Gemeinsam entscheiden Eine unvorhersehbare Geschäftswelt erfordert schlanke Prozesse, schnelle Entscheidungswege und Mitsprache der Mitarbeitenden. Firmen könnten Mitarbeitende hierzu «mitführen» lassen. Wie es um diesen Führungsstil in der Schweiz bestellt ist und weshalb der hierzu erforderliche Paradigmenwechsel schwer fällt.

Eine unvorhersehbare Geschäftswelt erfordert schlanke Prozesse, schnelle Entscheidungswege und Mitsprache der Mitarbeitenden. Firmen könnten Mitarbeitende hierzu «mitführen» lassen. Wie es um diesen Führungsstil in der Schweiz bestellt ist und weshalb der hierzu erforderliche Paradigmenwechsel schwer fällt.

 

Wie weit ein Unternehmen bei der verteilten Führung gehen soll, beruht auf dessen Geschäftsmodell. Bild: Pixabay

Noch ist in vielen Unternehmen unvorstellbar, dass Mitarbeitende gemeinsam führen und ohne Chefs auskommen, auch wenn hierfür bereits zahlreiche Ansätze existieren. Beispielsweise im Jobsharing, bei dem sich mehrere Kader-Fachkräfte eine Führungsrolle teilen. Für Mehrfachunternehmer und Haufe-Umantis Mitgründer Hermann Arnold zielt auch die Delegation von Aufgaben in diese Richtung: «Gibt eine Führungskraft einen Teil ihrer Verantwortung ab, betreibt sie verteilte Führung.» 

Verteilte Führung könnte noch viel weiter gehen, sagt Ralf Metz,Transformationspartner des Beratungsunternehmens Me&me. «Führung kann völlig dezentralisiert werden, in dem situativ jeweils ein anderer Mitarbeitender Entscheidungen trifft.» Im Sinne der Gleichwertigkeit aller Beschäftigten.

Trotz der vielbeschworenen Vuca (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity)-Welt ist diese demokratische Bewegung in Unternehmen noch nicht angekommen, konstatiert Ralf Metz. «Obschon in Beraterkreisen vermehrt darüber diskutiert wird.» Seit Ausbruch der Pandemie beobachtet Metz in den Betrieben eher ein Zurückkrebsen: «Firmen zentralisieren Führung wieder vermehrt. Das kommt nicht von ungefähr: Viele Menschen wünschen sich in unsicheren Zeiten starke Anführer.» Ein solches Phänomen kennt auch Hermann Arnold: «Bei der verteilten Führung gibt es Pendelbewegungen. Einstige Vorreiter wie Yahoo fallen plötzlich zurück.» 

Sich selbst erkennen

Damit sich verteilte Führung durchsetzt, sei ein tiefgreifender Paradigmenwechsel vonnöten, sagt Metz. Derzeitige «Machtinhaber» wie CEO, Unternehmensinhaber und Verwaltungsräte seien gefordert, freiwillig Macht abzugeben und einen Sinn für sich darin zu erkennen. «Gleichzeitig müssen Mitarbeitende Verantwortung übernehmen, die dazu sozialisiert wurden, Regeln zu befolgen.» Das erfordere eine gewisse Selbstverantwortung. Doch kann man diese von jedem erwarten? Ja, meint Arnold. «In anderen Lebensbereichen ist es ja auch selbstverständlich, dass wir Verantwortung übernehmen.» Dies gilt für Metz nicht bedingungslos: «Firmen müssen Arbeitnehmenden Angebote machen, damit sie sich mit sich selbst auseinandersetzen. Das kostet jedoch Zeit und Geld. Ob sie diese Angebote annähmen, sei individuell abhängig.

Dass verteilte Führung mit einem Modell wie Holacracy verbunden sein muss, verneinen Metz und Arnold. «Holacracy wird als ziemlich technokratischer Ansatz wahrgenommen», ergänzt Metz. «Dieses Modell hat Strukturen und Regeln die vermitteln, dies reiche zur verteilten Führung.» Den Fokus allein auf die Organisationsgestaltung zu richten, greife aber zu kurz: «Ob Mitarbeitende gemeinsam Führung wahrnehmen, hängt grösstenteils davon ab, wie sie mit eigenen Spannungen und Konflikten umgehen, und ob sie diese selbst klären können.» 

Wie weit ein Unternehmen bei der verteilten Führung gehen soll, beruht für Metz auf dessen Geschäftsmodell. «So lange dieses funktioniert, haben Firmen häufig keinen Grund, es zu ändern.» Wer sich hingegen frage, weshalb seine Mitarbeitenden nicht mehr Verantwortung übernehmen oder für den Betrieb mitdenken, sollte sich vermehrt mit verteilter Führung auseinandersetzen.

Corinne Päper ist die Chefredaktorin des Fachmagazins für Personalverantwortliche, HR Today.

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