Neue nichtfinanzielle Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten Die Schweiz hat per 1. Januar 2022 neue nichtfinanzielle Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten für bestimmte Schweizer Unternehmen eingeführt. Betroffene KMU sind deshalb gut beraten, sich mittels Gap-Analyse eine Übersicht zu verschaffen.

Die Schweiz hat per 1. Januar 2022 neue nichtfinanzielle Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten für bestimmte Schweizer Unternehmen eingeführt. Betroffene KMU sind deshalb gut beraten, sich mittels Gap-Analyse eine Übersicht zu verschaffen.

 

 

Die neuen Vorschriften sehen Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten im Umgang mit Metall- und Mineraliengeschäften vor. Bild: unsplash

Am 29. November 2020 scheiterte die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) am Ständemehr. Ihr Ziel war es, dass Schweizer Unternehmen weltweit Menschenrechte und internationale Umweltstandards einhalten. Die parlamentarischen Beratungen zur KVI hatten vor der Abstimmung zu einem indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe geführt. Dieser sieht Berichterstattungspflichten über nichtfinanzielle Belange sowie Sorgfalts- und Transparenzpflichten bezüglich Konfliktmineralien und Kinderarbeit vor (Art. 964bis ff. OR). Per 1. Januar 2022 traten die neuen Vorschriften im Obligationenrecht sowie die entsprechende Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz in den Bereichen Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten sowie Kinderarbeit (VSoTr) in Kraft.

Berichterstattungspflichten nicht nur über Finanzen

Die neuen Vorschriften sehen eine jährliche Berichterstattungspflicht über nichtfinanzielle Belange in unterschiedlichen Bereichen vor. Die Berichterstattungspflichten gemäss Art. 964bis ff. OR betreffen Gesellschaften des «öffentlichen Interesses». Neben Banken, Versicherungen sowie weiteren von der FINMA beaufsichtigten Finanzdienstleistern fallen Publikumsgesellschaften in den Anwendungsbereich der neuen Bestimmungen, sofern sie zusammen mit von ihnen kontrollierten in- und ausländischen Unternehmen in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren im Jahresdurchschnitt mindestens 500 Vollzeitstellen haben und eine Bilanzsumme von 20 Millionen Franken oder einen Umsatz von 40 Millionen Franken überschreiten. Als Publikumsgesellschaft gilt eine Gesellschaft, die a) Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert oder b) Anleihensobligationen ausstehend hat oder bei der c) mind. 20 Prozent der Aktiven oder des Umsatzes zur Konzernrechnung einer der vorgenannten Gesellschaften beitragen.

Betroffene Unternehmen müssen über nichtfinanzielle Belange in den Bereichen Umwelt, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Achtung der Menschenrechte sowie der Korruptionsbekämpfung Bericht erstatten. Kontrolliert das Unternehmen in- oder ausländische Firmen, so hat der Bericht auch diese zu umfassen. Der Bericht soll die Angaben enthalten, welche zum Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit auf die nichtfinanziellen Belange erforderlich sind. Verwaltungsrat und Generalversammlung müssen den Bericht genehmigen, wobei er in einer Landessprache oder auf Englisch elektronisch veröffentlicht werden muss.

Um seinen Berichterstattungspflichten effektiv nachzukommen, muss sich ein Unternehmen deshalb aktiv mit seinen nichtfinanziellen Belangen auseinandersetzen, entsprechende Leistungsindikatoren definieren, daraus resultierende Risiken identifizieren und adäquat adressieren. Damit ist gesagt, dass die Berichterstattungspflichten indirekt auch konkrete Handlungspflichten auslösen.

Pflichten bezüglich Konfliktmineralien und Kinderarbeit

Die neuen Vorschriften sehen zudem Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten im Umgang mit Metall- und Mineraliengeschäften aus Konfliktgebieten und zur Vermeidung von Kinderarbeit vor. Erfasst sind Unternehmen mit Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Schweiz, die Zinn, Tantal, Wolfram und Gold oder Metalle aus Konflikt- und Hochrisikogebieten importieren, in der Schweiz bearbeiten oder bei deren Produkten/Dienstleistungen ein begründeter Verdacht besteht, dass diese unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt/erbracht werden. Der Bundesrat hat in der VSoTr Definitionen, Ausnahmen und Einschränkungen festgelegt, etwa betreffend KMU oder Mindesteinfuhrmengen. Die Verordnung orientiert sich bei den Ausnahmen für KMU stark an der Unternehmensgrösse, welche die Berichterstattungspflicht über nichtfinanzielle Belange auslöst. Betroffene Unternehmen müssen ein Managementsystem einführen, in welchem sie die Lieferkettenpolitik für Risikoprodukte festlegen und die Rückverfolgbarkeit sicherstellen.

Vorarbeit ist nicht zu unterschätzen

Die neuen Regelungen sind per 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Die Übergangsbestimmungen sehen vor, dass die Vorschriften erstmals auf das Geschäftsjahr Anwendung finden, das ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Bestimmungen beginnt. Damit wird 2023 das erste Jahr sein, über welches Bericht erstattet werden muss. Die erste Berichterstattung wird demnach im ersten Halbjahr 2024 im Vorfeld der Generalversammlung 2024 zu erfolgen haben. Die neuen Sorgfaltspflichten zu Konfliktmineralien und Kinderarbeit werden ebenfalls 2023 erstmals gelten. Die Erfüllung der Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten benötigt nicht zu unterschätzende Vorarbeit und Vorlaufzeit. Für die konkrete Umsetzung der neuen Pflichten wird deshalb empfohlen, sich im Rahmen einer Gap-Analyse baldmöglichst eine Übersicht zu verschaffen.

 

Daniel S. Weber, LL.M., Rechtsanwalt, arbeitet als Counsel bei der Anwaltskanzlei Wenger Vieli. Er ist vorwiegend in den Bereichen Financial Services, FinTech, (ESG-)Compliance, Wirtschaftskriminalität und interne und regulatorische Untersuchungen tätig.

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