Geflüchtete aus der Ukraine können wahrscheinlich länger in der Schweiz bleiben – aber nur wenige sind als Stellensuchende registriert Mit einer Verlängerung des Schutzstatus für Ukraine-Flüchtlinge nimmt die Bedeutung der Arbeitssuche zu. Rund ein Achtel der erwerbsfähigen Geflüchteten hat eine Stelle, aber nur 4 Prozent der Stellenlosen sind offiziell registriert.

Mit einer Verlängerung des Schutzstatus für Ukraine-Flüchtlinge nimmt die Bedeutung der Arbeitssuche zu. Rund ein Achtel der erwerbsfähigen Geflüchteten hat eine Stelle, aber nur 4 Prozent der Stellenlosen sind offiziell registriert.

 

Der Schutzstatus für Geflüchtete aus der Ukraine dürfte bald verlängert werden. Die Bedeutung der Stellensuche nimmt damit zu. Bild: unsplash

Rund 60 000 Geflüchtete in der Schweiz haben zurzeit den Schutzstatus S. Davon sind gut 35 000 im klassischen Erwerbsalter (18 bis 64). Das zeigen die am Donnerstag publizierten Bundesdaten. Der für die Ukraine-Krise aktivierte Schutzstatus erlaubt den Betroffenen im Prinzip den sofortigen Zugang zum hiesigen Arbeitsmarkt. Gemäss den neusten Daten haben bisher gut 4600 dieser Geflüchteten eine Arbeitsstelle gefunden – das sind etwa 1000 mehr als zwei Monate zuvor. Rund ein Viertel ist im Gastgewerbe tätig. Die Nummer 2 mit einem Anteil von gut einem Sechstel ist der Sektor Planung/Beratung/Informatik.

Die Erwerbstätigenquote der Geflüchteten im Erwerbsalter liegt zurzeit bei rund 13 Prozent. Das ist im Vergleich zu früheren Flüchtlingswellen viel, doch es ist noch ausbaufähig. Die Arbeitgeber wären bereit, mehr einzustellen. Das ergab eine Umfrage, deren Resultate der Arbeitgeberverband im August veröffentlichte. Ein Hindernis war zu diesem Zeitpunkt das Fehlen von Planungssicherheit: Das Nahen des möglichen Endes des Schutzstatus im März 2023 drücke auf die Motivation der Unternehmen, Betroffene einzustellen.

Auf die EU ausgerichtet

Anfang dieser Woche hat die EU erklärt, dass der Schutzstatus für Ukrainer vorderhand bis März 2024 verlängert werde. Eine Verlängerung dürfte es auch in der Schweiz geben. Justizministerin Karin Keller-Sutter hatte schon vor einiger Zeit betont, dass sich die Schweiz in dieser Frage an der EU ausrichten werde. Etwas anderes würde denn auch überraschen: Man stelle sich vor, die Schweiz schicke als einziges Land in Westeuropa die Geflüchteten aus der Ukraine weg oder nehme sie als einziges Land ein Jahr länger auf.

Ein Sprecher des Justizdepartements sagte am Donnerstag auf Anfrage, dass es im Prinzip keinen formalen Entscheid zur Verlängerung des Schutzstatus brauche: Gemäss Asylgesetz gelte dieser Status, solange die Gefährdung bestehe. Ob der Bundesrat ähnlich wie die EU dennoch zwecks Schaffung von Gewissheiten eine Deklaration über die Verlängerung des Schutzstatus abgibt, ist laut dem Sprecher noch offen. Er bestätigte aber, dass sich die Schweiz nach der EU ausrichte. Und wenn in Zukunft der Schutzstatus aufgehoben werde, müssten die Betroffenen nicht von heute auf morgen gehen, sondern es gebe eine Übergangsfrist. Eine mögliche Grössenordnung wären sechs Monate.

Für die Geflüchteten rückt mit zunehmender Dauer des Verbleibs die Frage der Arbeitssuche stärker in den Vordergrund. Doch die Arbeitgeber meldeten in der genannten Umfrage nebst der Ungewissheit über die Dauer des Schutzstatus noch diverse weitere Hindernisse. Der meistgenannte Faktor war der Mangel an Sprachkenntnissen. Zudem sagten viele Arbeitgeber, dass die Qualifikationen der Bewerber nicht zu den offenen Stellen passten. Immerhin ein Viertel der befragten Arbeitgeber erklärte im Weiteren, dass es keine oder zu wenige Bewerbungen gebe.

8 Prozent können Deutsch

Gemäss einer Zusatzerhebung bei der Online-Anmeldung von gut 800 Geflüchteten für Bundesasylzentren im Juli und August sind die Bildungsvoraussetzungen bei denjenigen aus der Ukraine deutlich besser als bei früheren Flüchtlingsgruppen. So haben laut der Befragung gut zwei Drittel einen tertiären Bildungsabschluss. Unklar ist aber, ob dies ein repräsentatives Bild zeichnet – oder ob die Realität beschönigt wird, weil die Gutqualifizierten in der freiwilligen Befragung vielleicht eher mitmachten als andere.

Die Erhebung bestätigte indes, dass viele Betroffene in der Schweiz Sprachprobleme haben. Nur etwa 8 Prozent können sich laut den Angaben mindestens in alltäglichen Situationen auf Deutsch verständigen; gute bis sehr gute Deutschkenntnisse weisen lediglich 2 Prozent auf. Beim Französisch und Italienisch sind die Zahlen noch kleiner. Klar stärker verbreitet sind Englischkenntnisse: Rund ein Drittel hat laut der Befragung ein gutes bis sehr gutes Niveau. Zu den meistgenannten Berufsfeldern gehören Wirtschaft/Verwaltung/Recht, Ingenieurwesen/Baugewerbe und Pädagogik.

Nur relativ wenige Geflüchtete haben sich als Stellensuchende bei den Arbeitsmarktbehörden registrieren lassen. Gemäss Bundesangaben vom Donnerstag gab es seit März rund 3300 Registrierungen; von diesen habe man etwa 2000 wieder abgemeldet, zum Beispiel weil sie eine Stelle fanden (gut 400) oder weil sie wieder in ihr Herkunftsland zurückgingen.

So sind zurzeit nur etwa 1300 Ukraine-Flüchtlinge offiziell als Stellensuchende registriert – rund 4 Prozent aller Stellenlosen im Erwerbsalter. Zu den genannten möglichen Gründen für diese tiefe Quote zählen etwa das Unwissen über die Registrierung, Sprachprobleme, die Kinderbetreuung, Privatportale als Alternative und andere Prioritäten.

Hansueli Schöchli, «Neue Zürcher Zeitung»

Das könnte Sie auch interessieren: