Die berühmteste Strasse der Schweiz feiert sich selbst – mit einem Sonntagsbraten für 1000 Gäste an einem 500 Meter langen Tisch Anlässlich ihres 70-jährigen Bestehens lädt die Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse Mitte August zum grossen Sommerfest. Lindenbäume spielen dabei eine besondere Rolle.

Anlässlich ihres 70-jährigen Bestehens lädt die Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse Mitte August zum grossen Sommerfest. Lindenbäume spielen dabei eine besondere Rolle.

In den 1960er Jahren war die Bahnhofstrasse bereits eine der exklusivsten Adressen der Welt. (Foto: Comet Photo / Bildarchiv ETH-Bibliothek Zürich)

Ein solches Fest gab es noch nie. Am Sonntag, 17. August, feiert die Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse ihr 70-jähriges Bestehen – und das auf aussergewöhnliche Art. Die berühmteste Strasse der Schweiz wird an jenem Tag für den Verkehr gesperrt, kein Tramquietschen wird zu hören sein. Stattdessen wird der Abschnitt zwischen Parade- und Herkulesplatz zu einer Festzone.

Um 13 Uhr gibt es stilecht einen Apéro auf dem Paradeplatz, dann bis 22 Uhr Essen, Getränke und Live-Musik für jedermann entlang der Strasse. Für tausend Gäste, die sich das nötige Ticket besorgen, haben sich die Organisatoren etwas ganz Spezielles einfallen lassen: An einem 500 Meter langen Tisch, unter freiem Himmel, mitten auf der Strasse, servieren sie am frühen Nachmittag einen Sonntagsbraten, dazu Vorspeise und Dessert. Die Speisen werden von umliegenden Hotels zubereitet, etwa vom «Baur au Lac» oder «Carlton».

Bekannt für die Weihnachtsbeleuchtung

Die Bahnhofstrasse-Vereinigung wurde vor 70 Jahren gegründet. In den 1950er Jahren, zu einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs, entstanden an der Strasse zahlreiche Unternehmen, die um die zunehmend kaufkräftige Kundschaft buhlten. Hermann Sprüngli von der gleichnamigen Traditionskonditorei hatte die Idee, die Firmen besser zu vernetzen. So taten sich am 27. Oktober 1955 mehrere Geschäfte zusammen, die bis heute existieren: Grieder (heute: Bongénie), PKZ, Beyer, Meister, Och Sport und viele mehr.

Heute ist die Vereinigung vor allem für eines bekannt: für die Weihnachtsbeleuchtung in der Adventszeit. 1971 wurde diese erstmals installiert und durchlief seither einige Evolutionen. Die heutige Beleuchtung («Lucy») gibt es seit nunmehr 15 Jahren und ist vollständig durch die Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse finanziert.

Das 70-Jahre-Jubiläum sieht die Gruppe als «Moment des Rück- und Ausblicks», wie sie in einer Mitteilung schreibt. Auch künftig wolle man sich einsetzen für die Stadt Zürich, für die Menschen, die hier lebten, und «für ein lebendiges Zentrum, das Tradition und Zukunft einbezieht und mitgestaltet».

Charakteristische Lindenbäume

Älter als die Vereinigung ist die Bahnhofstrasse selber. Mit dem Bau wurde 1863 begonnen. Er erfolgte im Zuge der städtebaulichen Entwicklung nach der Eröffnung des Hauptbahnhofs 1847. Das Ziel war eine direkte Verbindung bis zum See. Dafür wurden der alte Fröschengraben aufgeschüttet und das mittelalterliche Bollwerk am Rennweg abgerissen.

Besonderes Augenmerk schenkten die Planer der Bepflanzung links und rechts der Strasse. Dazu zogen sie den Gärtner Theodor Froebel als städtischen Baumexperten hinzu. Die Landschaftsarchitektin Claudia Moll Simon hat sich in ihrer Dissertation mit der Episode beschäftigt. Froebel soll ursprünglich eine Baumreihe vorgeschlagen haben, bei der sich Linden- und Kastanienbäume abwechseln. Er befürchtete, dass der Geruch aller gleichzeitig blühenden Linden zu stark wäre.

Doch so weit kam es nicht. Nach Beratungen mit dem Stadtingenieur Arnold Bürkli einigte man sich auf alternierend gepflanzte Sommer- und Silberlinden. Der Vorschlag wurde 1866 umgesetzt, die Baumkronen anfangs mit hölzernen «Baumkörben» gesichert.

Heute ist die Bahnhofstrasse ohne Lindenbäume nicht mehr vorstellbar. Am Sommerfest im August werden sie ebenfalls eine spezielle Rolle spielen. Alle tausend Gäste werden eine junge Linde als Geschenk erhalten. Grün Stadt Zürich hat die Bäumchen extra herangezogen. Seit Jahrzehnten prägen sie das Bild der Bahnhofstrasse, künftig sollen sie bei den Festbesuchern einen Platz finden.

Für die Sperrung der Bahnhofstrasse haben die Organisatoren alle nötigen Bewilligungen der Stadt erhalten. Nun kann ihnen nur noch etwas einen Strich durch die Rechnung machen: das Wetter. Der Anlass kann nämlich nur bei trockener Witterung stattfinden.

Daniel Fritzsche, «Neue Zürcher Zeitung»

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