Die Bundesverwaltung überzahlt ihre Mitarbeiter im Schnitt um 12 Prozent Eine neue Lohnstudie zeigt: Auch die Kantone und Gemeinden bezahlen ihre Angestellten bei vergleichbarer Qualifikation in der Regel besser als die Privatwirtschaft. Besonders ausgeprägt ist die Lohnprämie beim Bund für weniger gut Qualifizierte und für Ältere.

Eine neue Lohnstudie zeigt: Auch die Kantone und Gemeinden bezahlen ihre Angestellten bei vergleichbarer Qualifikation in der Regel besser als die Privatwirtschaft. Besonders ausgeprägt ist die Lohnprämie beim Bund für weniger gut Qualifizierte und für Ältere.

 

Verwaltungsangestellte haben im Bund einen sehr grosszügigen und sozialen Arbeitgeber. Bild: unsplash

Eine sichere Stelle in der öffentlichen Verwaltung, dafür weniger herausfordernd und etwas schlechter bezahlt als in der Privatwirtschaft: Die Lohnentwicklung der vergangenen Jahre hat dieses Bild offenbar zum überholten Klischee werden lassen. Das zeigt jedenfalls eindrücklich eine neue, am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) der Universität Luzern von Marco Portmann, Christoph Schaltegger und Frederik Blümel verfasste Studie.

Die drei haben umfassende Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (Sake) ausgewertet zum in den Jahren 2007 bis 2019 auf eine Vollzeitanstellung umgerechneten Bruttoerwerbseinkommen in der Schweiz. Sie konnten dabei nebst Alter, Geschlecht und Anstellungsmerkmalen der Beschäftigten auch Ausbildung, berufliche Stellung, Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie sektorielle und regionale Unterschiede über die Zeit berücksichtigen.

 

Das ist wichtig. Denn wenn man nur den reinen Unterschied zwischen dem Durchschnittslohn im Privatsektor und demjenigen in der öffentlichen Verwaltung (ohne Bundesbetriebe, Schulen usw.) betrachtet, so ist er mit 39,3 Prozent beim Bund enorm hoch (vgl. Grafik). Doch über alles gesehen ist die durchschnittliche Qualifikation und Erfahrung im öffentlichen Dienst höher als in der Privatwirtschaft. Das erklärt rund drei Viertel bis zwei Drittel der Differenz.

Vor allem beim Bund verbleibt aber eine verblüffende Lohnprämie: Gleich qualifizierte und erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ähnlicher Verantwortung werden in der Bundesverwaltung im Durchschnitt um 11,6 Prozent besser bezahlt als in der Privatwirtschaft. Bei den Kantonen sind es noch 4,3 und in den Gemeinden 3,4 Prozent.

Auf Kosten der Steuerzahler und der Privatwirtschaft

Ist das problematisch? Der Wohlstand einer Gesellschaft wird primär vom privaten Sektor erwirtschaftet. Je produktiver die Privatwirtschaft ist, umso höhere Löhne können bezahlt werden. Die Verwaltung sollte über eine effiziente Regulierung für gute Rahmenbedingungen sorgen. Sie administriert, verteilt um und sorgt sich um sozial Schwächere.

Während die Löhne in der Privatwirtschaft vom Wettbewerb bestimmt werden, kann die Verwaltung ihre Lohnkosten weitgehend auf den Steuerzahler überwälzen. Lokal gesehen haben Verwaltungen eine monopolähnliche Stellung. Die Steuerzahler sollten deswegen darauf vertrauen können, dass die Entschädigung in der Verwaltung dem von der Privatwirtschaft erarbeiteten Lohnniveau entspricht und sich Verwaltung und Politik nicht überhöhte Löhne zuschanzen. Werden Angestellte in der Verwaltung überzahlt, so kostet das die Allgemeinheit nicht nur zu viel, es setzt auch falsche Anreize, indem es individuell attraktiver wird, zum Staat statt in die Privatwirtschaft zu gehen.

