Schweizerkreuz, Matterhorn, Roger Federer: was es Firmen bringt, auf die Marke Schweiz zu setzen Ob Ricola, Victorinox oder Swiss – viele Firmen nutzen «Swissness» als Verkaufsargument. Doch wie tief greifen Konsumenten deswegen in die Tasche?

Ob Ricola, Victorinox oder Swiss – viele Firmen nutzen «Swissness» als Verkaufsargument. Doch wie tief greifen Konsumenten deswegen in die Tasche?

Der Firmengründer von Victorinox kreierte bereits 1909 ein vom Schweizer Wappen inspiriertes Logo, das sich als Firmenmarke durchgesetzt hat und heute in über 130 Ländern geschützt ist. (Bild: PD)

Von der heilen Bergwelt mit satten Wiesen und muhenden Kühen über die Exportschlager Schokolade, Käse und Uhren bis zum international bedeutenden Bankenplatz – kommt die Sprache auf die Schweiz, finden sich bald gängige Klischees. Das Land wird auch mit Werten wie Präzision, Zuverlässigkeit und Naturverbundenheit assoziiert; allesamt Qualitäten, die sich auch Schweizer Firmen für die Vermarktung ihrer Produkte und Dienstleistungen zunutze machen.

Laut Stephan Feige, Partner und Geschäftsführer der Marketingberatung HTP St. Gallen, setzen rund ein Drittel der in der Schweiz registrierten Firmen im Marketing auf Swissness. Diese biete ihnen die Möglichkeit, ihre Marke aufzuwerten und sich auf internationalen Märkten von der Konkurrenz abzuheben.

Sind Maggi und Elmex schweizerisch?

Nicht nur für Hersteller von Schokolade, Käse und Uhren sowie für Banken lohne sich dies, sondern in geringerem Ausmass auch für Unternehmen im Bereich Bildung, Pharma und Umwelttechnologie. Die Sektoren IT und Bekleidung dagegen verbänden Konsumenten kaum mit der Schweiz, sagt Feige. Derweil hält das Staatssekretariat für Wirtschaft gestützt auf mehrere Studien fest, dass der durch die Schweizer Herkunft gewonnene Bonus bei einigen Produkten bis zu 20 Prozent des Verkaufspreises ausmacht und bei Luxusgütern bis zu 50 Prozent.

Dass das Produkt in der Schweiz hergestellt wird, reicht laut Feige als Verkaufsargument allerdings nicht aus. Die Unternehmen müssten die typisch schweizerischen Werte auch glaubwürdig vertreten. Diese Strategie funktioniere vor allem im Ausland. Im Inland sei insbesondere in der Nahrungsmittelbranche zunehmend eine regionale Positionierung notwendig, um sich von anderen Schweizer Konkurrenten zu differenzieren.

Welche Produkte sind schweizerisch? Vielleicht denkt man an Maggi, obwohl die Flüssigwürze immer in Deutschland hergestellt wurde. Oder man verbindet die Zahnpasta Elmex mit der Schweiz, die von der Basler Firma Gaba lanciert wurde, heute aber zum US-Konzern Colgate-Palmolive gehört. Und Sugus? Die Fruchtbonbons, die von Chocolat Suchard kreiert wurden, sind mittlerweile ein Teil der Mars-Gruppe.

Warum Toblerone das Matterhorn verliert

Aufgrund ihrer Wurzeln werden die Marken bisweilen noch immer als schweizerisch wahrgenommen. Damit werben dürfen sie aber nicht. Laut dem Swissness-Gesetz, das 2017 in Kraft trat, müssen Nahrungsmittelfirmen 80 Prozent der hierzulande verfügbaren Rohstoffe auch aus der Schweiz beziehen, wenn sie ihr Produkt als schweizerisch bezeichnen wollen. Ausserdem müssen die wesentlichen Arbeitsschritte in der Schweiz erfolgen.

Jüngst hat etwa Toblerone das Matterhorn-Logo aufgegeben und mit dem Logo eines ähnlichen Berges ersetzt. Ausserdem steht anstatt «of Switzerland» jetzt «established in Switzerland» auf der Verpackung. Der Grund für die Anpassung ist die teilweise Produktionsverlagerung in die Slowakei. Damit erfüllt die Toblerone-Schokolade, die zum Mondelez-Konzern gehört, die gesetzlichen Swissness-Anforderungen nicht mehr – und darf daher keine Nationalsymbole mehr zeigen.

Laut Feige handelt es sich für Mondelez um eine Kosten-Nutzen-Abwägung zwischen der negativen Publizität und der wegfallenden Swissness-Prämie einerseits und der durch die Verlagerung erzielten Kostenvorteile andererseits. Er rechnet nicht mit einem stärkeren Umsatzrückgang, weil Toblerone vor allem im Ausland nach wie vor als schweizerisch wahrgenommen werden dürfte.

«Wer hat’s erfunden?» – Nicht alle finden es lustig

Das Familienunternehmen Ricola produziert dagegen nach wie vor alle Kräuterbonbons in Laufen (BL), verpackt werden sie teilweise im Ausland. 90 Prozent der Produkte exportiert das Unternehmen in insgesamt 45 Länder. Der mit Abstand grösste Markt sind die USA, aber auch Asien hat eine wichtige Bedeutung erlangt. Swissness sei für die Vermarktung im Ausland wichtig, sagt der Ricola-Chef Thomas P. Meier. Sie dürfe jedoch nicht das einzige Element sein: «Je besser die Marke positioniert ist, desto weniger muss die Schweizer Herkunft betont werden.»

Im Zentrum der Marketingaktivitäten stehen die in den Alpen angebauten Kräuter sowie die familieneigene Rezeptur, nach der die Kräuter zu Bonbons verarbeitet werden. Ricola will vor allem als traditionell, bodenständig und naturnah wahrgenommen werden. «Auf die Verwendung des Schweizerkreuzes auf den Verpackungen haben wir nach internen Diskussionen bewusst verzichtet», sagt Meier. Alle Produkte erfüllten zwar die Swissness-Anforderungen. In der Vermarktung gehe es jedoch in erster Linie um die Alpenkräuter, die bis auf wenige Ausnahmen, wenn etwa die Nachfrage sehr gross oder die Ernte schlecht sei, aus den Schweizer Alpen stammten.

«Wir müssen unsere Produkte je nach Land unterschiedlich vermarkten», sagt Meier. In den USA, wo die Hustenbonbons als Heilmittel registriert sind und in den Supermärkten in den Regalen für rezeptfreie Heilmittel (Husten/Erkältung) verkauft werden, liegt der Schwerpunkt auf der Wirksamkeit. In Asien dagegen, wo die Bonbons in den Süsswaren-Regalen verkauft werden, geht es darum, Konsumenten in Grossstädten mit dem Versprechen gesunder Bergluft abzuholen. Auch Humor variiert je nach Land. Laut Meier hat der in Deutschland einst besonders beliebte Werbespot «Wer hat’s erfunden?» sowohl in den USA als auch in Asien nicht gut funktioniert.

Victorinox: ein Wappen mit und ohne Landesfarben

Anders als bei Ricola spielt das Schweizerkreuz bei Victorinox eine zentrale Rolle. Der Firmengründer kreierte bereits 1909 ein vom Schweizer Wappen inspiriertes Logo, das sich als Firmenmarke durchgesetzt hat und heute in über 130 Ländern geschützt ist.

Allerdings kann Victorinox nicht auf allen Produkten das Emblem in den Schweizer Landesfarben Rot/Weiss benutzen. Auf dem Reisegepäck wird es nur in den Farben Schwarz/Weiss verwendet, weil es in Asien produziert wird und daher die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllt.

Einen Schwachpunkt der Swissness-Regelung sieht die Marketingchefin Veronika Elsener darin, dass die Vorschriften in vielen wichtigen Märkten wie den USA oder China nicht oder nur unter erschwerten Umständen durchgesetzt werden. Schweizer Firmen werden damit laut Elsener gegenüber ausländischen Konkurrenten benachteiligt, die ohne jeglichen Bezug zur Schweiz auf der Swissness-Welle reiten.

Laut Feige hat das Swissness-Gesetz dennoch insgesamt eine positive Wirkung entfaltet. Trittbrettfahrer, die auf die Marke Schweiz setzten, ohne einen Bezug zur Schweiz zu haben, könnten nun besser an der Nutzung der Swissness gehindert werden. Die Transparenz sei gestiegen, und die Branchenkollegen schauten sich gegenseitig genauer auf die Finger.

Roger Federer vor Wilhelm Tell

Unternehmen, die ihre Swissness unterstreichen wollen, setzen nicht nur auf die Kraft helvetischer Symbole, sondern engagieren auch Persönlichkeiten, die Schweizer Werte verkörpern. Ein besonders gefragter Markenbotschafter ist Roger Federer. Im Rahmen der Studie «Swissness Worldwide 2016» gaben knapp 18,7 Prozent der Befragten an, Roger Federer repräsentiere die Schweiz in besonderem Masse und stehe für Schweizer Werte. Damit liegt er deutlich vor Wilhelm Tell (7,7 Prozent) und Albert Einstein (4,2 Prozent). Es erstaunt daher nicht, dass internationale Fluggäste bei der Ankunft am Flughafen Zürich auch schon einmal von einem animierten Roger Federer begrüsst wurden.

Bei der Fluggesellschaft Swiss, die «schweizerisch» als Firmennamen gewählt hat, sieht man dies als einen Teil der Identität an. Dass die Fluggesellschaft zum deutschen Lufthansa-Konzern gehöre, spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle, sagt Julia Hillenbrand, Head of Brand Experience bei Swiss. Die Swiss werde als schweizerisch wahrgenommen und sei es auch. Die Lufthansa-Tochter darf mit «made of Switzerland» werben, weil sie hierzulande ihren Sitz hat und von der Schweiz aus verwaltet wird.

Wo immer möglich, setze man auf die Zusammenarbeit mit Schweizer Firmen, sagt Hillenbrand – von der Einrichtung der Lounges über die Butter an Bord bis zu den Pyjamas in der Firstclass. Auch die Mitarbeitenden an Bord würden in Swissness geschult und für die entsprechenden Markenwerte sensibilisiert.

Streiks und Swissness

Die Marketingstrategie ist laut Hillenbrand je nach Land unterschiedlich ausgestaltet, wobei der Kern der Marke immer bestehen bleibt. «Je weiter weg der Markt ist, desto ausgeprägter ist die klassische Wahrnehmung der Schweiz», sagt sie. In Asien greife man deshalb Stereotype pointierter auf und setze beispielsweise stärker auf typische Panoramabilder der Bergwelt.

Und wie wirken sich Streiks, lange Wartezeiten und gestrichene Flüge auf die Marke aus, die doch gerade für Schweizer Tugenden steht? Bei der Swiss sei man sich bewusst, dass man dem erklärten Premium-Anspruch gegenwärtig nicht immer gerecht werde. Man tue alles, damit dies bald wieder der Fall sei, sagt sie. Da es sich aber vor allem um Probleme handle, mit denen die gesamte Industrie zu kämpfen habe, dürfte die Marke kurzfristig nicht darunter leiden. Und inwiefern hallt das Grounding der Swissair noch nach? In den Anfangsjahren sei das Grounding in vielen Köpfen präsent gewesen, heute spiele es aber längst keine Rolle mehr, sagt Hillenbrand.

Obwohl die Fluggesellschaft Swissness kultiviert, schlägt sich dies laut Hillenbrand nicht in einer Preisprämie nieder. Der Wettbewerbsdruck unter den Fluggesellschaften ist intensiv, vor allem auf den Kurzstrecken. Laut der Studie «Swissness Worldwide 2016» beträgt die Swissness-Prämie lediglich 1 Prozent – das heisst, die Befragten sind bereit, 1 Prozent mehr zu bezahlen, um mit einer Schweizer Fluggesellschaft zu fliegen.

Dies steht in scharfem Kontrast zur Uhrenbranche, wo die Zahlungsbereitschaft für «made in Switzerland» so hoch ist wie in keiner anderen Branche. Konsumenten sind laut der Studie im Durchschnitt bereit, mehr als das Doppelte für eine Schweizer Uhr zu bezahlen. Beim Käse beträgt die Swissness-Prämie noch über 50 Prozent. Im Bereich Kosmetik und Körperpflege sind es ebenfalls mehr als 50 Prozent, wobei grosse Unterschiede zwischen den Ländern bestehen. In Grossbritannien beträgt die Prämie 9 Prozent, in Indien sind es 28 Prozent. Wie lohnend es für Unternehmen ist, in der Vermarktung auf Swissness zu setzen, hängt also stark von der Branche und den Zielmärkten ab.

Kritik und die Marke Schweiz

«Die Schweiz hat je nach Land einen unterschiedlich guten Ruf», sagt Feige. Besonders hoch sei das Ansehen in den USA, in Indien, China und Brasilien, am tiefsten dagegen in Japan und Frankreich. Themen wie Zuwanderung, Neutralität oder Rettungen von Firmen wie diejenige der Credit Suisse, die im Inland heftig und kontrovers diskutiert werden, hätten wenig Einfluss auf das Image des Landes. Dies liege vor allem daran, dass die Themen im Ausland viel weniger Beachtung fänden als im Inland und viele andere Länder grössere Probleme hätten als die Schweiz.

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