Boomende Luxusuhren: Der Genfer Uhrensalon zeigt eine Branche in Hochstimmung – und mit neuer Kreativität Die Nachfrage nach hochwertigen mechanischen Uhren steigt und steigt. Die Hersteller nehmen das als Ansporn, noch besser und kreativer zu werden. Dies zeigt ein Augenschein an der Watches & Wonders Geneva, an der erstmals auch Rolex und andere Aussteller der früheren «Baselworld» teilnehmen.

Die Nachfrage nach hochwertigen mechanischen Uhren steigt und steigt. Die Hersteller nehmen das als Ansporn, noch besser und kreativer zu werden. Dies zeigt ein Augenschein an der Watches & Wonders Geneva, an der erstmals auch Rolex und andere Aussteller der früheren «Baselworld» teilnehmen.

Drei Jahre sind vergangen, seit es in der Schweiz letztmals eine grosse Uhrenmesse gegeben hat. Im März 2019 fand die «Baselworld» statt, wie üblich zwei Monate nach dem Salon international de la Haute Horlogerie (SIHH) in Genf. Seither ist viel passiert.

Ein perfekt organisierter Salon

Die einst weltgrösste, von der MCH Group organisierte «Baselworld» schaffte es, durch schlechtes Pandemie-Management sämtliche bis dahin noch treuen grossen Aussteller zu vertreiben, und verschwand von der Bildfläche. Der in Watches & Wonders umgetaufte Genfer Salon SIHH, der von der Fondation de la Haute Horlogerie (FHH) ausgerichtet wird, rettete sich mit digitalen und hybriden Formaten durch die Pandemie. Gleichzeitig wurde daran gearbeitet, die «Baselworld»-Flüchtlinge Rolex, Patek Philippe, Chopard, Oris und die LVMH-Gruppe zu integrieren.

Dieser Tage (30. März bis 5. April 2022) findet nun in Genf die erste physische Watches & Wonders statt, an der auch Rolex und Co. teilnehmen. Die Spannung war gross, wie gut der Zusammenschluss gelingen würde, denn der Genfer Salon war bisher stark vom Richemont-Konzern dominiert gewesen, zu dem unter anderem die Marken Cartier, IWC, Vacheron Constantin oder Jaeger-LeCoultre gehören. Um den Branchenprimus Rolex unter das gleiche Dach zu bekommen – so war klar –, würde Richemont Macht abgeben müssen. Umgekehrt würde es auch aufseiten von Rolex Kooperationsbereitschaft und eine gewisse Anpassungsfähigkeit brauchen.

Wie es aussieht, haben sich die Uhrenfirmen zusammengerauft. Das Resultat, wie es in den vergangenen Tagen in den Palexpo-Hallen beim Genfer Flughafen zu erleben war, ist jedenfalls überzeugend. Der Salon ist so gut organisiert wie noch nie – und das nicht nur für diejenigen, die vor Ort sein können, sondern auch für jene, die aus der Ferne teilnehmen. Denn nach wie vor können die Händler und Medienvertreter nicht von überall her anreisen. Die Chinesen etwa sind dieses Jahr nicht gekommen.

Kleinere Marken profitieren von Knappheit bei Rolex und Co.

Und was die 38 anwesenden Marken präsentieren, ist so reichhaltig und kreativ wie selten. Die Tatsache, dass hochwertige Uhren weltweit extrem stark gefragt sind, scheint die Branche zu beflügeln. Zudem zeigt sich ein gewisser Nachholeffekt, weil die Uhrenfirmen einige der Neuheiten, die ihnen besonders stark am Herzen lagen, nicht während der Pandemie lancieren wollten, sondern gewartet haben, bis sie sie nun wieder live präsentieren können.

