Oh Yeah – oder wie der Yello-Sänger Dieter Meier seine «Super-Schokolade» beim neuen Starbucks Reserve im Empire State Building ins Sortiment brachte Er ist «Künstler», er ist mit den Hits von Yello berühmt geworden, er mag die Landwirtschaft, und er ist Unternehmer: Dieter Meier. Nach enormen Investitionen in neuartige Produktionsverfahren will der 77-Jährige jetzt den Markt für zuckerarme Edelschokolade erobern. Zum Beispiel mit Starbucks in New York City.

Er ist «Künstler», er ist mit den Hits von Yello berühmt geworden, er mag die Landwirtschaft, und er ist Unternehmer: Dieter Meier. Nach enormen Investitionen in neuartige Produktionsverfahren will der 77-Jährige jetzt den Markt für zuckerarme Edelschokolade erobern. Zum Beispiel mit Starbucks in New York City.

 

Der Künstler, Musiker und Unternehmer Dieter Meier. Seine neuartige Schokoladeproduktion entstand durch Forschung der ZHAW Wädenswil. Bild: Goran Basic / NZZ

Schokolade – die Schweizer, die Österreicher und die Deutschen können offensichtlich nicht genug davon kriegen. Aber auch bei Amerikanern und in vielen anderen Teilen der Welt kommt «der süsse Genuss» immer besser an. Glaubt man verschiedenen Untersuchungen, so werden in nächster Zeit vor allem auch dunkle und Bio-Schokoladen beliebter werden, weil sie als gesünder und umweltfreundlicher gelten.

Trends, die auch Dieter Meier entgegenkommen. Der Zürcher Tausendsassa ist in den vergangenen Jahren nicht nur mit seinen «künstlerischen» Aktionen und mit den Hits seines Duos Yello bekannt geworden, sondern er ist auch Farmer in Argentinien – und nachdem er der landwirtschaftlichen Hochschule in Wädenswil vor etwa sieben Jahren die Patente für ein neuartiges «Kaltpressverfahren» zur Kakaoverarbeitung abgekauft hatte, stieg er mit dem Startup Oro de Cacao in die Schokoladeproduktion ein.

«Man hat gespürt, dass da etwas möglich war»

«Das Verfahren war zwar damals noch nicht fertig, aber man hat schon gespürt, dass da etwas möglich sein würde», sagt Meier beim Gespräch im New Yorker Yale Club und erklärt mit routinierter Begeisterung, was das Spezielle daran ist. «Durch unser weltweit patentiertes Verfahren werden erst die natürlichen Bitterstoffe der Kakaobohne extrahiert», danach werde die «Masse in vier Elemente aufgeteilt, mit denen man dann spielen kann». Auf diese Weise liessen sich daraufhin weisse oder dunkle Fairtrade- und Bio-Schokoladen mit bis zu 85 Prozent Kakaoanteil bei geringem Zuckergehalt herstellen, ohne dass man künstliche Aromen zuführen müsste.

«Die klassische Industrie dagegen röstet die Kakaostückchen erst einmal bei hohen Temperaturen, und dabei geht schon einmal sehr viel weg von der Aromatik.» Dann werden die sogenannten Nibs conchiert –und bei diesem Knetvorgang werde «sehr viel Zeugs reingeschmissen». Am Ende sei in dieser Schokolade kaum noch etwas drin, was von der Bohne stamme, und die Aromen kämen aus der Industrie. «Ich habe zum Vertreter eines grossen Schokoladeherstellers gesagt: Wir machen im Grunde genommen beide das Gleiche – nur mit dem kleinen Unterschied: Bei dir gehen die Aromen ins Kamin und bei uns in die Schokolade.»

Laut Meier ziehen die konventionellen Hersteller die Restaromen bei der weiteren Verarbeitung der Kakaomasse sogar noch extra heraus und ersetzen sie durch künstliche Geschmacksstoffe, um den Kunden immer dasselbe olfaktorische Erlebnis bieten zu können. «Bei normalen Schokoladeproduzenten liegt der Zuckergehalt zwischen 55 und 65 Prozent. Die haben das aus zwei Gründen sehr gerne. Erstens, weil es süchtig macht, und zweitens, weil Zucker ein günstigster Füllstoff ist», argumentiert Meier und lästert, bei der herkömmlichen Schokolade geniesse man vor allem die «Zuckerattacke».

Auf das natürliche Aroma kommt es an

Dabei sei es bei der Kakaobohne wie mit der Weintraube – je nach Wetter und Standort sei sie geschmacklich jedes Jahr etwas anders. «Ghana ist ganz anders als südamerikanische Bohnen.» Die Unterschiede seien zwar nicht so gross wie beim Wein, aber «wirkliche Kenner können sagen, ob der Rohstoff für eine unserer geschmacklich vielschichtigen Schokoladen beispielsweise aus Kuba kommt – oder woher auch immer. Aber man muss schon eine sehr gute Nase haben, um das klar zu differenzieren.»

Auf diese Weise verkauft er geschickt sein Geschäftskonzept, das inzwischen ziemlich weit gediehen ist. Schliesslich hat sich Dieter Meier in den vergangenen Tagen nicht grundlos auf den Weg nach New York City gemacht. Denn er wollte unbedingt bei der Eröffnung der Filiale von Starbucks Reserve im Empire State Building an der Fifth Avenue dabei sein, weil dort die Kunden auch die Schokolade von Oro de Cacao kaufen können – testweise zumindest. Das war praktisch nur möglich, weil sich die Produkte offensichtlich schon in Seattles SoDo Reserve und in der Capitol Hill Roastery relativ gut verkauft hatten, also praktisch in den Testlabors im Herzen des Hauptquartiers des amerikanischen Kaffeehaus-Grosskonzerns.

Und das kam so: «Ein Bekannter von mir ist ein Freund des Starbucks-Chefs Howard Schultz – und der hat mich vorbereitet, so dass ich ihn treffen kann. So war ich denn vor ungefähr drei Jahren in seinem Büro, morgens um sieben, und da hat er gleich gesagt, Schokolade interessiere ihn überhaupt nicht, denn alle machten in diesem Business das Gleiche, die Margen seien zu klein und es bewege sich nichts.» Schliesslich aber habe er die Schokoladetäfelchen gemeinsam mit seinen Entwicklern degustiert und sei dann zum Schluss gekommen: «Mr. Meier, your products are absolutely outstanding, we are in business.»

Mühsames Werkeln an Prototypen

Das sei natürlich eine schöne Sache gewesen, es gab in der Zwischenzeit nur ein Problem: Oro de Cacao brauchte drei Jahre, um in Freienbach eine Fabrik zu renovieren und sie mit einem modernen Maschinenpark für die Verarbeitung der Kakaobohnen im Kaltpressverfahren auszustatten. «Dieser Schritt vom ‹proof of concept› zu einem Grossbetrieb ist tückisch gewesen, weil man die Maschinen speziell herrichten musste – es waren praktisch alles Prototypen.» Das habe dann doch einige Nerven gekostet, so Meier, auch wenn er sich letztlich offensichtlich auf seine findigen Mitarbeiter und auf erfahrene Zulieferer wie Bühler in Uzwil oder bekannte Firmen aus Deutschland und Italien verlassen konnte. Aus dem Süden seien zum Beispiel nachträglich modifizierte Nudeltrockenmaschinen gekommen, deren riesige Trommeln heute so aussähen wie Unterseeboote.

Im Herbst des vergangenen Jahres wurde die Betriebsbewilligung erteilt, und schon im Dezember gelangte die erste kommerzielle Produktion in den Verkauf – und zwar in den Flagship-Store am Zürcher Münsterplatz sowie in alle neun Globus-Filialen. In der zweiten Hälfte des laufenden Jahres startete der Probeverkauf in einzelnen Starbucks-Filialen in den USA. Im derzeitigen Weihnachtsgeschäft werden in der Schweiz neue, zusätzliche Vertriebskanäle beliefert – und in Deutschland hat das Berliner KaDeWe sein Schokoladensortiment durch die Edelprodukte erweitert, die in Zürich bis zu 7 Franken 50 je 80-Gramm-Tafel kosten.

Im nächsten Jahr sollen dann zudem auch noch günstigere «Produktinnovationen» auf den Markt kommen und zusammen mit namhaften Partnern vertrieben werden. Aktive Gespräche mit potenziellen Grosskunden für die Auftragsfertigung werden schliesslich beim Abschluss entsprechender Kontrakte im besten Fall dazu beitragen, dass die Produktionskapazitäten von langfristig bis zu 10 000 Tonnen Schokolademasse in Freienbach möglichst bald ausgelastet werden können. Eine Vertriebsvereinbarung mit Starbucks wäre beste Werbung für die eigenen Marken und würde dazu beitragen, dass Skaleneffekte wirken – und je mehr die Anlage verarbeitet, desto günstiger und effizienter wird der Prozess, was der Wettbewerbsfähigkeit erheblich dient.

Der Grössenwahn hat Methode

Wird Dieter Meier auf diese Weise zum «Elon Musk der Schokoladebranche»? «Die Idee ist mir auch schon gekommen, aber es ist natürlich grössenwahnsinnig, das überhaupt auch nur zu denken», formuliert er kokett. «Der Elon Musk ist schon ein wilder Kerl. Ich denke eigentlich, dass ich etwas spiessiger und kleiner bin – und dass ich vor allem auch nicht den ganzen Ärger mit mir herumschleppe, den er hat.» Damit tönt er indirekt an, was er tun möchte, sobald er die «sehr gut patentierten Produktionsverfahren» auch betriebswirtschaftlich zum Erfolg geführt hat – «dann werde ich mich sofort zurückziehen».

Christof Leisinger, «Neue Zürcher Zeitung»

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