Am Anfang fand er, Parfum sei nur etwas für Frauen. Jetzt gebietet der Zürcher Unternehmer Silvio Denz über ein Luxusimperium Parfum, Wein und jetzt auch noch Seide: Silvio Denz investiert in alles, was Luxus ist. Entsteht hier ein Gemischtwarenladen? Oder verfolgt Denz einen grösseren Plan?

Parfum, Wein und jetzt auch noch Seide: Silvio Denz investiert in alles, was Luxus ist. Entsteht hier ein Gemischtwarenladen? Oder verfolgt Denz einen grösseren Plan?

 

«Eigentlich wollte ich lieber in den Devisenhandel als Parfum verkaufen.» Silvio Denz hat aus der einst angestaubten Marke Lalique ein Luxusimperium geschaffen. Bild: Lalique Group

Die Kristallvasen auf dem Tisch reflektieren das spärlich hereinfallende Herbstlicht in den ganzen Raum. Skulpturen in der Farbe Fuchsia Sky, goldene Ginkgo-Blätter-Ohrringe und Parfumflakons mit Schwalbensujets stehen in der Lalique-Boutique an der Zürcher Talstrasse, und mittendrin Silvio Denz.

Den 66-Jährigen kennt man in der Schweiz kaum, obwohl er mit einem geschätzten Vermögen von 375 Millionen Franken laut der «Bilanz» zu den 300 reichsten Schweizern zählt. Damit liegt er sogar noch einen Rang vor dem Ex-Novartis-Chef Daniel Vasella.

Nun sitzt er an einem grossen, schwarz lackierten Tisch in der Lalique-Boutique. Er erzählt über das angeschlagene Unternehmen, das er im Jahr 2008 gekauft hat. Im Gegensatz zu den vielen Exzentrikern, die sich in der Luxusgüterbranche tummeln, spricht Denz mit ruhiger, monotoner Stimme. Den Blickkontakt meidet er. In seinen Erzählungen schwingt, wie auch in seinen Läden, ein Hauch von Kitsch mit. «Es fasziniert mich, in alte Epochen zurückzugehen, denn ohne Vergangenheit gibt es keine Zukunft», erklärt er, «die Vergangenheit ist wie die Wurzel eines Baumes, die für die Früchte der Zukunft sorgt.»

Lalique-Boutique in Zürich. Bild: Lalique Group

Urvater des Unternehmens ist der französische Glaskünstler René Lalique (1860–1945). Denz hat dessen Werdegang während Jahren studiert und seine Vision weiterentwickelt. Lalique war zuerst Juwelier und hat dann begonnen, Parfumflakons aus Glas nach dem Vorbild von Schmuckschatullen zu fertigen, die dann der Parfümeur François Coty mit seinen Düften befüllte. Später hat er Innendekorationsgegenstände entworfen und Privathäuser, Kirchen und sogar den Orientexpress ausgestattet. Als Inspirationsquelle hätten René Lalique stets «die drei F» gedient, erzählt Denz: Frauen, Fauna, Flora.

Milliardäre als Geschäftspartner

Heute investiert auch Silvio Denz in alles, was Luxus ist. Erst diesen Herbst hat er angekündigt, die Zürcher Seidenmarke Fabric Frontline von «Seidenkönig» Andi Stutz zu übernehmen. Denz besitzt auch fünf Weingüter, vier davon in Frankreich. In den Villen auf den Grundstücken hat er Sternerestaurants und Boutique-Hotels eröffnet.

Denz bewegt sich in illustren Kreisen. Bei Neuakquisitionen hat er verschiedentlich mit bekannten Unternehmern zusammengespannt: Im Jahr 2019 erwarb er zusammen mit dem Schweizer Milliardär Hansjörg Wyss eine Whisky-Destillerie mit Gästehaus in Schottland. Und in diesem Jahr hat er gemeinsam mit dem Stadler-Rail-Chef Peter Spuhler das historische Hotel Florhof in Zürich gekauft.

