Rente oder Kapital – sieben wichtige Fragen, die man sich stellen sollte Der Entscheid, ob man sich bei der Pensionierung das Alterskapital aus der Pensionskasse auszahlen lässt oder ob man eine lebenslange Rente bezieht, ist endgültig. Um die richtige Wahl zu treffen, muss man die persönliche Situation anschauen und seine Präferenzen kennen.

Der Entscheid, ob man sich bei der Pensionierung das Alterskapital aus der Pensionskasse auszahlen lässt oder ob man eine lebenslange Rente bezieht, ist endgültig. Um die richtige Wahl zu treffen, muss man die persönliche Situation anschauen und seine Präferenzen kennen.

 

Mit einer vollen Pensionskasse lässt sich der Ruhestand richtig geniessen. Bild: Karin Hofer / NZZ

Wird die Pensionierung zum Thema, stellt sich die Frage, ob man sich das Kapital der Pensionskasse auszahlen lässt oder ob man die Rente bezieht. Auch gibt es die Möglichkeit einer Mischform, bei der man einen Teil des Kapitals und eine dadurch verminderte Rente bezieht.

Die folgenden sind die wichtigsten Fragen, die man beantworten sollte, um zu einem optimalen Entscheid zu kommen.

1. Wie sieht die Vermögenssituation aus?

Wer genügend Vermögen hat, um damit einen grossen Teil seines Budgets zu finanzieren, und somit nicht auf die Rente angewiesen ist, sollte eher das Kapital beziehen. Dadurch vermeidet man Einkommenssteuern und stellt sicher, dass die Nachkommen nach dem Tod den übrig gebliebenen Teil des Alterskapitals erben.

Wer nicht über genügend Vermögen verfügt, um seinen gewohnten Lebensstil nach der Pensionierung weiterzuführen, sollte sich für die Rente entscheiden. Diese bietet Sicherheit, da sie sich nicht verändert und bis zum Lebensende garantiert ist. Indessen sollte man berücksichtigen, dass Renten aus der beruflichen Vorsorge gesetzlich nur dann an die Inflation angepasst werden, wenn die finanziellen Möglichkeiten bestehen.

Zwar kann man nach seinem Ableben seinen Nachkommen mit wenigen Ausnahmen kein Vermögen aus dem verbleibenden Teil des Alterskapitals hinterlassen. Doch ist die Rente ein Lohnersatz, und wenn man nicht mehr arbeitet, erhält man auch keinen Lohn. Gewisse Pensionskassen bieten die Möglichkeit, durch die Bezahlung einer Prämie sicherzustellen, dass beim Ableben der Rentenberechtigten ein allfälliger Restbetrag des Alterskapitals – Alterskapital minus das Total der ausbezahlten Renten – den Nachkommen zukommt.

2. Bestehen Schulden?

Wer hohe Hypothekarschulden hat, kann sich überlegen, ob er sich einen Teil seines Alterskapitals auszahlen lässt, um damit die Hypothek ganz oder teilweise zurückzuzahlen. Dabei stellt sich die Frage, wie hoch der Hypothekarzins ist. Liegt dieser unter dem Umwandlungssatz der Pensionskasse – also beispielsweise 5 Prozent –, so lohnt sich eine Rückzahlung eher nicht, da die Rente aus dem Alterskapital höher ist als der zu bezahlende Hypothekarzins.

Zahlt man eine Hypothek von 100 000 Franken mit einem Zinssatz von 2 Prozent zurück, muss man 2000 Franken im Jahr weniger bezahlen – doch es entgehen einem durch das um 100 000 Franken verringerte Alterskapital 5000 Franken Rente. Zudem können Hausbesitzer den Schuldzins von den Steuern abziehen. Das Parlament diskutiert zurzeit, dies aufzuheben und im Gegenzug den Eigenmietwert zu streichen. Dann könne eine Rückzahlung der Hypothek attraktiver werden.

3. Wie sicher ist die Pensionskasse?

Wer die Rente in Betracht zieht, sollte abklären, wie die finanzielle Situation der Pensionskasse aussieht. Ist die Kasse gesund, kann man bedenkenlos die Rente beziehen. Falls sich aber die Pensionskasse in einer prekären Situation befindet, sollte man zumindest einen Teil des Kapitals nehmen.

Falls die Kasse saniert werden muss, könnte es zu Zahlungsausfällen oder – trotz der Rentengarantie – angesichts der schwierigen Situation zu Rentenkürzungen kommen.

4. Wie sieht die familiäre Situation aus?

Wer nahestehende Nachkommen hat, sollte sich überlegen, ob er einen Teil des Altersguthabens aus der beruflichen Vorsorge als Kapital beziehen will, damit seine Nachkommen bei seinem Tod etwas davon erben. Allerdings muss man dabei beachten, dass durch den Bezug eines Teils des Alterskapitals die Rente geringer ausfällt. Dabei muss man sich überlegen, ob man damit genügend Einkommen hat. Falls man regelmässig Vermögen verzehren muss («entsparen»), um seinen Lebensstil zu finanzieren, bleibt irgendwann nicht mehr viel vom bezogenen Alterskapital für die Nachkommen.

5. Wie ist der Gesundheitszustand?

Ist man gesund und geht von einer hohen Lebenserwartung aus, spricht dies eher für die Rente, denn diese wird lebenslang garantiert. Dagegen könnte das bezogene Kapital bei einem langen Leben durch den Vermögensverzehr irgendwann verbraucht sein. Wer gesundheitlich ernste Probleme hat, sollte das Kapital beziehen, um sicherzustellen, dass dieses beim Tod den Nachkommen zugutekommt.

