Mit Reissverschlüssen gross herausgekommen: Jetzt wechselt die Tessiner Traditionsfirma Riri in den Besitz des Industriekonglomerats OC Oerlikon Riri war ein Pionier in der Massenfertigung von Reissverschlüssen. Ein französischer Finanzinvestor hat das Unternehmen aus Mendrisio aufgehübscht. Nun hofft OC Oerlikon als neuer Eigentümer auf lukrative Geschäfte mit der Modeindustrie.

Riri war ein Pionier in der Massenfertigung von Reissverschlüssen. Ein französischer Finanzinvestor hat das Unternehmen aus Mendrisio aufgehübscht. Nun hofft OC Oerlikon als neuer Eigentümer auf lukrative Geschäfte mit der Modeindustrie.

 

Reissverschlüsse sind ein Massenprodukt. Dennoch werden sie von der Firma Riri nach wie vor auch in Mendrisio hergestellt. Bild: unsplash

Erfunden hat den Reissverschluss die Tessiner Firma Riri nicht. Doch war sie es, der die erste serienmässige Fertigung dieses Produkts gelang, das weltweit in riesigen Stückzahlen verwendet wird.

Kaufpreis wohl bei rund 300 Millionen Franken

Gegründet wurde das Unternehmen 1936 in Mendrisio vom St. Galler Erfinder Martin O. Winterhalter. Rund 80 Jahre später, 2018, widerfuhr ihm, was heutzutage so vielen kleinen und mittelgrossen Industrieunternehmen passiert: Es wurde von einem Finanzinvestor, der Pariser Investmentgesellschaft Chequers Capital, im Rahmen eines Management-Buyouts übernommen. Nun wechselt es abermals den Besitzer. Der Industriekonzern OC Oerlikon aus dem schwyzerischen Pfäffikon kündigte am Freitag an, die Traditionsfirma mit inzwischen über 1100 Mitarbeitern und starker Präsenz in Italien zu kaufen.

Wie viel sich OC Oerlikon die Akquisition kosten lässt, wurde nicht bekanntgegeben. Laut Schätzungen von Analytikern der Zürcher Kantonalbank und des Brokerhauses Stifel dürfte der Kaufpreis für die Firma, die im laufenden Jahr mit einem Umsatz von rund 170 Millionen Euro rechnet, aber bei gut 300 Millionen Franken liegen.

Innovationsführer

Die Firma Riri, deren Name sich aus den beiden Anfangsbuchstaben der Wörter Rinne und Rippe ableitet, schaffte den Durchbruch mithilfe des Druckgiessverfahrens. Es ermöglichte ihr die Massenfertigung gespritzter Ketten aus Kunststoff und Metall. 1950 patentierte das Unternehmen den ersten druckgegossenen Reissverschluss auf Nylon, dank dem die Reissverschlusszähne und die Stoffbänder in einem Stück zusammengeführt werden konnten. Dies war ziemlich genau 100 Jahre nachdem erste Erfinder in den USA mit der Entwicklung von Reissverschlüssen begonnen hatten, sich mit ihren Produkten anfänglich aber wiederholt nicht durchsetzen konnten.

Winterhalter gelangte dank dem Aufstieg seiner Firma zu grossem Reichtum. Zugleich wurde er als Partykönig bekannt. Sein privates Glück endete jäh Ende 1950 mit der Einweisung in die Psychiatrische Klinik Bellevue in Kreuzlingen, wo er elf Jahre später verstarb.

Reissverschlüsse aus Kunststoff wurden ab Mitte des 20. Jahrhunderts immer bedeutender, und 1979 schaffte Riri dank einem neuen Werk am Stammsitz in Mendrisio erstmals die Produktion von 20 Millionen Stück im Jahr. Die Fabrik besteht noch immer, doch konzentriert sich die Fertigung des Unternehmens heute auf Italien. Insgesamt unterhält die Firma im südlichen Nachbarland sieben Produktionsstätten, was ihr einen guten Zugang zur italienischen Modeindustrie verschafft.

Finanzinvestor leistet ganze Arbeit

Der Finanzinvestor Chequers beschrieb das Erfolgsrezept bei der Übernahme von Riri vor fünf Jahren mit den Worten «Schweizer Qualität, italienisches Design und erstklassiger Service». Damals erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von unter 100 Millionen Euro, und die Private-Equity-Spezialisten aus Paris kündigten die Umsetzung einer Wachstumsstrategie an, die insbesondere Akquisitionen «in angrenzenden Nischen» umfassen sollte. Sie lösten ihr Versprechen ein, wurden zwischen 2018 und 2022 doch vier Konkurrenten, allesamt in Italien, übernommen.

Riri produziert heute neben Metall- und Kunststoffreissverschlüssen sowie Druckknöpfen, Jeansknöpfen und Nieten auch Metallteile für Lederwaren und Modeschmuck. Die Aktivitäten von OC Oerlikon konzentrieren sich, nachdem das Unternehmen einen langwierigen Fokussierungsprozess durchlaufen hat, im Wesentlichen auf die Oberflächenbeschichtung und additive Fertigung sowie auf die Herstellung von Anlagen für die Polymerproduktion und Kunstfasern. Im ersteren Geschäftsbereich, Surface Solutions, der Kunden aus einer Reihe von Branchen wie der Automobilproduktion und der Luxusgüterindustrie bedient, wird künftig auch Riri angesiedelt sein.

OC Oerlikon setzt auf Luxusgüterbranche

Das Management von OC Oerlikon verspricht sich dank dem Zukauf von Riri zusätzliche Geschäfte mit Luxusmodemarken. Aus demselben Grund hatte der Konzern bereits 2021 die französische Firma Coeurdor erworben, die in Italien und in Portugal Komponenten aus Metall für Ledertaschen, Gürtel, Uhren und andere Luxusgüter fertigt. Laut den Analytikern von Stifel betrug der damalige Kaufpreis 103 Millionen Franken. Coeurdor dürfte, so schätzen die Marktbeobachter, dieses Jahr einen Umsatz im mittleren zweistelligen Millionenbereich erwirtschaften.

Obschon etwas grösser, wird auch Riri den Konzernerlös von OC Oerlikon lediglich um rund 5 Prozent steigern. Damit wird die Akquisition die Aufstellung von OC Oerlikon nicht entscheidend verändern, doch könnte sie gleichwohl eine gewisse stützende Wirkung entfalten.

Der Konzern steckt in einer schwierigen Phase, da Kunden aus verschiedenen Industriezweigen verstärkt Zurückhaltung bei Bestellungen üben. Das Management erhob bereits Anfang November bei der Präsentation der Geschäftszahlen für das dritte Quartal den Warnfinger und kündigte Kostensenkungsmassnahmen an. In der Luxusgüterindustrie, so lautet die Erwartung, dürfte sich die Konjunkturabschwächung hingegen weniger bemerkbar machen.

Der Aktienkurs von OC Oerlikon ist seit Anfang Jahr um über ein Drittel gefallen. Auch am Freitag reichte es nicht zu einem Kursgewinn. Die Notierung büsste gegenüber dem Vortag leicht um 0,17 Prozent auf 5.96 Franken ein.

Dominik Feldges, «Neue Zürcher Zeitung»

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