Kartellgesetzrevision: Das Parlament sollte kleine Firmen besser vor dem Übereifer der Wettbewerbskommission schützen Das Bundesgericht hat 2016 das Kartellgesetz zulasten von kleinen Unternehmen ausgelegt. Das sollte korrigiert werden.

Das Bundesgericht hat 2016 das Kartellgesetz zulasten von kleinen Unternehmen ausgelegt. Das sollte korrigiert werden.

Die Zeit des Bierkartells ist in der Schweiz vorbei: Blick auf die Fliessbänder der zu Carlsberg gehörenden Brauerei Feldschlösschen in Rheinfelden. (Foto: Martin Martz auf Unsplash)

Das Kartellgesetz gilt zu Unrecht als trockene Materie. Denn es bringt beispielsweise schmackhafteres Bier auf den Tisch. Jahrzehntelang hatten sich nämlich die grossen Brauer die Schweiz aufgeteilt und servierten eine Einheitspfütze, nach abgesprochenem Rezept.

Doch diese Zeit ist vorbei, und niemand wünscht sie sich zurück. Seit 1996 erlaubt das Kartellgesetz derartiges Gebaren nicht mehr.

Für die Verfolgung von Absprachen ist hierzulande die Wettbewerbskommission (Weko) zuständig. Anders als während der Zeit des Bierkartells ist das heute ein mächtiges Gremium. Es kann Millionenbussen aussprechen.

Deshalb sollten die Eingriffe zielgenau erfolgen und nicht die Falschen treffen. Diesbezüglich ist es aber in den vergangenen Jahren zu einer Fehlentwicklung gekommen. Das Bundesgericht weichte 2016 nämlich den Schutz kleiner Firmen vor übertriebener Interventionen der Weko auf. Der Entscheid hatte zur Folge, dass Unternehmen mit einer geringen Grösse häufiger ins Visier der Wettbewerbsbehörde geraten.

Etwas mehr Arbeit für die Wettbewerbskommission

Der Bundesrat hat nun einen Revisionsvorschlag präsentiert, welcher den Schutz wieder auf das alte Niveau heben würde. Das ist nötig, um den Entscheid des Bundesgerichts zu korrigieren. Das Parlament sollte diese Vorlage annehmen.

Das Kartellgesetz verbietet aus gutem Grund schon heute nicht jede Form der Absprache zwischen Unternehmen. Das mag nach dem Bier-Beispiel eigenartig klingen, ist aber in gewissen Fällen sinnvoll.

Dieser Ansatz ermöglicht es KMU, bei grossen Bauprojekten gemeinsam zu offerieren, weil das Los für eine einzelne Firma viel zu gross wäre. Das führt zu mehr Wettbewerb, weil so nicht nur Konzerne um diese Aufträge buhlen.

Die Weko muss also unterscheiden zwischen Absprachen, die zulässig sind, und solchen, die sie zu unterbinden und zu bestrafen hat.

Als besonders verdächtig gelten sogenannt harte Absprachen: Das ist etwa der Fall, wenn Konkurrenten die Preise und Mengen absprechen oder den Markt untereinander aufteilen. Dazu kommen gewisse Arrangements von Produzenten und Händlern.

Doch auch bei harten Absprachen sollte die Weko berücksichtigen, ob die betroffenen Firmen überhaupt einen spürbaren Einfluss auf den Gesamtmarkt haben. Dazu schaut man sich ihre Marktanteile an.

Schreibt eine Kleinbrauerei als Produzent einem Bioladen als Händler einen Preis für sein Bier vor, ist das nicht dasselbe, wie wenn sich Heineken und Carlsberg über die Preise absprechen.

Der Bundesgerichtsentscheid von 2016 führte dazu, dass die Weko keine Analyse mehr machen muss, um «harte» Absprachen von kleinen Firmen auf Bagatellfälle zu prüfen. Das soll sich mit dem Vorschlag des Bundesrates nun richtigerweise wieder ändern.

Das Bierkartell kommt nicht zurück

Denn nur weil «harte» Abreden in der Regel keine Bagatellen sind, heisst das noch lange nicht, dass das immer so ist. Deshalb braucht es zum Schutz der typischerweise kleinen Firmen stets eine Einzelfallprüfung.

Für Unternehmen ist eine Weko-Busse ein schwerwiegender Eingriff des Staates in ihre Wirtschaftsfreiheit. Die Weko muss diesen Zusatzaufwand auf sich nehmen und mit einer quantitativen Analyse zeigen, dass sie sich nicht um Kleinigkeiten kümmert.

Dies führt auch nicht dazu, dass das Bierkartell-Zeitalter zurückkommt, wie Kritiker glauben. Denn das war ja klar keine Bagatelle.

Ferner beteuern Vertreter der Weko, dass sie sowieso keine Ressourcen für Bagatellfälle haben. Das ist zwar plausibel. Doch Firmen mögen sich kaum nur auf Beteuerungen von Behörden abstützen.

Ein weiteres Argument lautet schliesslich, dass Unternehmen auch erhebliche Absprachen im Einzelfall begründen und damit wegkommen könnten. Das ist aber eine Verschiebung der Beweislast zuungunsten der Firmen. Derartige Ausführungen sollten für Firmen nur nötig werden, wenn vorher die Weko ihre Arbeit vollständig gemacht hat.

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