So gesehen deutet die neue Studie auf ein echtes Problem vor allem beim Bund hin. Dieses zeigt sich auch darin, dass die durchschnittlichen Bruttoeinkommen seit dem Zeitraum 2007 bis 2009 (um Schwankungen zu glätten, rechnen die Autoren in Dreijahreszeiträumen) in der Bundesverwaltung mit 8 Prozent deutlich stärker gestiegen sind als bei den privaten Unternehmen (knapp 4 Prozent). Kantone und Gemeinden erhöhten die auf eine 100-Prozent-Anstellung gerechnete Durchschnittsentschädigung ihrer Angestellten hingegen laut den Sake-Daten nicht mehr.

Höchste Lohnprämien im Tieflohnbereich, für Ältere und für Teilzeitangestellte

Die nun vorgestellte differenzierte Auswertung der Lohndaten erlaubt Erkenntnisse, die über die Durchschnittsbetrachtung hinausgehen. Wenn man «statistische Zwillinge» mit gleichen Merkmalen vergleicht, zeigt sich, dass die öffentliche Verwaltung – wiederum besonders ausgeprägt beim Bund – vor allem im tieferen und mittleren Lohnbereich deutlich besser bezahlt wird, als es der private Sektor vermag. Im untersten Viertel der Lohnskala schätzt die Studie die Lohnprämie des Bundes auf stattliche 14 bis 16 Prozent.

Doch selbst bei den in der Bundesverwaltung am besten verdienenden 5 Prozent ist die Lohnprämie mit 6 Prozent überraschenderweise immer noch positiv (wobei hier die beschränkte Grösse der Beobachtungen für ein relativ grosses Vertrauensintervall sorgt). Noch zur Jahrtausendwende hatte eine ähnliche Studie die landläufige Vermutung bestätigt, wonach die öffentliche Verwaltung einfachere Tätigkeiten überzahlt, aber bei den hohen Löhnen nicht mithalten kann. Das hat sich offenbar inzwischen geändert und gilt nur noch für wirkliche Spitzenlöhne, wie sie in der Privatwirtschaft etwa für CEO und Geschäftsleitungsmitglieder bezahlt werden.

Beim Bund ist die Lohnprämie für Mitarbeiter mit nichtakademischen Berufen höher als jene für Mitarbeiter mit akademischen und besonders ausgeprägt für diejenigen in Teilzeitanstellungen. Beim Viertel der tiefsten Löhne wird diese Überzahlung für Teilzeitangestellte auf mehr als 20 Prozent geschätzt. Angestellte mit Kindern werden zudem beim Bund vor allem im mittleren Lohnbereich grosszügiger entgolten als solche ohne und als in der Privatwirtschaft. Hingegen zeigen sich kaum statistisch signifikante Unterschiede zwischen Frauen und Männern.

Nach Alter und Betriebszugehörigkeit betrachtet zeigt sich, dass die Einstiegslöhne in der Verwaltung für jüngere Angestellte sehr ähnlich sind wie in der Privatwirtschaft. Die Lohnprämie in der Verwaltung nimmt jedoch mit zunehmendem Alter und der Dauer der Anstellung zu; bei tieferen Löhnen wiederum deutlich ausgeprägter als bei hohen. Hier zeigt sich wohl, dass die mehr oder minder automatische Hochstufung in den starren Lohnskalen der Verwaltung zu den problematischsten Kostentreibern gehört.

Insgesamt zeichnet die Entlöhnung in der Verwaltung somit das Bild eines vor allem beim Bund ausgesprochen generösen und sozialen Arbeitgebers. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass Mitarbeiter mit sozialer und pädagogischer Ausbildung in den höheren Verwaltungsebenen vergleichsweise übervertreten sind. Fraglich ist hingegen, ob die augenscheinliche Überzahlung von Verwaltungstätigkeiten auch dem Willen der Wähler und Steuerzahler entspricht.

Peter A. Fischer, «Neue Zürcher Zeitung»

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