Steuererklärung ausfüllen lassen ab 35 Franken: Im Internet wimmelt es von preiswerten Angeboten – lohnt sich das? Im Netz finden Steuerpflichtige rasch Hilfe beim Ausfüllen ihrer Steuererklärung. Ein Offertenvergleich zeigt die Risiken.

Im Netz finden Steuerpflichtige rasch Hilfe beim Ausfüllen ihrer Steuererklärung. Ein Offertenvergleich zeigt die Risiken.

(Bild: Kelly Sikkema auf Unsplash)

Steuerpflichtige in der Stadt Zürich müssen ihre Steuererklärung 2023 bis spätestens Ende November 2024 beim Steueramt einreichen, Fristverlängerungen hin oder her. Lediglich bei Krankheit oder einem Todesfall in der Familie gewähren Steuerämter auf Gesuch hin allenfalls Aufschübe über die jeweils «letzte» Einreichefrist hinaus.

Viele Steuerpflichtige überlegen sich, ob sie bei der Deklaration von Einkommen und Vermögen die Hilfe von Fachleuten in Anspruch nehmen oder die Formulare auf eigene Faust ausfüllen sollen.

Alle Kantone ermöglichen es mittlerweile, die Steuererklärung am Computer auszufüllen. Die eigene Erfahrung zeigt: Die behördlichen Lösungen haben sich über die letzten Jahre stark verbessert. Die Deklaration von Einkommen und Vermögen gelingt mit diesen Programmen auch Laien innert Stunden. Offene Fragen beantworten die Lösungen mit einer kontextuellen Hilfe. Programme wie beispielsweise «eTAX Solothurn», «TaxME Bern» oder «ZHprivateTax Online» berechnen auch die potenziell geschuldeten Staats- und Gemeindesteuern sowie die Höhe der direkten Bundessteuer.

Steuerpflichtige können so ihre jährliche Belastung abschätzen und entsprechende Akontozahlungen einrichten. Abweichungen drohen nur noch in der definitiven Steuerveranlagung, wenn die Behörden Abzüge verweigern oder wegen Aufrechnungen.

Die vorgängige Prüfung durch Fachleute fehlt

Die Zürcher Software «ZHprivateTax» ermöglicht beispielsweise eine nahtlose Online-Dateneingabe und -speicherung direkt im Internet-Browser. Belege können fotografiert oder eingescannt und hochgeladen werden. Beilagen können komplett elektronisch ans Steueramt übermittelt werden. Der papierlose Prozess kann jederzeit unterbrochen und später fortgesetzt werden. Eine Unterschrift wird bei der Einreichung ans Steueramt nicht mehr benötigt. Der grosse Haken: Die Gratisprogramme der Kantone, einschliesslich «ZHprivateTax», bieten keine vorgängige Fehlerprüfung durch Steuerfachleute.

Wer zur Fehlerprüfung oder für eine Beratung Hilfe von Dritten sucht, findet im Internet Dutzende Angebote von «Steuerexperten» und «Steuerberatern». Einige Anbieter haben verlockend klingende Webadressen wie zum Beispiel Günstige-steuererklärung.ch oder https://steuererklaerungsparen.ch/. Ein Grossteil der Anbieter wirbt mit sehr tiefen (Pauschal-)Preisen und «einem vollständigen und fehlerfreien Ausfüllen». Die Preise beginnen bei sagenhaft günstigen 35 Franken. Offerten von jeweils maximal drei «passenden» Steuerberatern liefert auch das KMU-Vergleichsportal Gryps.ch. Die Portalbetreiberin Gryps AG in Rapperswil ist ein Tochterunternehmen der Ringier Magazine AG. Wer bei Gryps nach Steuerberatern sucht, erhält innert Minuten die Adressen von drei interessierten Steuerberatungsfirmen per E-Mail.

Pauschalangebote ab 100 Franken

Der Gryps-Offerten-Vergleich zeigt: Die Kosten für das Ausfüllen einer Steuererklärung für eine Familie mit zwei Kindern belaufen sich bei den drei Anbietern auf pauschal 100 bis 200 Franken. Zuschläge im Betrag von 30 bis 40 Franken zahlt man jeweils für die Deklaration von Immobilien. Vereinzelt kosten auch Wertschriftendepots einen Aufpreis von rund 50 Franken oder mehr. Alle Anbieter schicken auf Nachfrage jeweils eine Checkliste mit allen einzureichenden Unterlagen.