Dass es bei vielen Uhrenmarken derzeit so gut läuft, hat einerseits damit zu tun, dass ganz neue Käuferschichten begonnen haben, sich für mechanische Uhren zu interessieren. Wie von verschiedenen Marken zu hören ist, investieren gerade auch junge Leute – etwa solche, die ihr Geld mit Kryptowährungen gemacht haben – ihr Geld vermehrt in Luxusuhren.

Anderseits ist es bekanntermassen so, dass man Uhren von Rolex, Patek Philippe oder Audemars Piguet spontan kaum mehr kaufen kann – jedenfalls nicht am offiziellen Verkaufspunkt zum Normalpreis. Dies führt dazu, dass diejenigen, die genug haben vom Warten und auch nicht bereit sind, auf dem Sekundärmarkt horrende Preise zu bezahlen, vermehrt Ausschau halten nach Alternativen.

Fündig werden sie bei kleineren Firmen mit eigenständigen und überzeugenden Produkten, wie etwa Moser & Cie. oder Parmigiani. Während der Moser-Chef Edouard Meylan bereits 2021 erklärte, mit der Produktion nicht mehr nachzukommen (unter anderem wegen der 2020 lancierten Streamliner), ist dies bei Parmigiani ein neueres Phänomen, das nicht zuletzt auch mit dem Wechsel von Guido Terreni zum Unternehmen zu tun hat.

Turnaround bei Parmigiani

Terreni, der mehr als zehn Jahre lang die Uhrendivision von Bulgari leitete und dort für die Entwicklung des Erfolgsprodukts Octo Finissimo verantwortlich war, hat Anfang 2021 bei Parmigiani das Steuer übernommen. Seither geht es aufwärts mit dem chronisch defizitären Unternehmen, das der Sandoz-Familienstiftung gehört. Die gesamte Produktion des laufenden Jahres – etwas weniger als 4000 Uhren – ist gemäss Firmenaussagen bereits verkauft.

Highlight der neuen Kollektion ist eine schlichte Uhr mit einer Zusatzfunktion, die es bisher nicht gegeben hat: Bei der Tonda GMT Rattrapante zeigt ein Schleppzeiger, den man sonst von Chronografen kennt, die zweite Zeitzone an. Die Bedienung ist so einfach wie bei keiner anderen Uhr mit zweiter Zeitzone. Ein Druck auf den Knopf links verstellt die Lokalzeit und bringt den Schleppzeiger zum Vorschein, ein Druck auf die Krone lässt den Schleppzeiger wieder unter dem Stundenzeiger verschwinden.

Auch Zenith hat an Beliebtheit zugelegt. Die LVMH-Tochter, die zwischen 20’000 und 25’000 Uhren pro Jahr herstellt, wird seit 2017 von Julien Tornare geleitet, der die Kollektion entrümpelt und dafür gesorgt hat, dass in den Uhren die Kerneigenschaften der Marke wieder stärker zum Ausdruck kommen. Zenith, die all ihre Uhrwerke selber herstellt, stösst gemäss eigenen Angaben mittlerweile an ihre Kapazitätsgrenzen und muss sich überlegen, wie es es weitergehen soll. Denn in einer Manufaktur lassen sich die Kapazitäten nicht so einfach steigern.

Geheimtipp aus Japan

Aus einem anderen Grund erwähnenswert ist Grand Seiko. Die 1960 gegründete Uhrenmarke, die dem japanischen Hersteller Seiko gehört, tritt in Genf erstmals eigenständig an einer Messe auf. Dies spiegelt den Willen des Mutterhauses, der Tochter im Ausland mehr Unabhängigkeit zu geben, aber auch die Bereitschaft der Genfer Organisatoren, mit ihrem Salon keinen Heimatschutz zu betreiben, sondern alle Uhrenmarken, die hochwertige Mechanikuhren herstellen, willkommen zu heissen.