Château Faugères bei Saint-Émilion. Bild: Lalique Group

Handel mit Devisen und Parfum

Denz ist im Fricktal aufgewachsen, umgeben von Wäldern und Feldern, wie er erzählt. Vater und Onkel führten zusammen einen Parfumgrosshandel, was ihn kaum interessierte. Zahlen und Finanzen waren seine Welt. Daher absolvierte er nach dem Schulabschluss eine Banklehre. Danach ging er nach Lausanne und arbeitete als Devisenhändler. Die Hektik auf dem Trading-Floor gefiel ihm. 1979 zog es ihn in den Mittleren Westen der USA. Bei der Brauerei Miller in Milwaukee erlernte er das Marketinghandwerk und entdeckte den American Way of Life. Das liberale System der USA prägte ihn.

Zurück in der Schweiz, wurde Silvio Denz jäh aus den Wolken der Freiheit katapultiert, als ihn sein Vater bat, in den familiären Parfumgrosshandel einzusteigen. «Anfangs war ich nicht begeistert. Ich fand, Parfum sei nur etwas für Frauen», sagt Denz.

Doch der Vater hatte in das Unternehmen viel Geld investiert und wollte, dass es jemand aus der Familie weiterführte. Denz willigte schliesslich ein. Was als Pflichtübung begann, bereitete ihm schnell Spass. Denn auch hier konnte er seiner bevorzugten Beschäftigung, dem Handel, nachkommen. Nur waren es Düfte anstelle von Devisen.

Gemeinsam mit seinem Onkel baute er das Vertriebsnetz aus und eröffnete in den 1980er Jahren in der ganzen Schweiz Parfümerie-Filialen. Die Gebiete teilten sie untereinander auf. Während der Onkel in der Deutschschweiz die Import-Parfümerie führte, baute Silvio Denz in der Westschweiz Alrodo auf. Auch privat war es eine ereignisreiche Zeit. Denz heiratete, und im Jahr 1988 wurde Sohn Claudio geboren.

Nach dem Tod seines Onkels übernahm Coop die Import-Parfümerie im Jahr 1994. Die französische Kette Marionnaud hatte derweil Alrodo ins Auge gefasst und machte Denz im Jahr 2000 schliesslich ein Angebot, das er nicht ausschlagen konnte. Silvio Denz tat sich mit dem Verkauf von Alrodo schwer: «Das Unternehmen mit seinen 800 Mitarbeitenden war mein Baby. Wir waren eine grosse Familie, und beim Abschied gab es viele Tränen.» Laut Schätzungen verdiente Denz mit dem Verkauf rund 150 Millionen Franken.

Mit seinen französischen Angestellten ist Silvio Denz per Sie

Was tun mit dem vielen Geld? Irgendwo auf einer Jacht oder beim Golfen dem eigenen Reichtum frönen, würde nicht zu Denz’ Naturell passen, sagen Leute, die ihn kennen. Er sei immer unterwegs, immer online und habe ständig neue Geschäftsideen – manchmal fast zu viele. Er habe hohe Ansprüche, an sich und sein Umfeld. So kam es, dass Silvio Denz am Valentinstag im Jahr 2008 Lalique erwarb.

Damals war vom einstigen Glamour des Traditionsunternehmens nicht mehr viel übrig. Denz’ Start gestaltete sich schwierig. Die zu Lalique gehörende Kristallfabrik im elsässischen Wingen-sur-Moder war nicht mehr rentabel. Auch musste Denz lernen, dass in Frankreich ein anderes Führungsverständnis vorherrscht als in der Schweiz.

«In Frankreich wollen sie einen Patron. Die Gepflogenheiten in den Firmen sind viel hierarchischer als in der Schweiz.» Ausser mit den engsten Mitarbeitenden aus der Geschäftsführung sei er mit den Leuten bis heute per Sie. In Frankreich sei das weitgehend üblich, das müsse respektiert werden.

