchen Überraschungen schützen. Ferner werden Bitcoin-Überweisungen nachvollziehbar, und Abstürzen von Krypto-Dienstleistern wie FTX soll vorgebeugt werden.

Facebook hat mit dem Digitalgeld-Projekt Libra das Monopol der Zentralbanken angetastet. Mit zwei neuen Gesetzen will sich die EU künftig vor solchen Überraschungen schützen. Ferner werden Bitcoin-Überweisungen nachvollziehbar, und Abstürzen von Krypto-Dienstleistern wie FTX soll vorgebeugt werden.

 

Mit Mica will die EU dem Wilden Westen ein Ende setzen, der bei Krypto-Werten herrscht. Bild: unsplash

«Der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg darf nicht Zentralbanker werden», sagt Stefan Berger. Der EU-Parlamentarier von der deutschen CDU war federführend an der Aushandlung der europäischen Verordnung über Krypto-Werte (Mica) beteiligt und bringt auf den Punkt, worum es den Gesetzgebern letztlich geht: Man will verhindern, dass plötzlich ein US-Konzern mit zwei Milliarden aktiven Nutzern pro Tag einen Teil der Geldpolitik in Europa übernimmt.

Bewilligung und Reserven für neue Stablecoins

Die Kommission legte deshalb im September 2020 ein entsprechendes Gesetz vor, und am Donnerstag hat das EU-Parlament diesem mit 517 Ja gegen 38 Nein zugestimmt. Nun muss nur noch der Rat der 27 Mitgliedstaaten Mica gutheissen. Das gilt aber als Formalität. Der entscheidende politische Kompromiss wurde im Sommer 2022 erzielt.

Auch eine zweite, damit verknüpfte Verordnung zur Mittelübertragung (Transfer of Funds Regulation, TFR) erhielt grünes Licht. Damit will die EU dem Wilden Westen ein Ende setzen, der bei Krypto-Werten herrscht. So formulierte es zumindest der französische Finanzminister Bruno Le Maire im vergangenen Sommer. Er stemmte sich besonders vehement gegen das Libra-Projekt einer Weltwährung von Facebook.

Dass ein privates, in Genf angesiedeltes Konsortium ein auf einem Währungskorb basierendes digitales Zahlungsmittel herausgibt, das war ihm zu viel. Doch auch andernorts war der Widerstand gross, so dass der Meta-Konzern das Vorhaben schliesslich in der ursprünglichen Form aufgab, Libra in Diem umbenannte und in die USA zurückzog.

 

Will Zuckerberg mit einem neuen Projekt in die EU zurückkommen, wird er die neuen Mica-Vorschriften befolgen müssen. Diese sollen nicht nur die Finanzstabilität sichern, sondern auch die Konsumenten schützen sowie Manipulation und Kriminalität einschränken. Die zuständige EU-Kommissarin Mairead Guinness sagte am Mittwoch, dass das Gesetzespaket voraussichtlich im Juli in Kraft trete und dann mit verschiedenen Übergangsfristen angewandt werde.

Mica erfasst Krypto-Vermögenswerte, die nicht unter die existierenden Gesetze zu Finanzdienstleistungen fallen, wie die Finanzmarktrichtlinie Mifid. Dabei wird unterschieden zwischen Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum und Stablecoins wie Tether und Libra/Diem.

Letztere Kategorie trennt sich auf in Token, die von mehreren Währungen, Waren, Immobilien und so weiter gedeckt werden, und in E-Geld, das von einer einzigen Währung wie dem Euro abgesichert wird.

Wer nun solche Coins in der EU herausgeben will, unterliegt künftig allerlei Anforderungen. Diese variieren je nach Typ des Krypto-Wertes. Im Regelfall braucht es aber einen Sitz in der EU, damit die Firmen greifbar werden. Ferner sind Bewilligungen der Behörden nötig, und man wird der Aufsicht unterstellt. Kleinere Coins kontrolliert etwa in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), während grössere Stablecoins (wie es Libra gewesen wäre) EU-Gremien unterstellt sind, darunter die Bankenaufsicht, die Wertpapieraufsicht und die EZB.

Je nach Token müssen die Herausgeber darüber hinaus auch Mindestvorgaben erfüllen, was Eigenkapital, Mindestreserven und Liquidität betrifft.

