Im Startup-Bereich hat die Schweiz Aufholbedarf Als innovationsbasierte Jungunternehmen treiben Start-ups den Strukturwandel voran und sind damit quasi eine Art Frischzellenkur für jede Volkswirtschaft. Deshalb ist es kein Wunder, dass sich immer mehr Länder darum bemühen, ihnen optimale Rahmenbedingungen anzubieten. Leider hinkt die Schweiz dieser Entwicklung hinterher – dabei liesse sich mit geringem Aufwand sehr viel erreichen.

Als innovationsbasierte Jungunternehmen treiben Start-ups den Strukturwandel voran und sind damit quasi eine Art Frischzellenkur für jede Volkswirtschaft. Deshalb ist es kein Wunder, dass sich immer mehr Länder darum bemühen, ihnen optimale Rahmenbedingungen anzubieten. Leider hinkt die Schweiz dieser Entwicklung hinterher – dabei liesse sich mit geringem Aufwand sehr viel erreichen.

Im KMU-Land Schweiz werden jedes Jahr rund 40’000 neue Unternehmen gegründet. Etwa 300 davon sind sogenannte Start-ups: Jungunternehmen mit mit einer innovativen Geschäftsidee und ambitionierten Wachstumsplänen, einem skalierbaren, wissenschafts- und technologiebasierten Geschäftsmodell. In der Regel sind Start-ups risikokapitalfinanziert und bieten Produkte wie auch Dienstleistungen auf internationalen Märkten an. Diese kleine Gruppe unter den KMU hat eine besondere Bedeutung für die Volkswirtschaft. Dank ihrer Flexibilität und der Nähe zur Wissenschaft sind Start-ups oft rascher in der Umsetzung von Innovationen im Markt als etablierte Unternehmen und dadurch ein wesentlicher Treiber des Strukturwandels. Es lässt sich feststellen, dass diese Unternehmen überproportionale Beiträge zum Produktivitätswachstum leisten.

Die Schweizer Start-up-Landschaft zählt im globalen Vergleich zur obersten Liga. Seit 2017 werden hierzulande sogar mehr Start-ups gegründet als im Spitzenland Israel. Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen Hubs wie Berlin oder Paris die Start-up-Szene stark dominieren, ist in der Schweiz eine gleichmässigere regionale Verteilung von hochinnovativen Jungunternehmen zu beobachten, was positiv hervorzuheben ist. Insbesondere in den für die Schweizer Volkswirtschaft zentralen Wirtschaftszweigen wie Life Sciences, MEM- und Finanzindustrie sind überdurchschnittlich viel Start-ups zu finden. Das bekräftigt ihre wichtige Funktion für den strukturellen Wandel dieser Schlüsselbranchen als Impulsgeber für technologische Entwicklungen.

Was die Schweiz noch besser machen kann

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Internationaler Wettbewerb um Start-ups verschärft sich

Durch die fortschreitende Digitalisierung und den Aufstieg von Technologieunternehmen wie Google und Facebook ist das Bewusstsein für die Bedeutung von Start-ups in den letzten Jahren stark gestiegen. Dies hat viele Länder veranlasst, die entsprechenden Rahmenbedingungen gezielt zu verbessern – dazu zählt häufig auch ein spezielles Visa-Programm für Jungunternehmerinnen und -unternehmer aus anderen Staaten. Allein seit 2017 haben mindestens elf Länder solche speziell zugeschnittenen Visa eingeführt, darunter Österreich, Frankreich, Dänemark und die USA. Alle haben dasselbe Ziel: hochinnovative Start-ups mit grossem Potenzial ins eigene Land holen.

Start-up-Visa in verschiedenen Ländern

EinführungsjahrLandBezeichnung
2010ChileStart-up Chile
2012IrlandStart-up Entrepreneur Programme
2013SüdkoreaD-8-4 (Start-up-Visa)
2013SpanienEntrepreneur Visa
2014ItalienItalia Start-up-Visa
2014NeuseelandEntrepreneur Work Visa
2015NiederlandeStart-up-Visa
2015TaiwanEntrepreneur Visa
2016AustralienEntrepreneur stream
2017ÖsterreichRot-Weiss-Rot Karte für Start-up Gründende
2017FrankreichFrench Tech Visa
2017NeuseelandGlobal Impact Visa
2017EstlandEstonian Start-up-Visa
2017USAInternational Entrepreneur Rule
2018KanadaStart-up-Visa
2018DänemarkStart-up Denmark
2018FinnlandFinnish Start-up Permit
2018ChinaBusiness Start-up Visa
2019JapanStart-up Visa
2019GrossbritannienStart-up Visa und Innovator Visa

Quelle: Start-Up Visas. A Passport for Innovation and Growth, Webseiten der jeweiligen Länder

Brachliegendes Potenzial besser nutzen

Die Schweiz kennt bisher keine speziellen Visa für Start-ups. Dank der Personenfreizügigkeit können Firmengründer aus dem EU-/EFTA-Raum zwar problemlos hier tätig werden. Die Hürden für Personen aus Drittstaaten sind hingegen hoch. Dabei ist das Potenzial erheblich. In der Schweiz gibt es immer mehr Start-up-Förderprogramme (sogenannte Acceleratoren), die Unternehmerteams aus dem Ausland anziehen. In diesen Programmen werden Start-ups eng betreut, erhalten Zugang zu Arbeitsinfrastruktur, profitieren vom bereitgestellten Netzwerk und werden zudem finanziell unterstützt. Nach erfolgreicher Absolvierung des Förderprogramms ist ein Verbleib in der Schweiz zwar erwünscht, faktisch aber sehr aufwendig und daher kaum möglich.

Ein weiteres grosses Potenzial geht von Personen aus Drittstaaten aus, die hier ein Studium absolvieren. 2017 gingen 17 Prozent aller an Schweizer Hochschulen vergebenen Doktortitel an Bildungsausländer aus Drittstaaten. Diese sind überdurchschnittlich oft im MINT-Bereich zu Hause und bilden ein grosses Fachkräftepotenzial. Sie haben aber kaum eine Möglichkeit, nach Abschluss ihrer Ausbildung hier arbeitstätig zu sein. Dadurch entgehen der Schweiz viele unternehmerisch veranlagte Jungtalente, obwohl das Land in die Ausbildung dieser Personen investiert hat.

Um dieses Potenzial zu nutzen, braucht es einen besseren Arbeitsmarktzugang für Start-up-Gründerinnen und -Gründer aus Drittstaaten. Nötig sind Anpassungen im Ausländergesetz, damit den spezifischen Anforderungen von Start-ups und deren Innovationspotenzial Rechnung getragen werden kann. Zwei Zielgruppen stehen im Fokus: Gründer, die sich mit einem Start-up oder einem Start-up-Projekt in der Schweiz ansiedeln wollen, beispielsweise in einem der Innovationsparks. Oder Personen, die bereits in der Schweiz gefördert wurden, als Studierende, Doktoranden und Postdoktoranden und nun ihre Forschungsergebnisse und Geschäftsideen in einem Start-up kommerzialisieren möchten. Es geht dabei ausschliesslich um die besten und vielversprechendsten Start-ups. Experten aus Wirtschafts- und Förderkreisen schätzen, dass bei der Einführung von Start-up-Visa pro Jahr rund 50 bis 100 Jungunternehmen infrage kämen. Mit wenig Aufwand kann man also viel gewinnen.

von Dr. Ensar Can, Projektleiter beim Wirtschaftsdachverband economiesuisse

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