Denz hat das Unternehmen innert kürzester Zeit saniert. Um die Qualität der Produkte zu erhöhen, reduzierte er die Produktionsmenge auf maximal 400 000 Stück pro Jahr. Um Kosten zu sparen, holte er zudem die Logistik von Paris zurück nach Wingen-sur-Moder.

Neben der Kristallfabrik war auch die Villa von René Lalique im Kaufpreis inbegriffen. Denz grübelte darüber nach, was er mit der alten, abgelegenen Liegenschaft machen soll. Da kam ihm die zündende Idee: ein Boutique-Hotel mit Sterneküche. Selbstverständlich mit Lalique-Möbeln, -Vasen, -Lampen und -Gläsern ausgestattet.

Das Konzept war ein voller Erfolg. Denz entschied sich, das gleiche Geschäftsmodell auf seine Weingüter auszuweiten. Damit diversifizierte er sein Produktportfolio.

Gemischtwarenladen mit gutem Storytelling

Bei einem so breiten Produktportfolio fragt man sich, ob es sich bei Denz’ Unternehmen um einen Gemischtwarenladen handelt. Denn in Denz’ Universum gibt es alles zu kaufen, von der 25 000 Franken teuren Vase bis zu den Modeschmuck-Ohrringen für 150 Franken.

Branchenkenner, die Silvio Denz’ Aktivitäten schon seit längerem beobachten, widersprechen vehement. Egal ob Kunst, Schmuck, Parfum, Hotellerie, Gastronomie, Weinhandel oder Seide – bei Denz füge sich alles ineinander: Luxus zum Erleben in Hotels und zum Einkaufen in den Boutiquen für kleine und grosse Budgets.

Und weil sich alles so gut ineinanderfügt, könnte man meinen, er habe seit dem Kauf der ersten Weingüter in den nuller Jahren alles minuziös geplant. «Mitnichten», sagt Denz. «Ich sehe das Leben als kurvenreiche Strasse. Unternehmertum ist für mich etwas Kreatives. Da sollte man nicht alles vorausplanen. Denn die Kurven des Lebens sind die besten Inspirations- und Erfahrungsquellen.»

Bodenständigkeit und Tradition

Silvio Denz sieht sportlich aus und jünger, als er ist. Ist er ein Lebemann, wie der Unternehmensgründer René Lalique? «Ich bin den schönen Seiten des Lebens nicht abgeneigt», antwortet er, ohne eine Miene zu verziehen. Für ihn als Inhaber mehrerer Weingüter und Restaurants gehören regelmässige Weinverkostungen und gutes Essen zum Tagesgeschäft. Damit sich das auf der Waage nicht bemerkbar macht, treibt er täglich um sechs Uhr morgens Sport. Ein disziplinierter Bonvivant eben.

Die Familie ist eng in den Betrieb eingebunden. Der 34-jährige Sohn Claudio führt das Liegenschaftenportfolio und sitzt seit dem Jahr 2011 im Verwaltungsrat der Lalique Group. Die Weinhandlung führt er zusammen mit seiner Frau Florentina. Als Nächstes wollen Vater und Sohn gemeinsam die Integration des jüngst akquirierten Seidenlabels Fabric Frontline vorantreiben. Details dazu möchte Denz noch nicht verraten. Er lässt aber durchblicken, dass sein Sohn und er beim künftigen Markenauftritt einen intensiven und kreativen Austausch haben.

Auch wenn er stolz darauf sei, dass sich sein Sohn für Lalique interessiere, habe er von ihm nie erwartet, dass er in seine Fussstapfen trete, so wie es sein Vater von ihm verlangt habe. «Ich finde es wichtig, dass Claudio auch seine eigenen Projekte und Visionen umsetzt.»

Isabelle Wachter, «Neue Zürcher Zeitung»

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