Erkenntnis: Wer Hilfe beim Ausfüllen der Steuererklärung sucht, muss mit Kosten von rund 100 bis 200 Franken rechnen – den eigenen Zeitaufwand für die Zustellung aller Unterlagen und das Hin und Her nicht mit eingerechnet. Vanessa Joy Jenni, Geschäftsführerin des Verbands Treuhand Suisse, schränkt ein: «Aus Erfahrung kann gesagt werden, dass ein professioneller Treuhänder wohl kaum eine Steuererklärung für zum Beispiel 80 Franken ausfüllt.» Die Kosten stünden jeweils in Abhängigkeit zum konkreten Einzelfall und zu den Umständen wie zum Beispiel Familienkonstellation sowie Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Auf welches der drei Gryps-Angebote soll man also eingehen?

Steuerberater ist kein geschützter Beruf

Gryps hilft bei der Auswahl mit einem eigenen Bewertungssystem. Das 2019 gegründete Unternehmen Finanzexpert Schweiz GmbH aus Buchs (ZH) zum Beispiel hat fünf von sechs möglichen Sternen. Das Unternehmen meldet sich nach der Suchanfrage innert weniger Minuten per Telefon. Der Preis fürs Ausfüllen: pauschal 200 Franken für eine vierköpfige Familie mit Wohneigentum. Der Berater sei gemäss eigenen Angaben «Finanzplaner mit eidgenössischem Fachausweis». Das Unternehmen ist auf Gryps als «Select Partner» aufgeführt.

Für das Ausfüllen der Erklärung will der Finanzplaner zu Hause vorbeikommen. Der Grund: Allenfalls finde er im persönlichen Gespräch weitere «interessante Einsparmöglichkeiten» in anderen Bereichen. Sein Verkaufsargument: Die Firma mit vier Angestellten fülle pro Jahr rund 1400 Steuererklärungen aus. In einer anonymen Bewertung auf Gryps steht: «Sehr nett, aber vom Bauchgefühl hat’s nicht gepasst.»

Wer die Firmenwebsite von Finanzexpert Schweiz auf Herz und Nieren prüfen möchte, erhält im Webbrowser Anfang Februar eine Warnmeldung wegen eines «möglichen Sicherheitsrisikos». Tage später erscheint eine Meldung, dass die neue Website «bald verfügbar» sein werde. Solche Hinweise hinterlassen bei Steuerpflichtigen wohl kein gutes Gefühl. Wer nach dem Eigentümer der Finanzexpert Schweiz GmbH sucht, findet den Finanzplaner auch bei einem Vermögensverwalter in Altendorf (SZ) aufgeführt. Das Unternehmen hat auch eine russischsprachige Website und macht neben Steuer- auch Versicherungsberatung.

Überraschungen nicht ausgeschlossen

Der Verdacht liegt nahe, dass es im Rahmen eines persönlichen Besuchs des Finanzplaners nicht nur beim Ausfüllen der Steuererklärung bleibt. Als Auftraggeber sollte man darauf gefasst sein, dass Finanzberater noch für sie lukrative Versicherungslösungen verkaufen möchten. Das Ausfüllen der Steuererklärung dient meist nur als «Einfallstor», um an Neukunden mit Zusatzpotenzial zu kommen.

Doch wie seriös und fehlerfrei arbeiten Steuerberater im Allgemeinen? Eine Stichprobe der TV-Sendung «Kassensturz» zeigte vor einigen Jahren, dass die Fehlerquote bei vermeintlichen «Profis» erschreckend hoch ist: Der «Kassensturz» legte in den Kantonen Basel-Stadt und Aargau zwölf zufällig ausgewählten Steuerberatungsbüros zwei einfache Steuererklärungen vor. Der «Kassensturz» baute in beiden Steuererklärungen zwölf teilweise gravierende Fehler ein.

Die Büros wurden gebeten, die Unterlagen zu überprüfen und allfällige Fehler zu melden. Ergebnis: Alle Steuerberater übersahen mehrere Fehler – einzelne Berater sogar alle. Im Kanton Aargau kontrollierte keiner der sechs Steuerberater das Wertschriftenverzeichnis. Alle hatten die Steuererklärung nur flüchtig geprüft. Einzelne der übersehenen Fehler hätten sogar ein Nachsteuerverfahren und allenfalls ein Strafverfahren nach sich ziehen können. Das Beispiel steigt: Auch «Profis» machen Fehler und arbeiten gelegentlich schludrig.

An welche Steuerfachleute sollte man sich bei Bedarf denn wenden? Markus Stoll ist diplomierter Treuhandexperte und Leiter Steuern und Treuhand bei der VZ Rechts- und Steuerberatung AG in Zürich. Er warnt: «Steuerberater ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Jedermann kann Steuerberatung anbieten, ohne über das notwendige Fachwissen zu verfügen. Man muss selbst schauen, dass man einen qualifizierten Steuerberater findet und beauftragt.» Stoll fügt hinzu: «Mehrere Jahre Berufserfahrung und eine Ausbildung im Steuerbereich wie zum Beispiel eidgenössisch diplomierter Steuerexperte, eidgenössisch diplomierter Treuhandexperte, Fachausweis Treuhand sollten Gewähr für eine gute Steuerberatung bieten.» Bei sehr günstigen Angeboten bleibe kaum Zeit, die Unterlagen vertieft zu prüfen und Steueroptimierungen vorzuschlagen.

Vanessa Joy Jenni, Geschäftsführerin des Verbands Treuhand Suisse, sagt: «Unser Verband hat hohe Eintrittshürden für Mitglieder. Sie benötigen unter anderem mehrjährige Berufserfahrung im Treuhand- und Revisionswesen, mindestens einen eidgenössischen Fachausweis in Treuhand oder Rechnungswesen, einen Nachweis eines einwandfreien Leumunds und vieles mehr. Unsere Mitglieder unterwerfen sich strengen Standesregeln und sind verpflichtet, pro Jahr mindestens vier Tage qualifizierte Weiterbildung nachzuweisen.» Die meisten Steuerberater haben eine Website, auf welcher auch die Berufserfahrungen und die Aus- und Weiterbildungen der Mitarbeitenden ersichtlich sind.

Markus Stoll rät: «Bei einem persönlichen Kontakt darf man auch nach der Qualifikation fragen.» Überprüfen Sie die Reputation potenzieller Dienstleister sorgfältig anhand von öffentlich einsehbaren Google-Bewertungen und Referenzen von Bekannten, anstatt sich ausschliesslich auf Bewertungen auf Portalen zu verlassen.

Fazit: Dank den intelligenten Gratis-Tools der Kantone ist das Ausfüllen der Steuererklärung für Private mit einfachen Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine Hexerei mehr. Einen Punkt gilt es jedoch nicht zu vergessen: Grundsätzlich haftet der Steuerpflichtige für die Korrektheit seiner Erklärung, unabhängig davon, ob ein Treuhänder oder Steuerberater diese ausfüllt oder nicht.

Jede falsche, unvollständige sowie verschwiegene Angabe wird mit einer Busse bestraft. Der häufigste und zugleich oft teuerste Fehler ist aber das Nichteinreichen der Steuererklärung. In komplexen Steuersituationen, wie Selbständigkeit, Unternehmensbeteiligungen oder bei internationalen Einkünften, kann deshalb eine Steuerberatung sinnvoll sein.

Tipps rund ums Ausfüllen der Steuererklärung:

Üben Sie das Ausfüllen der Steuererklärung auf www.steuerneasy.ch. Lesen Sie vor dem Ausfüllen die Wegleitung von A bis Z. Nutzen Sie die kostenlosen Online-Steuerprogramme der Kantone, um Fehler zu vermeiden. Beantragen Sie eine Fristverlängerung, um Mahngebühren zu vermeiden. Informieren Sie sich über Abzugsmöglichkeiten im sogenannten ESTV-Steuermäppchen oder in Informationen der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK). Taxdone.ch hilft gegen Bezahlung beim Ausfüllen der Steuererklärung und beim Aufspüren von vergessenen Steuerabzügen.

Sammeln Sie steuerrelevante Dokumente wie zum Beispiel Rechnungen für werterhaltende Unterhaltsarbeiten, Weiterbildungen sowie Spendenbescheinigungen laufend während des Jahres, und legen Sie die Dokumente geordnet beiseite. Prüfen Sie nach Einreichen der Unterlagen den Steuerbescheid innerhalb von 30 Tagen, und widersprechen Sie schriftlich bei Unstimmigkeiten.

Bernhard Bircher-Suits, «Neue Zürcher Zeitung»

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