Grand Seiko als eine separate Marke von Seiko dürfte hierzulande selbst Uhrenfans noch wenig bekannt sein, denn erst seit zwölf Jahren sind die Uhren ausserhalb von Japan überhaupt erhältlich. Mit ihrer neuen, separaten Distribution werden die Japaner nun aber auch in Europa sichtbarer werden und vermehrt in den direkten Wettbewerb mit Schweizer oder deutschen Uhrenmarken treten. Nicht umsonst hat sich Grand Seiko für ihre erste Markenboutique in Europa mit der Place Vendôme in Paris die edelste aller Adressen ausgesucht.

In Genf hat Grand Seiko unter anderem ihre erste mechanische Uhr mit einer Komplikation vorgestellt, die Tourbillon-Uhr Kodo. Das will nicht heissen, dass es bei Grand Seiko bisher nur Drei-Zeiger-Uhren gab. Aber die bisherigen Uhren mit Zusatzfunktionen waren Uhren mit einem Spring-Drive-Werk. Dabei handelt es sich zwar um ein mechanisches Werk, dem jedoch eine elektronische Hemmung hinzugefügt wurde. Das hat den Vorteil, dass der Sekundenzeiger absolut ruhig läuft, ist aber in der «Haute Horlogerie» verpönt.

Zukunft des Salons noch nicht ausdiskutiert

Nicht nur die Qualität der Neuheiten, auch die Stimmung an der Watches & Wonders ist dieses Jahr so gut wie selten zuvor. Wohin man auch geht, beginnt die Konversation mit den Worten «Wie schön, dass wir uns wieder einmal persönlich treffen». Der Wunsch, sich auszutauschen und die Uhren nicht nur per Video oder mit Live-Schaltungen zu präsentieren, ist offensichtlich da.

Das muss allerdings nicht heissen, dass der Salon in den kommenden Jahren in der gleichen Form weitergeführt werden wird. Laut Thierry Stern, dem Patron von Patek Philippe, müssen die Verhandlungen für die nächste Ausgabe der Watches & Wonders erst noch geführt werden. Man habe zuerst sehen wollen, wie sich dieses Format bewähre. Zudem gebe es schon noch einige Aspekte zu klären. Auch bei Richemont hört man durchaus auch kritische Gedanken. Einerseits sieht man in einem grossen Branchen-Event nach wie vor Vorteile, anderseits steht die Frage im Raum, ob solche Grossveranstaltungen noch zeitgemäss sind.

Denn sie sind teuer, sehr teuer. Dem Vernehmen zahlt allein Rolex für die Teilnahme rund 30 Millionen Franken; in Basel soll es allerdings noch deutlich mehr gewesen sein. Die Stände sind riesig und teilweise richtige Kunstwerke. Ihr Aufbau dauert laut Jérôme Lambert, dem CEO von Richemont, volle acht Wochen, wobei ständig 1000 bis 2000 Personen vor Ort am Arbeiten sind.

Wichtiger Event für Genf

Wer auf jeden Fall hoffen dürfte, dass die Watches & Wonders so oder in ähnlicher Form weitergeführt wird, ist die Stadt Genf. Für die Uhrenmetropole ist der Salon sowohl imagemässig als auch wirtschaftlich ein Gewinn. Laut Lambert zieht die Watches & Wonders rund 20’000 Besucher an und sorgt für 28’000 Hotelübernachtungen.

Hinzu kommen 60 bis 70 weitere Uhrenfirmen, die sich während des Salons in Genfer Hotelsuiten eingerichtet haben, um davon zu profitieren, dass so viele Uhrenhändler und -journalisten in der Stadt sind. Noch grösser könnte der Andrang werden, wenn der Salon sich wieder teilweise dem Publikum öffnen sollte. Von 2017 bis 2019 war dies bereits der Fall, allerdings immer nur mit einem Publikumstag ganz am Schluss. Über einen solchen Publikumstag wurde laut Lambert auch für 2022 diskutiert. Man habe dann aber darauf verzichtet, weil der organisatorische Aufwand wegen Corona lange schwer abschätzbar gewesen sei.

Das könnte Sie auch interessieren: