SEF.WomenAward 2023: «Ich arbeite nur noch mit Menschen, die meine Wertebasis teilen» Sie war die erste Börsenchefin der Welt und ist ein Vorbild für Frauen in der Wirtschaft: Antoinette Hunziker-Ebneter setzt mit ihrer Firma Forma Futura auf nachhaltiges Investieren – nun wird sie mit dem SEF.WomenAward-Ehrenpreis 2023 ausgezeichnet.

Sie war die erste Börsenchefin der Welt und ist ein Vorbild für Frauen in der Wirtschaft: Antoinette Hunziker-Ebneter setzt mit ihrer Firma Forma Futura auf nachhaltiges Investieren – nun wird sie mit dem SEF.WomenAward-Ehrenpreis 2023 ausgezeichnet.

Antoinette Hunziker-Ebneter wird mit SEF.WomenAward-Ehrenpreis 2023 ausgezeichnet, der am 24. März in Zürich verliehen wird. (Bild: PD)

Sie werden in diesem Jahr mit dem SEF.WomenAward-Ehrenpreis 2023 ausgezeichnet – als eine aussergewöhnliche Persönlichkeit, die sich Zeit ihres Lebens für einen starken Wirtschaftsstandort Schweiz eingesetzt hat.
Antoinette Hunziker-Ebneter: Ich fühle mich sehr geehrt. Dass es sich um einen Unternehmerpreis handelt, freut mich dabei ausserordentlich, denn mein Herz schlägt voll und ganz für das Unternehmertum. Mir ist aber auch bewusst, dass ich das nicht alleine erreicht habe. Zu danken habe ich meinem Lebenspartner, meiner Familie, meinem Sohn und insbesondere meinen Mitarbeitenden, Geschäftsleitungskollegen und Geschäftspartnern.

Der Preis richtet sich an Frauen in der Wirtschaft. Gerade Ihr Berufsfeld ist ja sehr männerdominiert.
Das ist wahr. Als ich noch an der Universität St. Gallen (HSG) studiert habe, lag der Frauenanteil bei gerade mal 13 Prozent. Ich führte damals eine Umfrage bei meinen männlichen Kollegen durch und wollte wissen, ob sie sich das Arbeiten unter einer weiblichen Führungskraft vorstellen könnten. Die Mehrheit war der Meinung, niemals unter einer Frau arbeiten zu können. Ich habe mich dann vermehrt für die Förderung von Frauen eingesetzt.

Wie hat Ihre Karriereplanung ausgesehen?
Meinen Lebenslauf habe ich nicht geplant. Dort, wo ich war, habe ich stets mein Bestes gegeben und Augen und Ohren offen gehalten. Irgendwann habe ich mich entschieden, nur noch mit Menschen zusammenzuarbeiten und zu leben, die meine Wertebasis teilen. Mit dieser Grundhaltung habe ich dann auch Forma Futura gegründet.

Wie haben Sie es geschafft, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen?
Ich habe meine persönlichen Bedürfnisse zurückgeschraubt und bin jeweils spät zu Bett gegangen und am nächsten Morgen früh aufgestanden. Inspiriert war ich unter anderem vom persischen Universalgelehrten Omar Khayyam, dem folgender Ausruf zugeschrieben wird: «Wacht auf! Zum Schlafen haben wir die Ewigkeit.» Natürlich war es für mich nach der Geburt meines Sohnes auch essenziell, dass ich Teilzeit arbeiten und für ihn eine gute Kinderbetreuung organisieren konnte.

Worin sehen Sie die Unterschiede zwischen einer Unternehmerin und einer angestellten CEO?
Für mich gibt es keine grossen Unterschiede. Bei Forma Futura war ich zusammen mit meinem Gründungspartner verantwortlich für den Aufbau des Unternehmens. Ich habe zuerst die Wertebasis von Forma Futura zusammen mit dem Gründungspartner und den ersten Mitarbeitenden in kreativen Workshops erarbeitet. Diese gemeinsame Wertebasis und Unternehmenskultur habe ich auch in meiner Funktion als CEO der Schweizer Börse sowie in meiner Funktion als Verwaltungsratspräsidentin (VRP) der BEKB mit den Führungskräften und den Mitarbeitenden entwickelt. Mit dem Kapital der Firma gehe ich jeweils so um, als ob es mein eigenes Geld wäre, was ja bei Forma Futura auch tatsächlich der Fall war.

Inwiefern trägt die Firma Ihre Handschrift?
Ich pflege einen kollaborativen Führungsstil, verfolge langfristige Ziele und lege grossen Wert auf qualitativ anspruchsvolle Analysearbeit. Das kommt in der Forma-Futura-Handschrift zum Ausdruck. Zu unserer Wertebasis gehören der Respekt vor Mensch, Tier und Umwelt, Transparenz, Nachhaltigkeit, Verantwortung und Mut. Ja, es geht darum, Verantwortung zu übernehmen, im Denken und im Tun. Wir müssen den Mut haben, auch nein zu sagen.

