Umkämpfter Detailhandel: Gemüsebauern werfen Coop Preisdrückerei vor und erstatten Anzeige bei der Weko Die Gemüseproduzenten sehen sich als Leidtragende des verschärften Preiswettbewerbs im Schweizer Detailhandel. Nun wurde bei der Wettbewerbskommission eine Anzeige gegen Coop eingereicht.

Die Gemüseproduzenten sehen sich als Leidtragende des verschärften Preiswettbewerbs im Schweizer Detailhandel. Nun wurde bei der Wettbewerbskommission eine Anzeige gegen Coop eingereicht.

Das Gemüse bei Coop soll nicht nur frisch und preiswert sein, sondern auch den Bauern ein anständiges Einkommen garantieren. (Foto: nrd auf Unsplash)

Der Preiswettbewerb im Schweizer Detailhandel hat sich in den vergangenen Monaten spürbar verschärft. Neben den Discountern Aldi, Lidl und Denner wirbt nun auch die Migros mit auffälligen gelben «Tiefpreis»-Schildern. Und selbst an Coop, wo mit der Billiglinie «Prix Garantie» um kostenbewusste Kunden geworben wird, geht der Preiskampf nicht spurlos vorbei.

Die grossen Detailhändler betonen, dass die Preissenkungen nicht zulasten der Bauern gehen und sie die Einbussen bei den Margen selbst tragen würden. Bei den Produzenten herrscht jedoch eine andere Wahrnehmung. «Der Preiskampf hat sich in den vergangenen Monaten spürbar zugespitzt», sagt Markus Waber, stellvertretender Direktor des Verbands Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP). «Die wöchentlichen Preisverhandlungen sind härter geworden.»

Stefan Flückiger, Präsident des Vereins Faire Märkte Schweiz (FMS), bestätigt diese Einschätzung. Er kritisiert zudem, dass die Detailhändler auch indirekt versuchten, die Einkaufspreise weiter zu drücken. So wolle zum Beispiel Coop mit einem neuen Bestellsystem von selbstdeklarierten Effizienzgewinnen profitieren. In diesem Zusammenhang hat der Verein nun bei der Wettbewerbskommission (Weko) eine Anzeige gegen Coop eingereicht, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete.

Eine Preisreduktion von drei Prozent wird gefordert

Der Vorwurf: Coop missbrauche seine Marktmacht gegenüber Gemüse- und Früchteproduzenten, indem das Unternehmen ab Januar 2026 einen sogenannten «Bonus» von drei Prozent auf den fakturierten Rechnungswert verlange. «Das Wort ‹Bonus› ist in diesem Zusammenhang aber komplett falsch», sagt Flückiger. Tatsächlich handle es sich um eine Rückvergütung, die den Produzenten am Jahresende vom Umsatz abgezogen werde.

Mehrere Gemüse-, Obst- und Beerenproduzenten meldeten sich im April 2025 bei der Meldestelle des FMS, weil sie sich vor einem Einnahmerückgang fürchteten. Flückiger berichtet: «Viele sind verärgert, weil sie vermuten, dass dies eine Antwort auf die Tiefpreisstrategie der Migros ist und Coop die tieferen Verkaufspreise mit dieser De-facto-Preisreduktion kompensieren will.» Einige Produzenten hätten der Erlösreduktion zähneknirschend zugestimmt, andere suchten das Gespräch mit Coop.

Das zentrale Problem für die Hersteller: Ein Wechsel zu einem anderen Abnehmer ist oft nicht ohne weiteres möglich, da viele Betriebe in Verpackung, Logistik und IT auf Coop ausgerichtet sind. «Eine kurzfristige – oder überhaupt jede – Unterbrechung der Geschäftsbeziehung zu Coop würde erhebliche Umsatzeinbussen nach sich ziehen», heisst es in der Weko-Anzeige, die der NZZ vorliegt. Der Verein ist deshalb der Ansicht, Coop missbrauche mit dieser Forderung seine relative Marktmacht.

Coop begründet Massnahme mit «Mehrwert» für Produzenten

Coop weist den Vorwurf der Preisdrückerei zurück. Die Medienstelle schreibt: «Coop bezahlt faire und marktkonforme Preise, die über die Branchenorganisationen festgelegt werden.» Insbesondere setze Coop auf Mehrwertprogramme wie IP Suisse oder die Knospe von Bio Suisse. Produzenten, die an solchen Programmen teilnähmen, würden mit höheren Preisen entschädigt. Für «konventionelle Produkte» halte sich Coop an die in der Branche festgelegten Richtpreise.

Den geforderten «Bonus» von drei Prozent auf den fakturierten Rechnungswert begründet Coop mit einem neuen Bestell- und Logistikprozess, der den Produzenten «einen deutlichen Mehrwert» biete. «Im Rahmen unserer neuen bedarfsgerechten Bestellung erhalten die Produzenten die definitiven Bestellungen früher, verfügen somit über mehr Planungssicherheit und gewinnen an Effizienz, die auch für die Lieferanten mit Kostenvorteilen verbunden sind», so ein Sprecher.

Durch den früheren Eingang der Bestellungen seien zum Beispiel weniger Zwischenlagerungen notwendig, und das Zeitfenster für die Belieferung der Coop-Verteilzentralen verlängere sich. «Dies ermöglicht es den Produzenten, den Warentransport an verkehrsgünstigen Zeiten auszurichten.»

Einen Zusammenhang mit dem verschärften Preiskampf im Detailhandel bestreitet Coop. Gleichzeitig betont das Unternehmen, man optimiere Prozesse kontinuierlich in einem «äusserst kompetitiven Umfeld», stets im Sinne einer «partnerschaftlichen Zusammenarbeit». Man stehe in direktem Kontakt mit den Produzenten und führe konstruktive Gespräche.

Die Erfolgschancen der Anzeige sind unklar

Ob die Anzeige des FMS bei der Weko Erfolg haben wird, ist offen. Die Wettbewerbsbehörde äussert sich zum konkreten Fall nicht. Dass Coop im Bereich von Obst und Gemüse generell eine marktbeherrschende Stellung hat, erscheint aufgrund früherer Weko-Untersuchungen jedoch unwahrscheinlich. Erst ein Marktanteil von 50 Prozent gilt als Indiz für eine marktbeherrschende Stellung.

Mehr Chancen könnte der Vorwurf des Missbrauchs einer «relativen Marktmacht» gegenüber einzelnen Unternehmen haben. Dieser Tatbestand wurde 2022 ins neue Kartellgesetz aufgenommen und von der Weko Ende 2024 erstmals festgestellt.

Damals ging es um die französische Verlagsgruppe Madrigall und die Schweizer Buchhandelskette Payot. Payot wollte Bücher direkt aus Frankreich zu den dort üblichen Konditionen beziehen, doch Madrigall verlangte von Payot deutlich höhere Einkaufspreise als von französischen Buchhändlern. Nach zweijähriger Untersuchung kam die Weko zu dem Schluss, dass Madrigall gegenüber Payot über eine relative Marktmacht verfüge und diese missbraucht habe.

Ob die Weko bei Coop und den Gemüseproduzenten zu dem gleichen Schluss kommt, ist jedoch völlig offen. Die Ausgangslage ist kaum vergleichbar.

Thomas Schlittler, «Neue Zürcher Zeitung»

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