Die Inflation in der Schweiz sinkt leicht – für Entwarnung gibt es aber keinen Grund Im März ist die Jahresinflation in der Schweiz von 3,4 auf 2,9 Prozent gesunken. Der Rückgang verdankt sich primär einem statistischen Effekt. Am Trend einer hohen Geldentwertung ändert sich wenig.

Im März ist die Jahresinflation in der Schweiz von 3,4 auf 2,9 Prozent gesunken. Der Rückgang verdankt sich primär einem statistischen Effekt. Am Trend einer hohen Geldentwertung ändert sich wenig.

 

Der Einfluss der Energiepreise verliert zwar an Gewicht bei der Inflation, dafür kommen immer mehr andere Preissteigerungen dazu. Bild: unsplash

Endlich ein paar gute Nachrichten von der Schweizer Inflationsfront: Zwar sind die Konsumentenpreise im März gegenüber dem Vormonat erneut gestiegen, und zwar um 0,2 Prozent. Zum Anstieg beigetragen haben vor allem höhere Preise für Flug- und Pauschalreisen sowie für neue Autos. Auch für Fruchtgemüse musste mehr bezahlt werden, dasselbe galt nach dem Winter-Ausverkauf für Bekleidung und Schuhe.

Vor allem ein statistischer Effekt

Für leichte Zuversicht sorgt aber, dass der Preisauftrieb gegenüber dem Vorjahr etwas nachgelassen hat. Mit dem Rückgang von 3,4 auf 2,9 Prozent liegt die Jahresinflation wieder – wie zuletzt im Dezember – unter 3 Prozent. Diese Marke war im Januar und Februar unerwartet deutlich überschritten worden. Die wichtigsten Gründe waren der Anstieg der administrierten Strompreise, die Verteuerung touristischer Angebote, die höheren Nahrungsmittelpreise und der Umstand, dass wohl manche Firma den Jahresbeginn für Preiserhöhungen nutzte.

Allzu stark gewichten sollte man den Rückgang der März-Inflation aber nicht, wenngleich er stärker als erwartet ausfällt. Die vermeintliche Erholung ist nämlich nicht zuletzt auf einen statistischen Basiseffekt zurückzuführen. So waren im März vergangenen Jahres die Preise für Treibstoffe, Heizöl und andere Energiegüter wegen des im Vormonat von Russland lancierten Ukraine-Kriegs sprunghaft gestiegen. Ein Jahr später ist dieser Effekt nun wieder aus der Statistik verschwunden.

Was zählt, ist Folgendes: Noch immer liegt die Teuerung in der Schweiz weit über dem Zielbereich zwischen null und zwei Prozent, den die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit Preisstabilität gleichsetzt. Kommt hinzu, dass sich das Inflationsproblem seit Jahresbeginn eher verschärft als entspannt hat. So hat auch die SNB bei ihrer Lagebeurteilung vom 23. März ihre Inflationsprognose gegenüber der Dezember-Schätzung erneut nach oben korrigiert.

Auch Inlandgüter zusehends teurer

Sorgen bereitet der SNB, dass Preiserhöhungen immer mehr Güter und Dienstleistungen erfassen. Die Inflation wird breiter und droht sich zu verfestigen, zumal Zweitrundeneffekte – also Preiserhöhungen wegen vorangegangener Kostensteigerungen – an Stärke gewinnen. Noch ist die Inflation zum grossen Teil auf höhere Importpreise zurückzuführen. Doch in wachsendem Mass klettert auch die Inflation der Inlandgüter; lag sie noch 2022 in jedem Monat unter 2 Prozent, beträgt sie nun 2,7 Prozent.

 

Eine hohe Inflation bei Inlandgütern ist für die SNB deshalb besonders problematisch, weil sie sich nicht ohne weiteres über eine Erstarkung des Frankens abfedern lässt. Zwar verfügt die SNB angesichts riesiger Devisenreserven über schier unbegrenzte Munition, um den Franken mittels Devisenverkäufen nominell erstarken zu lassen. Über solche Devisenmarktinterventionen dämpft sie aber primär die Teuerung importierter Waren und weniger den Preisauftrieb der im Inland hergestellten Güter.

Eine Entspannung des Inflationsproblems zeichnet sich nicht ab. Zwar rechnet die Konjunkturfor­schungsstelle der ETH (KOF) im weiteren Jahresverlauf mit einem leichten Rückgang der Inflation aufgrund des Auslaufens von Basiseffekten bei den Energiepreisen. Schon gegen Jahresende prognostiziert das KOF aber erneut ein Aufbäumen, weil sich dann die zu erwartende Anpassung des Referenzzinssatzes verstärkt in höheren Mietpreisen niederschlagen dürfte.

Kerninflation als Lichtblick

Die SNB erwartet keinen mietpreisbedingten Inflationsanstieg gegen Ende Jahr. Unter Annahme eines konstanten Leitzinses geht aber auch die Währungsbehörde davon aus, dass die Inflation gegen Ende des Prognosezeitraumes, also im Schlussquartal 2025, über der Limite von 2 Prozent liegen wird. Um dies zu verhindern, dürften sich im laufenden Jahr – und mit grosser Wahrscheinlichkeit bereits im Juni – weitere Zinserhöhungen aufdrängen.

 

Ein Lichtblick in den jüngsten Inflationszahlen ist, dass die Kerninflation erstmals seit dem vergangenen Oktober leicht gesunken ist, und zwar von 2,4 auf 2,2 Prozent. Bei der Kerninflation werden preislich stark schwankungsanfällige Güter wie etwa Energiegüter und Nahrungsmittel ausgeklammert. Sie gilt daher als aussagekräftigerer Indikator für die grundlegende Preisentwicklung als die Gesamtinflation, die oft von extremen Preisveränderungen einzelner Güter verzerrt wird.

Der leichte Rückgang der Kerninflation ändert aber wenig daran, dass der Trend auch in der Schweiz weiterhin auf eine hohe Geldentwertung hindeutet. Seit Ende 2020 beträgt die Inflation nunmehr bereits 6 Prozent. Die wenigsten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dürften in dieser Zeit eine Lohnsteigerung in solchem Ausmass erfahren haben, womit preisbereinigt immer weniger in der Tasche bleibt. Kommt hinzu, dass auch die Verzinsung der Sparguthaben bei weitem nicht mit der Inflation mithält; viele Banken zeigen bei der Anpassung wenig Eile.

Thomas Fuster, «Neue Zürcher Zeitung»

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