6. Besteht ein grosser Altersunterschied zum Ehepartner?

Ist ein Partner deutlich jünger, spricht dies für den Rentenbezug, denn Partner erhalten eine Witwenrente, die oft 60 Prozent der ursprünglichen Rente des Versicherten ausmacht. Bei gewissen Pensionskassen kann man sich auch dafür entscheiden, dass der überlebende Partner oder die überlebende Partnerin weiterhin 100 Prozent der Rente erhalten wird. Dies kostet einen kleinen Prozentanteil der Rente pro Jahr.

7. Wie sehen die wirtschaftlichen Aussichten aus, und wie entwickeln sich die Finanzmärkte?

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen können sich sehr schnell verändern, wie wir seit dem Ausbruch der Pandemie und des Krieges in der Ukraine gesehen haben. Dennoch kann es helfen, wenn man sich überlegt, wie die Inflation, die Zinsen und die allgemeine Wirtschaft sich entwickeln dürften. Für die Renten gibt es in den allermeisten Fällen keinen Teuerungsausgleich. Das heisst, dass bei einer anhaltend hohen Inflation der reale Wert der Rente über die Jahre deutlich abnimmt.

Bei hoher Inflation steigen üblicherweise auch die Zinsen. Wer also das Kapital bezogen hat, kann möglicherweise über höhere nominale Zinsen bei Anleihen zumindest einen Teil der Teuerung ausgleichen.

Bei einer Rezession können dagegen Aktienwerte einbrechen. Gefährlich wird es dann, wenn man unabhängig vom Kursverlauf zu einem bestimmten Zeitpunkt Cash benötigt und dafür Aktien verkaufen muss, die dann möglicherweise stark an Wert verloren haben. Gewisse Cash-Reserven verringern die Abhängigkeit von kurzfristigen Kursentwicklungen.

Unterschiede zwischen Rente und Kapital

Zwischen Kapital und Rente bestehen fundamentale Unterschiede. Hier einige der wichtigsten Punkte.

  • Unabhängigkeit: Das Alterskapital ist im Besitz des Rentners. Er kann damit unabhängig darüber verfügen. Wer eine Rente bezieht, hat hingegen keinen Zugriff mehr auf sein angespartes Alterskapital. Dieses geht in den Besitz der Pensionskasse über.
  • Risiko: Bezieht jemand das Alterskapital, liegt das Anlagerisiko bei ihm. Legt er die Gelder gut an, kann er Gewinne erzielen, die höher sind als der Umwandlungssatz der Pensionskasse. Doch wer das Kapital bezieht und sich verspekuliert, kann seine gesamte Altersvorsorge verlieren. Die bei der Pensionierung festgelegte Rente gilt hingegen bis zum Lebensende der Versicherten oder der durch sie ebenfalls versicherten Angehörigen. Diese Regel hat ein Bundesgerichtsentscheid auch so bestätigt.
  • Rendite: Die Rendite aus dem Alterskapital ist variabel. Sie schwankt von Jahr zu Jahr. Sie kann in einem guten Jahr höher liegen als der Umwandlungssatz der Pensionskasse. Der Umwandlungssatz bestimmt gemeinsam mit dem Alterskapital die Rente und gilt unverändert für die ganze Laufzeit der Rente. Die Rente wird durch das Alterskapital und den Umwandlungssatz bestimmt. Liegt der Umwandlungssatz bei 5 Prozent, erhält man pro bei der Pensionierung angesparte 100 000 Franken Alterskapital eine Rente von 5000 Franken. 
  • Steuern: Der Kapitalbezug wird getrennt vom übrigen Einkommen besteuert. Nach der Auszahlung wird das Kapital als Teil des Vermögens besteuert und die Kapitalerträge wie Dividenden und Zinsen. Diese Steuern sind tiefer als eine Einkommenssteuer. Die Rente hingegen unterliegt der Einkommenssteuer.

Rente für Alleinstehende

Vor ihrer Pensionierung beschliesst die alleinstehende Biochemikerin Clara K., die ordentliche Rente zu beziehen. Sie hatte während ihres Lebens mehrere Lebenspartner, hat keine eigene Familie und ist bei bester Gesundheit. Indem sie die Rente bezieht, weiss sie, dass sie bis an ihr Lebensende über ein gesichertes Renteneinkommen verfügt – vorausgesetzt, die generelle Wirtschaftslage und die finanzielle Lage ihrer Pensionskasse verschlechtern sich nicht dramatisch. Nach ihrem Tod besteht für ihre Angehörigen kein Anspruch auf ihr verbleibendes Rentenkapital aus der zweiten Säule. Clara K. geht davon aus, dass sie den entfernteren Verwandten aus ihrem übrigen Vermögen eine Erbschaft hinterlassen wird.

Kapitalauszahlung wegen fragiler Gesundheit

Martha M. kämpfte bereits vor ihrer Pensionierung mit ernsthaften gesundheitlichen Problemen. Ihr Mann ist gestorben, seit einigen Jahren hat sie einen neuen Lebenspartner. Ihre drei Kinder sind erwachsen und haben bereits eigene Familien. Martha M. entscheidet sich bei der zweiten Säule für einen Kapitalbezug und erhält 1 Million Franken. Sie strebt eine Nettorendite von 2,4 Prozent pro Jahr an und will sich einen Ertrag von 24 000 Franken pro Jahr auszahlen lassen. Dazu erhält sie die AHV-Rente. Zudem kann sie Kapital aus der dritten Säule beziehen. Falls sie frühzeitig stirbt, kann sie ihrem Partner und ihren Kindern etwas vererben. Hätte sie von der Pensionskasse die Rente bezogen, wären ihre Angehörigen leer ausgegangen.

Pierre Weill, «Neue Zürcher Zeitung»

 

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