Ein Zürcher Garagist findet in einem Auto einen Umschlag mit Tausenden von Franken in bar. Der Fund lässt ihn schwach werden Eine Geschichte über den Umgang mit Fundsachen.

Eine Geschichte über den Umgang mit Fundsachen.

 

Ein Couvert mit Bargeld. Aber was macht man mit einem solchen Fund? Bild: pexels

Was würden Sie tun, wenn sie eine 50er-Note auf dem Boden finden? Einstecken? Oder aufs Fundbüro bringen? Und was, wenn es 1000 Franken wären oder mehr?

Vor dieser Frage steht im Oktober 2022 auch ein Garagist aus dem Zürcher Unterland. An einem Samstagmorgen kurz vor 10 Uhr macht er einen wertvollen Fund: In einem in der Einfahrt abgestellten BMW findet er ein offenes Couvert mit 12 500 Franken in bar.

Zuerst glaubt der 58-jährige Serbe, das Geld gehöre einem seiner Kunden. Er nimmt sich vor, diesem das Couvert mit dem Bargeld noch am gleichen Tag zurückzugeben. Doch dann stellt sich heraus, dass der Umschlag nicht wie vermutet seinem Kunden gehört.

Das bringt den Mann auf eine verhängnisvolle Idee. Statt seinen Fund zu melden, beschliesst er, die unverhoffte Gelegenheit auszunutzen. Er versteckt das Couvert in seinem Wagen – unter der Fussmatte beim Beifahrersitz. Doch lange kann er sich nicht über den Fund freuen. Schon zwei Tage später taucht die Polizei beim Garagisten auf und stellt das Geld sicher. Das geht aus einem Strafbefehl der Zürcher Staatsanwaltschaft hervor.

Der Garagist habe das Bargeld in der Absicht versteckt, «dieses für seine eigenen Bedürfnisse zu verwenden, obwohl er wusste, dass ihm dieses nicht gehört und er darauf keinen Anspruch hat», heisst es im Strafbefehl.

Auch der Fundort entscheidet mit

12 500 Franken haben den Mann zum Langfinger werden lassen. Doch was, wenn er nur eine 50er-Note gefunden und keine Ahnung gehabt hätte, wem sie gehört?

Auch dann hätte er sie nicht behalten dürfen. Wie man mit Fundgegenständen umzugehen hat, ist in Artikel 720 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) geregelt. Und überraschenderweise ist auch entscheidend, wo man etwas gefunden hat.

Grundsätzlich muss ein Fund der Polizei gemeldet oder aufs Fundbüro gebracht werden, und zwar dann, wenn erkennbar ist, dass der Wert der Sache 10 Franken übersteigt. Kennt man den Besitzer, kann man diesen natürlich auch selbst informieren. Oder aber man kann «selbst für eine den Umständen angemessene Bekanntmachung und Nachfrage sorgen», was auch immer hier angemessen sein mag.

Bewahrt man den Gegenstand selbst auf, muss man dies auf «angemessene Weise» tun, also mindestens wohl so, dass die Sache keinen Schaden nimmt. Kann der Besitzer fünf Jahre lang nicht ermittelt werden, dann gehört einem der Fundgegenstand.

Meldet sich der Besitzer hingegen, dann hat der Finder immerhin «Anspruch auf Ersatz aller Auslagen sowie auf einen angemessenen Finderlohn», wobei 10 Prozent des Werts als angemessen gilt. Bei wertvollen Gegenständen wird der Finderlohn üblicherweise reduziert.

Diese Vorgaben gelten aber nur, wenn man den Fund im öffentlichen Raum gemacht hat. Findet man etwas in einem öffentlichen Verkehrsmittel, in einem öffentlichen Gebäude oder in einem bewohnten Haus, dann muss man den Gegenstand dem Hausherren, der Mieterin oder der sonst zuständigen Person geben, im Bus zum Beispiel dem Chauffeur.

100 000 Franken im Fundbüro abgegeben

Klar geregelt ist auch, wie die Fundbüros zu verfahren haben. Anspruch auf einen Finderlohn haben diese nicht. Sie können den Gegenstand aber bereits nach drei Monaten versteigern, sofern der Besitzer keinen Anspruch darauf erhoben hat. Gegenstände, die höchstens noch 50 Franken wert sind, können sogar schon nach einem Monat versteigert oder freihändig verkauft werden. Ist die Sache verderblich oder sehr teuer im Unterhalt, darf sie sofort verkauft werden.

Dass Personen auch Bargeld in die Fundbüros bringen, ist keine Seltenheit. So schreibt die Medienstelle der Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ), dass bei ihnen auf dem Fundbüro täglich Bargeld abgegeben werde. In den meisten Fällen aber nicht lose, sondern in einem Portemonnaie, einem Rucksack oder einer Tasche.

Mitunter sind das stolze Beträge. In einem Fall seien es 100 000 Franken gewesen, heisst es bei den VBZ. Wie oft das Geld dem Besitzer zurückgegeben werden kann, ist nicht klar, dazu führen die VBZ keine Statistik. Aber die Wahrscheinlichkeit steige grundsätzlich mit der Höhe der Summe. Generell könnten über 50 Prozent der eingegangenen Fundgegenstände den Besitzern wieder ausgehändigt werden.

Doch wie kann jemand überhaupt belegen, dass es sein Geld ist, das auf dem Fundbüro liegt? Der rechtmässige Besitz werde mittels möglichst detaillierten Angaben zum Fundgut und den Eckdaten des Verlustes ermittelt, also beispielsweise wann und wo die Sache mutmasslich verlorenging, schreiben die VBZ dazu. Erhebt niemand Anspruch auf das Geld, geht dieses an die Verkehrsbetriebe über.

Der diebische Polizist aus dem Fundbüro

Es kommt zwar selten vor, aber manchmal verleiten die Fundgegenstände auch Mitarbeiter von Fundbüros dazu, zuzugreifen. Dabei ist der Wert nicht einmal entscheidend, wie ein Fall eines Sachbearbeiters der Kantonspolizei Zürich zeigt, der im Fundbüro am Flughafen arbeitete.

Über die Jahre beging der Mann mehrere Diebstähle – immer waren es Portemonnaies, die ihn zum Langfinger werden liessen.

In einer Spätschicht im Oktober 2019 etwa entwendete der Polizist Bargeld aus einem Portemonnaie, das auf dem Polizeiposten abgegeben worden war. Es waren 327 Euro und 21 Cent. Eine Woche später folgte die nächste Tat. Der Mann schnappte sich eine 50-Euro-Banknote, die an den Schalter gebracht worden war. Er versteckte sie unter einem Schubladenstock auf dem Pult, um sie später unter das eigene Bargeld zu mischen.

Wenige Monate später soll der Polizist dann nochmals 100 Euro aus einem auf dem Posten abgegebenen Portemonnaie entwendet haben. Die Staatsanwaltschaft verurteilte ihn schliesslich in einem Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse.

Im Fall des Garagisten aus dem Zürcher Unterland hat die Staatsanwaltschaft ebenfalls einen Strafbefehl ausgestellt. Sie verurteilte den Beschuldigten wegen unrechtmässiger Aneignung mit einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 90 Franken. Dazu kommen eine Busse von 500 Franken und die Übernahme von 1500 Franken an Verfahrenskosten durch den Beschuldigten. Der Garagist hat auf eine Einsprache verzichtet. Damit ist der Strafbefehl rechtskräftig.

Fabian Baumgartner, Jan Hudec, «Neue Zürcher Zeitung»

Das könnte Sie auch interessieren: