Versicherung wechseln: diese neuen Regeln sollten Sie kennen Das seit Anfang Jahr geltende Versicherungsgesetz gibt Kunden mehr Rechte – auch bei Kündigungen.

Das seit Anfang Jahr geltende Versicherungsgesetz gibt Kunden mehr Rechte – auch bei Kündigungen.

 

Was vielen Versicherten nicht bewusst ist: Sowohl der Versicherte als auch der Versicherer haben in einem gedeckten Schadenfall von Gesetzes wegen die Möglichkeit, einen Vertrag vorzeitig zu beenden. (Bild: unsplash.com)

Versicherte können sich freuen: Seit Anfang 2022 ist das überarbeitete Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Kraft. Es regelt die Rechte und Pflichten zwischen den versicherten Einzelpersonen oder Unternehmen und den Versicherungen. Das revidierte Gesetz gibt Versicherten zum Teil mehr Rechte – auch bei Kündigungen.

So sind zum Beispiel sogenannte Knebelverträge mit fünf Jahren Laufzeit neu vorzeitig auflösbar. Versicherte können Verträge mit langer Laufzeit bereits auf das Ende des dritten Jahres beenden – auch wenn der Vertrag auf längere Dauer vereinbart wurde. Bei der Kündigung gilt es aber, die gesetzliche Kündigungsfrist von 3 Monaten einzuhalten.

Diese neue Regel gilt auch für Verträge, die vor dem Inkrafttreten des revidierten VVG Anfang 2022 abgeschlossen wurden. Lebensversicherungen sind von dieser Bestimmung ausgenommen.

Bei mehreren Schäden droht die Kündigung

Weiterhin ein Ärgernis aus Sicht von Versicherten: Nicht nur sie, sondern auch Versicherungen haben ein Kündigungsrecht, von dem sie – vor allem bei mehreren Schadenszahlungen – auch Gebrauch machen. Das zeigt das reale Beispiel von Herrn B. Er hatte gemäss Angaben der Ombudsstelle der Privatversicherungen Pech mit seinem Auto und musste innerhalb eines kurzen Zeitraums mehrere Kaskoschäden anmelden. Diese wurden von der Versicherung alle anstandslos beglichen. Beim letzten Schadenfall wurde ihm jedoch die Versicherung vorzeitig gekündigt.

Die Ombudsstelle der Privatversicherungen beschied Herrn B.: «Umfasst die Police sowohl die Kasko- als auch die Autohaftpflicht, dürfen beide Versicherungen gekündigt werden.» Herr B. bekundete wegen der Kündigung durch die Versicherung Mühe, eine neue Autoversicherung zu finden.

Die Ombudsstelle riet Herrn B., Offerten bei verschiedenen Anbietern einzuholen – vorzugsweise direkt bei der Agentur und nicht online – und diese nach allfälliger Antragsablehnung anzufragen, ob die Möglichkeit bestehe, einen Vertrag unter angepassten Bedingungen abzuschliessen, zum Beispiel mit einem höheren Selbstbehalt.

Was vielen Versicherten nicht bewusst ist: Sowohl der Versicherte als auch der Versicherer haben in einem gedeckten Schadenfall von Gesetzes wegen (Art. 42 VVG) die Möglichkeit, einen Vertrag vorzeitig zu beenden.

Verschiedene Kündigungsmöglichkeiten

Für den Ausstieg aus einem bestehenden Vertrag haben Versicherte zwei gesetzlich geregelte Möglichkeiten. Sie können entweder auf das Ende des Vertragsablaufs kündigen oder auf das Ende eines Vertragsjahres, falls ein jährliches Kündigungsrecht vereinbart wurde.

Beim Versenden eines Kündigungsschreibens müssen Versicherte die vereinbarten Kündigungsfristen beachten. Sie beträgt in der Regel drei Monate. Neben einer ordentlichen Kündigung gibt es auch die ausserordentliche Kündigung, bei der Versicherte den Vertrag vorzeitig kündigen dürfen. Bei Autoversicherungen gilt zum Beispiel: Bei einem Fahrzeugwechsel können Sie auch die Versicherung wechseln.

Ändert die Versicherung die Höhe der Prämien oder des Selbstbehalts oder verschlechtert sie die Leistungen, haben Versicherte das Recht, die Police auf den Zeitpunkt der Vertragsänderung zu kündigen. Die Kündigung muss am letzten Tag, bevor die neue Prämie gilt, bei der Versicherung eingetroffen sein. Aber Achtung: Wenn die Versicherung die Prämie erhöht, weil die versicherte Person selbst eine Anpassung etwa des Selbstbehalts verlangt hat, verfällt dieses Kündigungsrecht.

Kündigung der Grundversicherung und Zusatzversicherungen

Ein Wechsel der Krankenkasse kann sich lohnen, um Prämien zu sparen oder das Versicherungsmodell zu optimieren. Die Grundversicherung kann jedes Jahr ordentlich bis am 30. November gekündigt werden. Bei den Zusatzversicherungen sind die Krankenkassen in der Festlegung der Kündigungsfrist frei.

In der Regel laufen Zusatzversicherungsverträge über ein Jahr bei einer Kündigungsfrist von drei Monaten. Oft ist die Kündigungsfrist der Zusatzversicherung länger als bei der Grundversicherung. Wichtig: Kündigen Sie Ihre bisherige Zusatzversicherung erst, wenn der Vertrag mit der neuen Versicherung unter Dach und Fach ist. Die Krankenkassen können neue Verträge auch ablehnen.

Laut der Stiftung für Konsumentenschutz lehnen Krankenversicherer beispielsweise Anträge von Menschen ab, die über 50 Jahre alt sind oder gewisse Krankheiten durchgemacht haben.

Versicherungen per E-Mail kündigen?

In Versicherungsverträgen sind für Kündigungen in der Regel Formvorschriften festgehalten. Viele Versicherungen vereinfachen ihren Kunden mittlerweile aber das Kündigen. So können Bâloise-Versicherte zum Beispiel vieles, was bisher handschriftlich unterzeichnet werden musste, per E-Mail oder SMS abwickeln, beispielsweise eine Kündigungserklärung.

Falls ihre Versicherung diesen Service anbietet, sollten Sie darauf achten, frühzeitig zu kündigen. Falls Sie keine Bestätigung der Kündigung erhalten, ist es aus Beweisgründen ratsam, nochmals schriftlich per Einschreiben zu kündigen.

Neues Widerrufsrecht für Versicherte

Beim Abschluss einer neuen Versicherung können Antragsteller auch von einem neu eingeführten Widerrufsrecht Gebrauch machen. Ein Beispiel: Eine Person schliesst eine Hausratversicherung mit hohem Rabatt ab. Zehn Tage später bemerkt sie, dass die Versicherung lückenhaft und trotz Rabatt sehr teuer ist. Sie kann den Vertrag ohne Verpflichtung und Begründung innert einer 14-tägigen Bedenkfrist kündigen.

Laut Martin Lorenzon, Ombudsmann der Privatversicherungen und der Suva, ist dieses Widerrufsrecht «erfahrungsgemäss insbesondere für junge Erwachsene wichtig, die manchmal allzu schnell eine Lebensversicherungspolice mit langer Laufzeit abschliessen, teilweise für 45 Jahre.» Die Rede ist von meist für die Versicherungen finanziell attraktiven Säule-3a-Policen.

Doppel- und Überversicherung vermeiden

Bevor ein Versicherter eine neue Police abschliesst, sollte er Vergleichsofferten auf Online-Portalen einholen und prüfen, ob er ein Risiko nicht schon in einer anderen Police versichert hat. Es gilt, eine Doppel- oder Überversicherung zu vermeiden. Davon ist die Rede, wenn zum Beispiel die Deckungssumme einer Versicherung den möglichen Schaden deutlich übersteigt oder Leistungen enthalten sind, auf die der Versicherte auch gut verzichten könnte – zum Beispiel, weil er ein genügend grosses finanzielles Polster hat, um den Schaden aus der eigenen Tasche zu bezahlen.

Stefan Thurnherr, Partner und Versicherungsexperte bei der VZ Insurance Services AG, sagt zum Thema Über- und Doppelversicherungen: «Soeben habe ich einen Versicherungsordner eines selbständigen Schreiners und seiner Familie angeschaut. Es sind die Klassiker, welche immer wieder zu unnötigen Versicherungskosten führen. So fand ich eine Doppelversicherung bei der Rechtsschutzversicherung. Für 318 Franken wurde eine Privat- und Verkehrsrechtsschutzversicherung im Rahmen einer All-Risk-Hausratversicherung abgeschlossen. Die gleiche Deckung findet sich bei der TCS-Mitgliedschaft, wo es 387 Franken inklusive Mitgliedschaft kostet.» Thurnherr empfahl dem Versicherten, eine der beiden Versicherungen wegen Doppelversicherung zu kündigen. Laut Thurnherr liegt das durchschnittliche Einsparpotenzial pro Kunde aufgrund von Über- oder Doppelversicherung erfahrungsgemäss bei 276 Franken.

Im Streitfall kostenlos Ombudsstelle angehen

Wer mit einem Ablehnungsentscheid oder einer Kündigung seiner Versicherung nicht glücklich ist und findet, er habe alles gemäss Vertrag und Gesetz korrekt gemacht, kann sich vor dem Gang vor Gericht kostenlos an die Ombudsstelle wenden. Im Jahr 2021 behandelte die Stiftung Ombudsman der Privatversicherungen und der Suva 2704 Anliegen und Beschwerden. Mit einer Erfolgsquote der Interventionen von 71 Prozent konnte für eine Mehrheit der Beschwerdeführenden im Jahr 2021 eine gütliche Lösung gefunden werden. Wer die folgenden Tipps beachtet, kann sich den Gang zum Ombudsmann in der Regel sparen.

Die wichtigsten Regeln im Umgang mit Versicherungen

  • Forderungsrecht: Wer einen Haftpflichtanspruch hat, kann diesen Anspruch neu direkt gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers geltend machen.
  • Vertreterbesuch: Kommt ein Versicherungsvertreter zu Besuch, empfiehlt es sich, nicht sofort zu unterschreiben, sondern die Vorschläge zuerst einmal zu überschlafen.
  • Vertragslaufzeit: Schliessen Sie nach Möglichkeit nur einjährige Verträge ab, oder lassen Sie sich ein jährliches Kündigungsrecht schriftlich bestätigen.
  • Kündigungsrecht: Langjährige Verträge sind bei Lebensversicherungen erlaubt. Private können andere Versicherungsverträge jeweils auf das Ende des dritten Jahres beenden. Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate.
  • Leistungen: Die Versicherung darf ihre Leistungen nur noch kürzen, wenn allfällige falsche Angaben des Versicherten bei Versicherungsabschluss einen Einfluss auf den Eintritt oder den Umfang des Schadens hatten.
  • Krankenkasse: In den Zusatzversicherungen zur Grundversicherung darf die Krankenkasse den Vertrag nach einem Leistungsbezug nicht mehr kündigen. Nur die Kunden dürfen dann kündigen.
  • Kündigungsverzicht: In der Krankenzusatzversicherung stehen das ordentliche Kündigungsrecht und das Kündigungsrecht im Schadenfall nur noch dem Versicherten zu, nicht aber dem Versicherer.
  • Verjährungsfrist: Ansprüche aus Verträgen verjähren seit dem Jahr 2022 erst fünf Jahre nach dem Schadenfall. Früher waren Ansprüche bereits nach zwei Jahren verjährt.
  • Widerrufsrecht: Versicherte können seit Anfang 2022 innerhalb einer Bedenkfrist von 14 Tagen von ihrem Vertrag zurücktreten.

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