Lex Amazon: Wie Barcelona die Paketlieferwagen aus der Innenstadt vertreiben will Sendungen mit Fahrten ins Stadtzentrum sollen besteuert werden – ob der Plan aufgeht, ist aber höchst fraglich.

Sendungen mit Fahrten ins Stadtzentrum sollen besteuert werden – ob der Plan aufgeht, ist aber höchst fraglich.

 

Die vielen Paketlieferungen sind für die Stadtregierung von Barcelona ein Ärgernis. Bild: unsplash

Die Katalanen gelten als besonders einfallsreich, wenn es darum geht, neue Steuern einzutreiben. So hat jetzt die katalanische Hauptstadt als erste Metropole in Europa eine sogenannte Lex Amazon eingeführt, die dem Online-Riesen und seinen Konkurrenten eine Abgabe von 1,25 Prozent des Wertes ihrer Lieferungen bei Zustellung in der Innenstadt auferlegt.

Mit der neuen Steuer sollen der Verkehr, der Lärm und die Luftverschmutzung in der City gesenkt werden. In der Innenstadt von Barcelona stösst diese Massnahme auf Zustimmung. Viele Anwohner stören sich schon lange an den Lieferwagen, die in der Regel in zweiter Reihe parkieren und die engen Strassen besonders in der Altstadt verstopfen.

Man wolle damit «eine lokale Lösung für eine globale Herausforderung finden», schrieb Jaume Collboni, stellvertretender Bürgermeister von Barcelona, in einem Beitrag für die katalanische Zeitung «El Periódico».

«Wir wollen mit der Massnahme auch eine Änderung der Gewohnheiten bewirken. Die Kunden sollen selbst zu den Abholstationen gehen», so Collboni. In diesem Falle würde selbstverständlich keine zusätzliche Steuer eingefordert. Es ist allerdings höchst fraglich, wie realistisch eine solche Verhaltensänderung ist. Werden die Kunden wegen ein paar Euro tatsächlich auf die bequeme Zustellung nach Hause verzichten?

Den Logistikfirmen bleibt nämlich nichts anderes übrig, als die neuen Kosten auf die Kunden abzuwälzen, wie der Dachverband der spanischen Logistik- und Transportunternehmer UNO mitteilte. Der Verbandschef Francisco Aranda betrachtet die Einführung der Steuer als ungerecht in einer Zeit, in der das Konsumklima unter der allgemeinen Verunsicherung und den globalen Spannungen leide.

Fortan müssen in Barcelona alle Zulieferdienste, die einen Jahresumsatz von mehr als einer Million Euro ausweisen, die neue Steuer zahlen. Insgesamt 26 Unternehmen zählen dazu, neben Amazon auch MRW, DHL, UPS sowie die spanische Expresspost. Die Stadt erwartet Einnahmen in Höhe von 2,6 Millionen Euro pro Jahr. Das entspricht dem Betrag, der laut Ökonomen der Universität Barcelona für die Benutzung von öffentlichen Flächen durch Tausende von Lieferwagen als Parkgebühr anfallen würde.

Der traditionelle Einzelhandel soll profitieren

Das Rathaus will mit der Massnahme auch dem stationären Detailhandel entgegenkommen, der unter dem Internethandel leidet und sich im Gegensatz zu den internationalen Handelsplattformen nicht vor den kommunalen Steuern wie etwa für Müllabfuhr, Strassenreinigung und Grundsteuer drücken kann. Dazu müsste aber tatsächlich auch ein Umdenken der Konsumenten stattfinden. Vielleicht ist es aber auch kein Zufall, dass die neue Steuer jetzt kurz vor den Kommunalwahlen im Mai angekündigt wurde.

Die linksalternative Bürgermeisterin Ada Colau und ihr Stellvertreter Collboni hatten schon im letzten Jahr die Einführung einer Parkgebühr für Zustellbetriebe und eine gerechtere Steuerpolitik angekündigt. Im Rathaus ist man überzeugt, dass viele andere Städte in Spanien dem Beispiel Barcelonas folgen werden.

In den USA besteuern bereits mehrere Gemeinden den Internethandel, und in New York prüft man ebenfalls eine Art Strassenbenutzungsgebühr für die vielen Zulieferer. Die für Manhattan anvisierten Tarife lägen mit bis zu 60 Dollar pro Tag und Lieferwagen jedoch deutlich über denen der katalanischen Hauptstadt.

Katalonien ist erfinderisch

Sogar einige Parteien der Opposition stimmten dem Vorschlag der Stadtregierung zu. Normalerweise dürfen die Gemeinden in Spanien keine Verkehrssteuern erheben. Doch im Falle der Lex Amazon ginge es nicht um den fliessenden Verkehr, sondern um eine Art Parkiersteuer, sagte Jordi Castellano, der für die Linksrepublikaner von der Esquerra Republicana im Rathaus auf der Oppositionsbank sitzt.

Schon seit Jahren prescht Katalonien bei der Einführung von neuen Steuern innerhalb von Spanien vor. So gibt es seit über zehn Jahren eine Touristensteuer für die ganze Mittelmeerregion. Im Jahr 2017 wurde sie auf Plattformen für private Wohnungsvermittler wie Airbnb ausgeweitet. Mittlerweile werden zwischen 1 und 3.50 Euro pro Besucher und Nacht erhoben. In der Hauptstadt selbst steigt der Betrag per April auf bis zu 6.25 Euro pro Gast. Mittlerweile müssen auch die Kreuzfahrtpassagiere bei ihren Landgängen eine Art Strassenbenutzungsgebühr zahlen.

An allen katalanischen Häfen ist für dieses Jahr eine neue Stickoxidsteuer für grosse Frachter und Kreuzfahrtschiffe geplant. Und an Land steigen seit Jahresbeginn bei zunehmender Luftverschmutzung die Parkgebühren in Barcelona um 2 Euro auf bis zu 5.75 Euro pro Stunde. Dafür reicht dem Rathaus ein einfacher Knopfdruck.

Ute Müller, Madrid, «Neue Zürcher Zeitung»

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