«Ich pflege einen kollaborativen Führungsstil, verfolge langfristige Ziele und lege grossen Wert auf qualitativ anspruchsvolle Analysearbeit.»

Sie sind vor kurzem zum zweiten Mal Grossmutter geworden. Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, wer die Firma nach Ihnen leiten wird?
Mein Geschäftspartner und ich haben uns schon vor einiger Zeit Gedanken über die Nachfolge gemacht. Meine Funktion als CEO werde ich voraussichtlich Ende Jahr an eine Co-Führung abgeben, die aus einem Mann und einer Frau besteht, aus zwei verschiedenen Generationen. Gelebte Diversität ist für uns sehr wichtig.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?
Für mich ist Nachhaltigkeit der respektvolle und wertschätzende Umgang mit Menschen, mit der Natur, der Wirtschaft und den Finanzen. Im sogenannten Brundtland-Bericht von 1987 mit dem Titel «Our Common Future» wird die nachhaltige Entwicklung wie folgt definiert: Förderung einer dauerhaften Entwicklung, welche die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können. Diese dauerhafte Entwicklung ist ein Wandlungsprozess, in dem die Ressourcen, das Ziel von Investitionen und institutioneller Wandel miteinander harmonieren und das derzeitige und künftige Potenzial vergrössern, menschliche Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen. Und diese Forderung beinhaltet eine ganzheitliche Verhaltensänderung. Wie wir heute sehen, ist diese notwendig. Wir alle müssen unser Verhalten verändern, damit eine nachhaltige Entwicklung zum Beispiel in der Mobilität, aber auch beim Bauen und Wohnen möglich ist.

Wie setzen Sie das konkret um?
Für mich bedeutet das, dass ich mich zusammen mit anderen Menschen dafür einsetze, dass die Finanzflüsse verantwortungsbewusst gelenkt werden. Damit tragen wir zur Steigerung der nachhaltigen Lebensqualität bei.

Haben Sie Vorbilder?
Gottlieb Duttweiler ist für mich ein Vorbild, wie er das neue Geschäftsmodell eingeführt und geschaut hat, dass alle Zugang zu günstigen Lebensmitteln haben und sich auch sozial engagieren können. Grossen Respekt habe ich auch vor meiner Haushaltshilfe, die es in einem fremden Land geschafft hat, als alleinerziehende Mutter drei Töchter trotz vieler Rück- und Schicksalsschläge grosszuziehen.

Setzen Sie sich regelmässig neue Ziele?
Ja, ich setze mir jeweils nach einer Reflexion neue Ziele und schreibe diese auch auf. Am Fest zu meinem 50. Geburtstag habe ich meine persönlichen Ziele kommuniziert, insbesondere auch, wieviel Freizeit ich mir gönnen werde. Dieses Ziel habe ich bis jetzt nicht erreicht, und das höre ich noch oft von meinem Sohn und von Freunden. Deshalb habe ich beschlossen, meine persönlichen Ziele nicht mehr nach aussen zu kommunizieren. Die geschäftlichen Ziele teile ich natürlich immer mit. Und dort schaue ich dann auch, dass sie erreicht werden.

Interview: Maurice Müller

Antoinette Hunziker-Ebneter

Antoinette Hunziker-Ebneter (Jahrgang 1960) studierte Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen (HSG) und verfügt über ein Diplom der Swiss Banking School. Bis 2005 leitete sie bei der Bank Julius Bär & Co. als Mitglied der Konzernleitung den Handel und Verkauf. Zuvor wurde sie 1996 zur Chefin der Schweizer Börse befördert und war somit die erste Börsenchefin weltweit. Dort war sie unter anderem für den Aufbau und die Inbetriebnahme der elektronischen Börse Schweiz verantwortlich. Seit 2006 ist sie CEO der von ihr mitgegründeten Firma Forma Futura Invest AG, einer unabhängigen Vermögensverwaltung mit Sitz in Zürich, die sich für eine nachhaltige Finanzindustrie einsetzt. 2015 übernahm sie zudem als erste Frau die Stelle als Verwaltungsratspräsidentin der Berner Kantonalbank (BEKB) und senkte als erste Amtshandlung ihr eigenes Gehalt um rund ein Drittel im Vergleich zu ihrem Vorgänger. Berufsergänzend engagiert sie sich als Gründungsmitglied bei der waterkiosk Foundation, deren Projekte Zugang zu sauberem Trinkwasser in Schwellenländern ermöglichen.

Das könnte Sie auch interessieren: