Seine Firma verkaufen – Plädoyer für das Loslassen Unternehmer engagieren sich mit Herzblut, kennen ihr Unternehmen in- und auswendig, sind über Jahre die entscheidenden Treiber. Kommt der Zeitpunkt der Nachfolge, ändern die Rollen. Viele Patrons tun sich äusserst schwer damit. Aber warum eigentlich? Sich von etwas freimachen, macht auch frei für Neues.

Unternehmer engagieren sich mit Herzblut, kennen ihr Unternehmen in- und auswendig, sind über Jahre die entscheidenden Treiber. Kommt der Zeitpunkt der Nachfolge, ändern die Rollen. Viele Patrons tun sich äusserst schwer damit. Aber warum eigentlich? Sich von etwas freimachen, macht auch frei für Neues.

Der Inhaber ist Dreh- und Angelpunkt im Unternehmen. Er überblickt den Betrieb, hält ihn fest in Händen und kennt den Markt wie kaum jemand anders. Er war und ist der entscheidende Treiber und die Lokomotive für vieles, wofür sein Betrieb steht. Kaum jemand stellt sich vor, dass es eines Tages auch ohne eine starke Persönlichkeit geht, nicht zuletzt der Betroffene selber.

Nicht loslassen können – mögliche Folgen

Und doch kommt dieser Tag. Er verursacht beim Betroffenen – zunächst meistens gut verdeckt – latent existentielle Ängste über seine persönliche und berufliche Zukunft. Im Beratungsalltag trifft der Schreibende immer wieder auf solche Situationen. Selbst gestandene und erfolgreiche Unternehmer werden angesichts einer anstehenden Ablösung plötzlich erstaunlich hilflos oder handeln zuweilen sogar irrational oder selbstzerstörerisch. „Ich habe mein Unternehmen aufgebaut; also habe ich auch das Recht, es gegen die Wand zu fahren“, ist eine erschreckende, aber bitterernst gemeinte Aussage eines Firmenchefs. Er hat sich mit ungezählten Nachfolgekandidaten, zunächst mit seinen Söhnen, später mit Externen, immer schnell überworfen. Immer fand er Argumente, warum ihm keiner das Wasser reichen könne.

Tragen Sie Sorge zu sich

Ob falscher Stolz, mangelnde Weitsicht, zu wenig Respekt und Wertschätzung für die erkorenen Nachfolger: Die Gründe dafür sind zweifellos mannigfaltig und individuell sehr unterschiedlich. Unterschwellig dürfte es vielfach darum gehen, etwas rechtzeitig freigeben und sich anderen Themen zuwenden zu können. Zugegeben: Älter werden, seine Kräfte erodieren sehen, sich letztlich seiner Endlichkeit bewusst werden, ist für die allermeisten Menschen ein anspruchsvoller Weg. Er benötigt Kraft, Abstand zur Alltagsroutine, Momente der Ruhe sowie Würdigung und Rücksicht von aussen. Das gilt uneingeschränkt auch für Unternehmer, die als dominantes Zugpferd von sich gerne das Bild des Machers vermitteln. Aber menschliche Faktoren – Emotionen – spielen eine viel stärkere Rolle als weit herum angenommen. Von der subjektiven Befindlichkeit des Chefs hängt ganz entscheidend ab, wie erfolgreich eine Ablösung gestaltet werden kann.

Das Undenkbare andenken

Wie kann dieser tiefgreifende Rollenwechsel, den jeder scheidende Inhaber vornehmen muss, gemeistert werden, egal welche Nachfolgelösung greift? Eine magische Regel gibt es nicht. Ein wichtiger Schlüssel liegt sicher in der Fähigkeit und Bereitschaft, seine Rollen vorauszudenken und periodisch zu hinterfragen. Wir tragen im Leben nicht nur einen Hut, sondern meist mehrere Hüte, alle gleichzeitig und in wechselnden Modellen. Aussagen wie: „Einmal Unternehmer, immer Unternehmer“ treffen darum den Nagel nur bedingt. Selbst wenn unsere Persönlichkeit stabil ist, ändern wir uns. Kein Weg ist eisern vorgegeben. Hinter uns liegen unzählige verpasste und bewusst nicht wahrgenommene Möglichkeiten, vor uns öffnen sich mehrere Optionen. Die Fähigkeit, seine Rolle vorauszudenken, bedeutet, sich zunächst sein Leben ohne die vielen Attribute vorzustellen, die die Position des Inhabers automatisch verschaffen. Im Zentrum steht die Frage: „Wer bin ich eigentlich (wenn ich nicht Besitzer meines Betriebes bin)?“. Unternehmertum ist ein Weg, aber nicht der einzige. Nun kommen die Fragen, die auf die Zukunft gerichtet sind: „Was möchte ich in meinem Leben noch sein und machen? Was wollte ich immer schon einmal unternehmen? Wie möchte ich bei meinen Nachkommen in Erinnerung bleiben?“

Frei von … bedeutet auch frei für …

Diese Fragen erlauben, das bisher Undenkbare sacht anzudenken und sich mit Lebensszenarien für danach zu beschäftigen. Dieser erste Schritt bereitet das Terrain vor, auf dem am Ende eine tragfähige Ersatzlösung heranwächst. Beginnt ein Mittfünfziger auf diese Weise früh Lebenswege zu ebnen, macht er sich frei von Ballast, Ängsten, Pflichten und Verantwortung aus der Vergangenheit. Parallel macht er sich zunehmend frei für Neues. Loslassen ist somit der Auftakt zu einem breiteren Horizont. Der abtretende Unternehmer und sein gesamtes Umfeld fallen nicht mehr ins Nichts. Alternativen sind absehbar. Mut zum Loslassen führt darum oft zu grossartigen neuen Erfahrungen: „Wenn ich das doch früher gemacht hätte …“, ist gar keine seltene Einsicht.

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