Bei der Post kennt man seinen Lohn neu schon vor dem ersten Vorstellungsgespräch Bei der Post wird das Gehalt für GAV-Stellen ab sofort bereits im Stelleninserat ausgewiesen. Das soll für mehr Effizienz beim Rekrutierungsprozess sorgen.

Bei der Post wird das Gehalt für GAV-Stellen ab sofort bereits im Stelleninserat ausgewiesen. Das soll für mehr Effizienz beim Rekrutierungsprozess sorgen.

 

Wer bei der Post eine Stelle sucht, wird neu transparent über den möglichen Lohn informiert. Bild: Karin Hofer / NZZ

Wer sich bei der Post für eine Stelle interessiert, sieht in den Job-Inseraten neu neben Informationen zur Tätigkeit und zum Anforderungsprofil auch, welcher Lohn zu erwarten ist. Wer sich zum Beispiel um die offene Stelle als Paketzustellerin in Burgdorf bewirbt, weiss schon vor dem ersten Gespräch, dass bei einem 100-Prozent-Pensum ein Einstiegslohn von jährlich zwischen 55 400 und 65 400 Franken brutto winkt.

Die Angabe diene als Orientierungshilfe, schreibt die Post in einer Mitteilung. Der genaue Lohn hänge von verschiedenen Faktoren ab, etwa der Qualifikation, der Erfahrung oder der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Die auf den 1. Juni eingeführte Neuerung gilt für alle Stellen, die dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Post unterstehen. Das sind laut dem Unternehmen jährlich etwa 2500 Stellen.

Erprobt wurde das transparente Ausweisen des Lohnes in einem Pilotprojekt. Zwischen Dezember 2021 und April 2022 wurde das System in der Ostschweiz für Stellen in der Zustellung getestet. Dass die Massnahme nun für die gesamte Post gelte, sei von den Mitarbeitern bislang gut aufgenommen worden, sagte der Mediensprecher Erich Goetschi der NZZ.

Exakter Lohn bleibt Privatsache

Dass aufgrund der Lohnspanne in den Stelleninseraten ein Ungleichgewicht zwischen neuen eingestellten und bisherigen Mitarbeitern entstehen könnte, glaubt man bei der Post nicht. «Die Lohnbänder sind im GAV der Post definiert und einsehbar», sagt Goetschi. «Es war auch bisher keine Blackbox.» Der exakte, individuelle Lohn sei jedoch Privatsache, und es liege im Ermessen der Mitarbeiter, darüber zu reden.

Durch die Neuerung will die Post vor allem den Rekrutierungsprozess effizienter gestalten. Wenn der mögliche Lohn von Anfang an bekannt sei, mache das den Prozess für beide Seiten klarer und effizienter, so die Post. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand im letzten Moment wegen einer falschen Lohnvorstellung abspringe, sinke.

Die Post hofft weiter, dank der Massnahme auch als attraktive Arbeitgeberin wahrgenommen zu werden. Gerade bei jüngeren Arbeitnehmern könnten Unternehmen mit Transparenz bei Lohnfragen punkten. Im angelsächsischen Raum ist es schon seit einiger Zeit üblich, das Gehalt in Stelleninseraten anzugeben.

Laut der Post sorgt das transparente Ausweisen von Löhnen auch für mehr Lohn- und Chancengleichheit. «So hängt der Lohn nicht vom Verhandlungsgeschick der Stellensuchenden ab. Vielmehr wird er nach Kriterien festgelegt, die für alle fair und nachvollziehbar sind», wird Valérie Schelker, Leiterin Personal und Mitglied der Konzernleitung, in der Mitteilung zitiert.

Evaluation bis Frühling 2024

Die Massnahme sei ein «wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einem transparenten Lohnsystem». Sie ist auch im GAV verankert, den die Post per 2021 mit ihren Sozialpartnern eingeführt hat. Diesem sind insgesamt 27 000 Mitarbeiter unterstellt.

«Die Umsetzung der Massnahme für die jährlich 2500 ausgeschriebenen Stellen ist ein administrativer Kraftakt», sagt der Post-Sprecher Erich Goetschi. Es gehe nun darum, Erfahrungen zu sammeln. Konkrete Pläne, die Lohntransparenz weiter auszuweiten, gebe es derzeit nicht. Eine mögliche Weiterführung, zum Beispiel für Kaderstellen oder andere Gesellschaften im Konzern, werde laut Goetschi geprüft, sobald erste Erfahrungswerte aus der nun eingeführten Lohntransparenz bei GAV-Stelleninseraten vorliegen. Bis zum Frühling 2024 soll dies der Fall sein.

Philipp Gollmer, «Neue Zürcher Zeitung»

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