Verändertes Einkaufsverhalten: «Auf Social Media entstehen derzeit lauter neue Bahnhofstrassen» Nach zwei Corona-Boomjahren war der E-Commerce in der Schweiz 2022 ausnahmsweise rückläufig. Aber die Verlagerung in Richtung Online-Handel geht weiter. Die neuen Verkaufsplattformen heissen laut Experten Instagram und Tiktok.

Nach zwei Corona-Boomjahren war der E-Commerce in der Schweiz 2022 ausnahmsweise rückläufig. Aber die Verlagerung in Richtung Online-Handel geht weiter. Die neuen Verkaufsplattformen heissen laut Experten Instagram und Tiktok.

 

Um etwas online zu verkaufen, braucht es schon heute keinen Webshop mehr. Bild: pexels

Betrachtet man allein die 2022er Zahlen, dann sieht das Bild des Online-Handels in der Schweiz eher trübe aus. Laut einer gemeinsamen Erhebung des Handelsverbands und der GfK Schweiz hat der Online-Konsum im vergangenen Jahr um 2,8 Prozent abgenommen. Es war der erste je gemessene Rückgang des Online-Geschäfts.

 

Da der Detailhandel 2022 gemäss den Zahlen des Bundesamts für Statistik insgesamt zulegen konnte, reduzierte sich auch der Anteil des Online-Geschäfts am Gesamtvolumen: Im Foodbereich fiel er von 3,8 auf 3,6 Prozent, im Non-Food-Bereich von 18,1 auf 17,8 Prozent.

Längerfristig auf dem Vormarsch

2022 isoliert zu betrachten, ist allerdings wenig sinnvoll. Denn die Zahlen sind nach wie vor von der Corona-Pandemie beeinflusst. So war der Online-Handel 2022 unter anderem deshalb schwächer als im Vorjahr, weil es das erste Jahr ohne Corona-Massnahmen und -Ängste war und das Online-Geschäft nicht mehr von einer Ausnahmesituation profitierte. Anfang 2021 hatten Läden, die Waren des nichttäglichen Bedarfs verkauften, auf Geheiss des Bundesrats noch einmal für sechs Wochen schliessen müssen.

Relevanter für das Erkennen des längerfristigen Trends ist der Vergleich von 2022 mit 2019, und da beträgt das Wachstum stolze 44 Prozent. Besonders stark zugelegt hat das Online-Geschäft im Bereich Heimelektronik. Wie Patrick Kessler, der scheidende Geschäftsführer des Handelsverbands, bei der Präsentation der Studie ausführte, wurde dort sogar erstmals mehr Umsatz online gemacht als stationär: «Aber auch bei Sportartikeln, Spielwaren, Kleidern und Schuhen ist ein Viertel Online-Umsatz mittlerweile normal», erklärt Kessler.

 

Selbst im Bereich Heimelektronik ist es jedoch nicht so, dass eine Mehrheit der Konsumenten nur noch online einkauft. Dieser Anteil liegt gemäss einer Umfrage von GfK und Handelsverband bei rund einem Viertel. Hinzu kommen aber noch 43 Prozent, die ihre Fernseher und anderen Heimelektronik-Produkte mal online, mal im Laden kaufen. Generell zeigt sich, dass die Konsumenten sich zunehmend hybride verhalten. Gleichzeitig sinkt der Anteil der Personen, die ausschliesslich stationär einkaufen.

 

Im laufenden Jahr wird wieder mit einem leichten Wachstum von 3 bis 5 Prozent gerechnet. Bereits im zweiten Halbjahr 2022 war wieder Wachstum verzeichnet worden, und auch im Januar resultierte ein Plus von 3 Prozent. Die Volumentreiber sind dabei laut Handelsverband und GfK derzeit die sogenannten Marktplätze. Das sind Plattformen, auf denen die unterschiedlichsten Händler ihre Produkte anbieten können. Die wichtigste Plattform in der Schweiz ist laut Kessler Galaxus, aber auch Microspot, Manor oder Globus setzen auf dieses Geschäftsmodell. Dominante Akteure sind zudem Amazon sowie – im Fashion-Bereich – Zalando.

Social Commerce als neuer Game-Changer

Auch der sogenannte Social Commerce, das heisst der Handel, der direkt auf Social-Media-Kanälen wie Instagram oder Tiktok stattfindet, dürfte dem Online-Handel weiteren Schub verleihen. «Auf Social Media entstehen derzeit lauter neue Bahnhofstrassen», meint Kessler. Noch hat dieses Geschäft in der Schweiz nicht abgehoben, da es – anders als etwa in den USA oder in China – noch nicht möglich ist, Produkte direkt auf diesen Plattformen zu kaufen. Am Schluss wird man immer noch auf die Website des Anbieters umgeleitet.

Aber lange dürfte es nach Ansicht von Patrick Kessler nicht mehr dauern, bis Instagram seine Funktion «Checkout on Instagram» auch hierzulande anbietet, so dass auch Händler ohne eigenen Web-Shop ihre Produkte auf der Plattform verkaufen können.

Andrea Martel, «Neue Zürcher Zeitung»

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