Startup Tado: Intelligente Thermostate bekommen durch den Krieg in der Ukraine einen Schub Die schlauen Heizungssysteme des Jungunternehmens sollen helfen, Heizkosten einzusparen. In diesem Jahr will die deutsche Firma in die Gewinnzone kommen. Ein Fonds der Zürcher Kantonalbank ist einer der Investoren.

Die schlauen Heizungssysteme des Jungunternehmens sollen helfen, Heizkosten einzusparen. In diesem Jahr will die deutsche Firma in die Gewinnzone kommen. Ein Fonds der Zürcher Kantonalbank ist einer der Investoren.

Unintelligentes Heizen war einmal: Mit smarten Thermostaten sollen die Heizkosten gesenkt werden. Bild: unsplash

Vor etwas mehr als einem Jahr hätte sich Christian Deilmann nicht vorstellen können, dass intelligente Thermostate für Heizungen ihn mitten in die Geopolitik führen würden. Der 40-jährige Deilmann ist einer der Gründer und der Chef des Jungunternehmens Tado in München. Der Deutsche ist zudem seit einiger Zeit Mitglied einer von den USA und der EU-Kommission gegründeten Task-Force, die sich darum kümmern soll, wie Europa unabhängiger von russischem Erdgas wird.

Schnell wachsender Markt

Die Energiekrise hat Tado auch geschäftlich einen Schub gebracht. Das Unternehmen bezeichnet sich selber mit seinen bisher 3 Millionen verkauften Thermostaten als Marktführer in Europa für diese spezielle Art von Geräten. Deutschland, Grossbritannien und die Niederlande sind die wichtigsten Märkte für die Münchner Firma. In der Schweiz hat das Unternehmen knapp 150 000 Thermostate verkauft. Falls Tado damit tatsächlich einen selbst geschätzten Marktanteil von bis zu 40 Prozent haben sollte, zeigt das auch, dass derartige Anwendungen noch nicht sehr weit verbreitet sind.

Die grösste Konkurrenz für Tado weltweit ist Google Nest. Die Amerikaner sind aber nur eingeschränkt in Europa präsent. Die Zahl der Konkurrenten nimmt jedoch im schnell wachsenden Markt ständig zu. So will auch das Schweizer Unternehmen Viboo in den Ring steigen , das ein Spin-off der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) ist und vor allem die Heizung älterer Gebäude effizienter gestaltet. «Die Energiekrise ist zusammen mit der Klimapolitik ein starker Treiber für neue Unternehmen und Investitionen im Energiesektor», sagt Deilmann.

Tado spricht davon, dass mit der intelligenten Wärmeregelung rund 22 Prozent der Heizkosten eingespart werden könnten. Angesichts gestiegener Energiepreise ist dies ein ordentlicher Batzen. Deilmann zeigt während des Gesprächs auf seinem Smartphone die Tado-App: Darüber lassen sich Heizung und Klimaanlage in der Wohnung steuern. Wenn man beispielsweise das Haus verlässt, senkt sich automatisch die Temperatur, um Kosten zu vermeiden. Nähert man sich mit dem Handy wieder der Wohnung, fährt das System die Temperatur hoch.

Die Anwendung nimmt auch wahr, wenn ein Fenster geöffnet ist. Die Heizung für dieses Zimmer wird dann zurückgefahren. Ein weniger intelligenter Thermostat würde vielmehr voll aufdrehen, um die Temperatur auszugleichen. Tado reklamiert für sich, im Jahr 2011 das erste Unternehmen in Europa gewesen zu sein, das smarte Thermostate angeboten hat, die sich mit dem Handy regeln lassen.

Neue Finanzierungsrunde statt Börsengang

Im vergangenen Jahr hatte die Jungfirma noch den Plan, an die Börse zu gehen. Dieses Unterfangen wurde wegen des schwierigen Marktumfeldes abgesagt. Damals rechnete das Unternehmen mit einer Börsenbewertung von 450 Millionen Euro. Das Startup, das knapp 200 Mitarbeiter zählt, stützt sich weiterhin auf Investorengelder.

Insgesamt erhielt Tado knapp 150 Millionen Euro an Mitteln. In der jüngsten Finanzierungsrunde kam rund ein Drittel des Betrags hinzu. Unter den neuen Investoren befindet sich auch ein Private-Equity-Fonds der Zürcher Kantonalbank (ZKB), der weltweit in Unternehmen investiert, di ezur Dekarbonisierung der Wirtschaft beitragen. Tado zählt bereits illustre Namen wie Amazon, E.On, Siemens, Total Energies und die Europäische Investitionsbank zu den Investoren.

Die neu aufgenommenen Gelder werden in die internationale Expansion und neue Geschäftsfelder gesteckt. In Ostmitteleuropa soll ein weiteres Produktionswerk entstehen, das ab dem zweiten Quartal einsatzbereit sein dürfte. Bisher erfolgte die Herstellung der Geräte ausschliesslich in China. In Summe wird laut dem Tado-Gründer die Produktion in Europa sogar kostengünstiger sein als diejenige in Asien. Wegen des stark gestiegenen Umsatzes, der sich im vergangenen Jahr verdoppelt hat, erwartet das Unternehmen bereits 2023 in die Gewinnzone zu gelangen, was früher als geplant wäre.

Wie jedes ernst zu nehmende Startup hat auch Tado seine Gründungslegende. Deilmann studierte zunächst in München Maschinenbau und forschte an grünen Technologien. Es verschlug ihn dabei auch in die USA, an das renommierte Massachusetts Institute of Technology, kurz MIT. In der Wohngemeinschaft in Boston kam es mit seinen Mitbewohnern zu ständigen Diskussionen über die Stromkosten für die Klimaanlage, die häufig lief, obwohl niemand zu Hause war. Deilmann kam dabei auf die Idee, die Temperatur aus der Ferne zu regulieren. Zusammen mit dem Softwareentwickler Johannes Schwarz gründete Deilmann dann später Tado.

Schweizer mögen höhere Temperaturen

Die Thermostate sind in höchsten politischen Sphären an: Beim letztjährigen Gipfel der grössten westlichen Industrienationen (G-7) diskutierten auch die Regierungschefs dieser Länder über smarte Thermostate und Wärmepumpen. Mit dem Krieg in der Ukraine und den russischen Erpressungsversuchen wurde der Energieverbrauch politisch. «Es ist schon einmal ein gutes Ergebnis, dass wir den Winter überstehen werden», sagt Deilmann. Dies ist auf den Import von Erdgas aus anderen Quellen, auf die Einsparungen wegen der hohen Energiepreise und auch Kampagnen zurückzuführen.

Daten des Unternehmens zeigen, dass dieses Bewusstsein bei den Nutzern der smarten Thermostate angekommen ist: In Europa reduzierten im November und Dezember im Vergleich mit dem Vorjahr rund 76 Prozent der Tado-Anwender die Raumtemperatur. Die Daten deuten darauf hin, dass die Heizungen durchschnittlich um rund 0,8 Grad Celsius niedriger als früher eingestellt wurden. Die Schweizer Nutzer zeigten weniger Sparwillen: Der Anteil derer, die die Heiztemperatur zurückfuhren, betrug hierzulande nur 66 Prozent. Die Temperatur wurde um 0,5 Grad Celsius gesenkt.

Gerald Hosp, «Neue Zürcher Zeitung»

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