Die Euro-Franken-Parität ist erst der Anfang: Die Schweizer Währung wird noch stärker werden Der Franken hat die Parität gegenüber dem Euro durchbrochen. Der wichtigste Grund ist die hierzulande niedrigere Inflation. Von einer klaren Überbewertung des Frankens kann jedoch keine Rede sein.

Der Franken hat die Parität gegenüber dem Euro durchbrochen. Der wichtigste Grund ist die hierzulande niedrigere Inflation. Von einer klaren Überbewertung des Frankens kann jedoch keine Rede sein.

Diese Woche ist eingetreten, was seit Monaten nur noch eine Frage der Zeit war: Der Euro ist gegenüber dem Schweizerfranken unter die Parität gefallen. Ein Euro hat somit weniger Wert als ein Franken. Kurz vor den Sommerferien dürfte diese Nachricht viele Schweizer Touristen erfreu­en. Ihre Erwartung: Mein Geld verfügt nun im Euro-Ausland über mehr Kaufkraft; die in Euro aus­geschriebene Ware ist also billiger geworden. Doch gar so einfach ist die Sache nicht; die Vorfreude könnte schon bald einer Ernüchterung weichen.

Wichtig ist der reale Wechselkurs

Warum ist die Freude der Ferienreisenden trügerisch? Zwar hat der Franken nominal an Wert zugelegt, gleichzeitig sind aber die Preise im Euro-Ausland ebenfalls gestiegen – und das heftig. So liegt die Inflation im europäischen Währungsraum bei rekordhohen 8,1 Prozent, während die Teuerung in der Schweiz «nur» 2,9 Prozent beträgt. In vielen europäischen Staaten wie etwa in Griechenland, den Niederlanden und insbesondere den baltischen Staaten hat die Teuerung gar schon zweistellige Prozentwerte erreicht.

Die leichte Erstarkung des Frankens wird deshalb mancherorts kaum ausreichen, um die höheren Euro-Preise zu kompensieren. Für viele Touristen aus der Schweiz dürften diese Sommerferien daher teurer werden. Denn was letztlich zählt, ist nicht der nominale Wechselkurs oder der Blick auf bestimmte Marken wie die Parität. Über die Kaufkraft von Währungen entscheidet vielmehr der reale, also preisbereinigte Wechselkurs. Und nach Massgabe dieses Kurses ist der Franken in den vergangenen Monaten handelsgewichtet kaum stärker geworden.

Entsprechend unbegründet sind Klagen von Exporteuren wie Peter Spuhler, dem Chef von Stadler Rail. Er kritisiert die Zinserhöhung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in harschen Worten und warnt vor einer neuen Franken-Krise für die Exportwirtschaft. Solche Kritik ignoriert, dass hinter der vermeintlichen Franken-Stärke vor allem auch eine Euro-Schwäche steckt. So reagiert die Europäische Zentralbank seit Monaten extrem langsam auf die hohe Inflation. Solches Zögern ist dem internationalen Vertrauen in den Euro wenig förderlich.

Geldpolitik noch immer expansiv

Die Kritik am angeblich zu starken Franken lässt zudem ausser acht, dass die Geldpolitik in der Schweiz weit davon entfernt ist, bremsend auf die Gesamtwirtschaft einzuwirken. Zwar hat die SNB den Negativzins vor zwei Wochen auf –0,25 Prozent reduziert. Berücksichtigt man aber die Inflation von 2,9 Prozent, liegt der reale Zinssatz noch immer tief im negativen Bereich, und zwar bei fast –3,2 Prozent. Wenngleich die Zinserhöhung eine leichte Straffung der Geldpolitik darstellt, kurbelt die SNB mit ihrer Politik die Wirtschaft weiterhin kräftig an.

Weshalb der Schweizerische Gewerkschaftsbund angesichts dieser Stimulierung von «unangebrachter geldpolitischer Härte» spricht, bleibt ein Rätsel. Eher trifft das Gegenteil zu: Die Politik der SNB ist weiterhin zu expansiv. Um die Inflation wieder in den Zielbereich von null bis zwei Prozent zu drücken, muss die SNB in absehbarer Zukunft nicht nur weitere Zinserhöhungen beschliessen. Auch eine weitere nominale Erstarkung des Frankens ist durchaus willkommen, weil auf diese Weise der Import von Inflation gebremst werden kann.

Wie weit das gehen muss, ist unklar. Die Schätzung fairer Wechselkurse ist keine exakte Wissenschaft; je nach Methode resultieren andere Resultate. Nimmt man aber die Kaufkraft und die unterschiedliche Preisdynamik im In- und Ausland als Mass, gibt es gute Gründe für die derzeitige Franken-Aufwertung. Einige Ökonomen bezeichnen den Franken gar als unterbewertet. Auf jeden Fall ist es in inflationärer Zeit mehr Segen als Fluch, über eine gesuchte Währung zu verfügen, die ihre Kaufkraft halbwegs halten kann. Das sollten sich auch Exporteure und Gewerkschaften vor Augen halten.

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