Wer Waren auf der Schiene transportiert, soll einen Bonus erhalten – der Bundesrat warnt vor den finanziellen Folgen der eigenen Idee Der Güterverkehr soll mit einem Sammelsurium an Instrumenten subventioniert werden. Das Schicksal des umstrittenen Einzelwagenladungsverkehrs, der aufwendigsten Form des Transports per Bahn, bleibt offen.

Der Güterverkehr soll mit einem Sammelsurium an Instrumenten subventioniert werden. Das Schicksal des umstrittenen Einzelwagenladungsverkehrs, der aufwendigsten Form des Transports per Bahn, bleibt offen.

 

In Europa bieten nur noch wenige ehemalige Staatsbahnen einen mehr oder weniger flächendeckenden Einzelwagenladungsverkehr an. Bild: unsplash

SBB Cargo ist das Sorgenkind der Bahn. Laut Gesetz müsste der Güterverkehr auf der Schiene eigentlich eigenwirtschaftlich funktionieren. Das ist aber nicht der Fall. Vor allem der sogenannte Einzelwagenladungsverkehr, den in der Schweiz ausschliesslich SBB Cargo anbietet, ist nicht kostendeckend. Das ist kein Wunder. Einzelwagenladungsverkehr ist genau so kompliziert, wie es der Begriff vermuten lässt. Vergliche man das System des Schienengüterverkehrs mit dem Blutkreislauf, dann entspräche er den Kapillaren.

Einzelne Wagen werden von verschiedenen Anschlussgleisen eingesammelt, zu kurzen Zügen formiert und in Rangierbahnhöfe geführt. Dort werden aus den Wagen längere Züge zusammengewürfelt. Diese fahren anschliessend zu einem Bahnhof in der Region, in der die Ladung ankommen soll. Am Ende werden die einzelnen Wagen auf die verstreuten Zielorte verteilt.

Klimaschutz gegen Geld

In Europa bieten nur noch wenige ehemalige Staatsbahnen einen mehr oder weniger flächendeckenden Einzelwagenladungsverkehr an. Denn ohne staatliche Unterstützung ist er gegen den Güterverkehr auf der Strasse nicht konkurrenzfähig. Die Schweiz muss deshalb einen Grundsatzentscheid fällen: Soll der Einzelwagenladungsverkehr auch in der Schweiz aufgegeben werden?

Dagegen sprechen vor allem die Klimaziele. Laut einer Bundesschätzung vom Frühling würde dieser Schritt jährlich zu rund 600 000 oder 2 Prozent zusätzlichen Lastwagenfahrten führen. Damit stiegen auch die Treibhausgasemissionen.

Die Landesregierung drückte sich im Frühling vor einem klaren Entscheid. Sie beschloss lediglich, den Wagenladungsverkehr «weiterzuentwickeln». Etwas weniger vornehm ausgedrückt heisst das: Es soll irgendwie Bundesgeld fliessen. Am Mittwoch hat der Bundesrat die Vorschläge vom Frühling konkretisiert und zwei Varianten in die Vernehmlassung geschickt. Diese unterscheiden sich sehr stark.

Die «Light-Variante» entspricht im Wesentlichen einem staatlich finanzierten Modernisierungsprogramm für SBB Cargo. Der Bund würde die Einführung der digitalen, automatischen Kupplung mitfinanzieren. Der Gedanke dahinter: Die Lokführer müssen heute beim Rangieren immer in die Fahrtrichtung blicken. Dazu müssen sie zuvorderst im Zug sein.

Mit der Umstellung auf automatische Kupplungen wäre das nicht mehr nötig. Die Lokführer müssten beim Rangieren nicht mehr die Position im Zug wechseln. Dies würde Zeit und Kosten sparen.

Für Diskussionen dürfte der geplante «Verladebonus» sorgen. Die Kunden von SBB Cargo sollen künftig finanzielle Pauschalbeträge pro Wagen erhalten. Dadurch sollen die Kosten des Transports auf der Schiene im Vergleich zum Strassengüterverkehr verringert werden. Der Bund geht gemäss ersten Schätzungen von einem Bonus von durchschnittlich 40 Franken je Wagen aus. Das Paket würde das Budget über einen Zeitraum von sechs Jahren mit rund 174 Millionen Franken belasten.

Der Bundesrat vermutet aber, dass die «Light-Variante» den Einzelwagenladungsverkehr nicht retten könnte. SBB Cargo müsste diesen mittelfristig wohl wegen mangelnder Rentabilität einstellen. Gefördert würden mit dieser Variante somit faktisch die sogenannten Ganzzüge. Dabei handelt es sich um längere Güterzüge, die etwa Kies, Holz oder Autos von Punkt zu Punkt transportieren.

Mit der zweiten Variante, die der Bundesrat in die Vernehmlassung schickt, könnte der Einzelwagenladungsverkehr mutmasslich gerettet werden. Die «Luxus-Variante» enthält im Wesentlichen die gleichen Massnahmen wie die günstigere «Light-Variante». Sie sieht jedoch zusätzlich eine gezielte Förderung des Einzelwagenladungsverkehrs vor. SBB Cargo würde dafür Abgeltungen für den Betrieb erhalten.

Dazu soll der Bund vierjährige Leistungsvereinbarungen mit dem Unternehmen abschliessen. Im Kern würde SBB Cargo Geld für das Versprechen erhalten, den Einzelwagenladungsverkehr für einen bestimmten Zeitraum nicht einzustampfen.

Um eine gewisse Planungssicherheit sicherzustellen, soll über einen Zeitraum von beispielsweise zwölf Jahren zudem eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden. Im Gegenzug soll der Bund beim Angebot Vorgaben machen können. Zum Beispiel was die Orte betrifft, wo der Einzelwagenladungsverkehr angeboten wird, oder dazu, wie häufig die Züge fahren und zu den Preisen.

Die «Luxus-Variante» sieht weiter vor, dass gewisse Investitionen ganz oder teilweise vom Bund spendiert werden. Der Zustupf soll hauptsächlich in IT-Anwendungen fliessen, mit deren Einsatz die Produktivität des Einzelwagenladungsverkehrs gesteigert werden kann.

Die Variante wirkt noch ziemlich unausgegoren. Laut dem Vernehmlassungsbericht sind gemeinsam mit SBB Cargo noch «verschiedene Fragestellungen zu klären» und «Vertiefungsarbeiten vorzunehmen».

Vielsagender Warnhinweis

Entsprechend vage fallen auch die Aussagen zur erwarteten Belastung für die Staatskasse aus. Die Höhe der Beiträge während der Laufzeit der Rahmenvereinbarung (zwölf Jahre) könne heute noch nicht abgeschätzt werden, steht im Bericht aus Bern. Klar ist einzig: Die «Luxus-Variante» würde das Bundesbudget stark belasten. Für einen Zeitraum von sechs Jahren prognostiziert der Bund eine Mehrbelastung von rund 730 Millionen Franken.

Es ist davon auszugehen, dass es das Finanzdepartement war, das einen vielsagenden Warnhinweis in die Medienmitteilung zur Vorlage des Verkehrsdepartements geschmuggelt hat: «Die Finanzierung der vorgesehenen Massnahmen wird angesichts der angespannten Finanzlage des Bundes bei der Erarbeitung der Botschaft vertieft zu prüfen sein.»

Stefan Häberli, Bern, «Neue Zürcher Zeitung»

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