Auch Plattformen, auf denen man mit solchen Coins handeln kann, werden erfasst. Diese Krypto-Dienstleister brauchen eine Zulassung, welche die nationalen Behörden innert drei Monaten ausstellen müssen. Sie können mit diesem «EU-Pass» dann aber in allen 27 Ländern aktiv werden. Dafür haben sie aber strenge Vorgaben zum Schutz der digitalen Portemonnaies («Wallets») der Kunden zu erfüllen, und sie sind haftbar, wenn sie die Krypto-Werte der Anleger verlieren, wie der EU-Rat schreibt.

Für grosse Diskussionen sorgten auch ökologische Aspekte und die Gefahr der Geldwäscherei und der Finanzierung von kriminellen Tätigkeiten. Einzelne Politiker wollten aus Gründen des Klimaschutzes eine für die Schürfung von Bitcoin erforderliche, aber sehr viel Energie verbrauchende Aktivität namens Proof-of-Work verbieten. Das hätte das Aus von Bitcoin in Europa bedeutet. So weit ist es nicht gekommen, doch Krypto-Anbieter müssen nun eine Erklärung zu ihrem ökologischen und klimatischen Fussabdruck veröffentlichen.

Zur Bekämpfung der Geldwäsche hat das Parlament die Verordnung zur Übertragung von Geld und gewissen Krypto-Werten verabschiedet. Diese sieht vor, dass wie bei traditionellen Überweisungen die Behörden künftig ermitteln können, wer wem wie viel Bitcoin hat zukommen lassen. Verdächtige Transaktionen sollen blockiert werden können.

 

Krypto-Dienstleister werden künftig diese Daten zu Adressat und Absender an die Strafverfolgungsbehörden weitergeben müssen, wenn diese in Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsfällen ermitteln.

Nicht betroffen sind sogenannte Unhosted Wallets, also digitale Portemonnaies unter der Kontrolle von Privaten und nicht von Dienstleistern, wenn der Betrag unter 1000 Euro liegt oder wenn die Transaktion zwischen zwei Privaten stattfindet. Zu letzterer Kategorie zählen Bitcoin-Handelsplattformen. Andernfalls muss der Dienstleister gewisse Prüfungen vornehmen.

Bitcoin bleibt weitgehend aussen vor

Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet die grösste und teilweise synonym für die gesamte Sparte verwendete Kryptowährung Bitcoin von Mica nicht direkt erfasst wird. Dies hat schlicht damit zu tun, dass Bitcoin keinen Herausgeber hat, sondern dezentral von verschiedenen Akteuren geschürft wird.

Auch Stablecoins, die es bei Inkrafttreten des Gesetzes schon gibt, sind grundsätzlich ausgenommen. Das trifft ferner auf Non-Fungible Token (NFT) zu. Diese basieren wie alle Krypto-Werte auf der Distributed-Ledger-Technologie, zu der auch Blockchain zählt. Es handelt sich dabei um digital eindeutig identifizierbare und nicht teilbare Token, die gehandelt werden können. Zu einiger Berühmtheit haben es hier digitale Bildchen von gelangweilten Affen gebracht, die auf der Ethereum-Blockchain basieren.

Bitcoin- und NFT-Freunde können sich aber noch nicht in Sicherheit wiegen, was die Regulierungsfreude der EU-Politiker betrifft. Die Kommission von Ursula von der Leyen soll bis Ende 2024 einen Bericht vorlegen zu Bitcoin, anderen digitalen dezentralen Finanztechnologien sowie NFT und bei Bedarf gleich weitere Gesetze vorschlagen.

Berger ist optimistisch, dass sich mit dieser Regulierung Fälle wie der Konkurs der Krypto-Handelsplattform FTX in Europa vermeiden lassen. Und er hofft, dass sich Mica global durchsetzt. So würden etwa die USA unter Präsident Joe Biden hart gegen den Krypto-Sektor vorgehen. Doch Europa schaffe nun eine regulatorische Klarheit und Rechtssicherheit, die es in Amerika nicht gebe. Das sieht Berger als Standortvorteil.

Etwas weniger enthusiastisch tönt es von den betroffenen Firmen. Blockchain for Europe, eine Branchenorganisation, teilte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit, dass es sich um einen «grossartigen ersten Schritt» handle, damit die EU die Führung in der nächsten Generation des Internets, dem Web 3, übernehme. Doch noch seien wichtige offene Detailfragen zu klären.

Christoph G. Schmutz, Brüssel, «eue Zürcher Zeitung»

Das könnte Sie auch interessieren: