Kann man als Ein-Produkt-Firma überleben? Beim Stabmixer-Hersteller Bamix klappte es – bis jetzt Eine Fabrik in einem Thurgauer Dorf fertigt seit Jahrzehnten nichts anderes als Stabmixer und verkauft diese in der ganzen Welt. Doch zwischendurch wird der Firmeninhaber nachdenklich.

Eine Fabrik in einem Thurgauer Dorf fertigt seit Jahrzehnten nichts anderes als Stabmixer und verkauft diese in der ganzen Welt. Doch zwischendurch wird der Firmeninhaber nachdenklich.

Vom ersten Arbeitsschritt bis zur Verpackung sind rund 35 Personen in die Produktion eines Stabmixers involviert. (Foto: PD)

Für das Herz eines Mixers braucht es viel Kupferdraht, ziemlich genau 300 Meter. Dieser wird mit einer Maschine auf den Rotor und Stator gewickelt, mit dem der Motor dann den Rührstab des Küchengeräts dreht. Doch sonst braucht es in der Fertigung immer wieder Handarbeit. Zum Beispiel an den Lötpulten, wo ein Rohr die Dämpfe absaugt, damit die Arbeiterinnen – es sind mehrheitlich Frauen – diese nicht einatmen.

Vom ersten Arbeitsschritt bis zur Verpackung seien in der Herstellung eines Stabmixers rund 35 Personen involviert, sagt Erich Eigenmann bei einem Gang durch die Produktionshallen. Er ist Geschäftsführer und Hauptaktionär der Esge AG. Seine Firma stellt ein einziges Produkt her, den Stabmixer Bamix (in Deutschland: Zauberstab).

Kaum Anpassungen

Natürlich könnte Eigenmann die Elektromotoren auch einfach aus China zukaufen, statt sie hier in Mettlen, Kanton Thurgau, am Dorfrand neben einem Feld an einem Waldrand selber zu produzieren. Das wäre viel billiger, brauchte weniger Platz und weniger Personal. Oder: Statt 90 Prozent der Bestandteile bei Schweizer Zulieferern zu beschaffen, könnte die Firma sie aus dem Ausland importieren.

«Natürlich ist das alles kein Thema», sagt Eigenmann. Der Herstellungsprozess ist eingespielt und wurde in den 70 Jahren seit dem ersten Bamix nur geringfügig angepasst. Klar: Das Design wurde von Zeit zu Zeit überarbeitet, und seit ein paar Jahren gibt es auch kabellose Geräte (diese machen erst fünf Prozent der Verkäufe aus). Doch das Herz des Stabmixers funktioniert stets nach dem gleichen Prinzip.

Anlass, etwas zu ändern, scheint es keinen zu geben. Eigenmann hat Esge 2002 zusammen mit einem Geschäftspartner übernommen. Seither habe die Firma nur gerade «in Einzelfällen» Beschwerden zu ihren Geräten erhalten. Hie und da kämen Geräte zur Reparatur, die 30 oder mehr Jahre alt seien.

Unternehmer per Zufall

Der Chef stammt zwar aus einer Unternehmerfamilie, ist jedoch ein Quereinsteiger. Er ist als Treuhänder zufällig auf die Firma aufmerksam geworden, als sie zum Verkauf stand.

Die Erfindung des Pürierstabs geht auf den Lausanner Ingenieur Roger Perrinjaquet zurück, der sein Patent 1954 an die Esge verkaufte. Bis zur Übernahme durch Eigenmann wechselte das Unternehmen mehrmals den Besitzer. In den 1960er Jahren gehörte es eine Zeitlang dem amerikanischen Konzern General Electric.

Dank Kochshows im Fernsehen und Veranstaltungen in der Art von Tupperware-Partys wurde der Bamix neben der traditionellen Kundschaft aus der Gastronomie (rund 20 Prozent) und den Hausfrauen bei einem breiteren Publikum bekannt, insbesondere in Deutschland und Japan.

Neben dem Detailhandel sind noch immer Messen ein wichtiger Absatzkanal für die Geräte (rund 10 Prozent). Das Bamix-Marketing muss die Leute überzeugen, statt 20 Franken für das billigste Konkurrenzprodukt das Sechs-, Zehn- oder Noch-mehr-fache für einen Küchenhelfer auszugeben.

Der Patron übernimmt das Ruder wieder

Hoffnungen setzt man auf die USA. Dort will die Firma stark wachsen. Derzeit beschäftigt Esge im Thurgau 70 Mitarbeiter. Eine Umsatzzahl lässt sich Eigenmann nicht entlocken. Aber bei einer Ein-Produkt-Firma ist die Schätzung nicht allzu schwierig, wenn man weiss, wie viele Geräte verkauft werden. In Spitzenzeiten produziert das Werk in Mettlen bis zu 400 000 Stück pro Jahr. Ein Umsatz von ungefähr 30 Millionen dürfte dann also nicht allzu weit von der Realität entfernt liegen.

Eigentlich hatte sich Eigenmann 2019 auf das Verwaltungsratspräsidium zurückgezogen. Aber die Abgabe des Chefpostens hat nicht geklappt wie geplant. Nach einer mehrjährigen Zwischenphase mit einem von aussen geholten Geschäftsführer entschied sich der Patron, die Führung wieder selber zu übernehmen. Wie es mit der Nachfolge aussieht, wenn er dereinst dann wirklich aufhört, stehe noch nicht fest, sagt der 59-Jährige. Zumindest ein paar Jahre möchte er die Firma aber schon noch leiten.

Obwohl es nur ein einziges Produkt mit einer x-fach erprobten Technologie gibt, ist der Bamix kein Selbstläufer. Um für den Detailhandel attraktiv zu bleiben, muss sich Esge immer wieder etwas Neues einfallen lassen. Die Stabmixer werden nicht auf Vorrat produziert. Das Stichwort heisst Customisierung. Der Kunde möchte vielleicht eine spezielle Farbe, ein Set mit Küchenzubehör oder einem Kochbuch. Doch das reicht nicht immer.

Hot-Dog- und Zuckerwatte-Maschinen

Als eine Massnahme, um mit einem breiteren Sortiment in den Kampf um Regalfläche im Fachhandel treten zu können, vertreibt Eigenmann in der Schweiz neu auch sogenannte «Partyprodukte» für Privathaushalte wie Hot-Dog-, Popcorn- und Zuckerwattemaschinen eines ausländischen Herstellers. Im Lager in Mettlen türmen sich bereits die bunten Kartons, und es hat noch Platz für viel mehr.

Ist es nicht ein Widerspruch, bei der eigenen Produktion auf Swissness zu setzen und zusätzlich mit Billiggeräten aus Fernost zu handeln? Für Eigenmann ist klar, dass seine Firma keine Mixer von anderen Herstellern vertreiben wird. «Aber warum sollten wir nicht unser Sortiment verbreitern, mit etwas, das unsere eigenen Produkte nicht konkurrenziert?», fragt er zurück.

Bei Esge ist man stolz darauf, eine Ein-Produkt-Firma zu sein. Eigenmann sieht noch viele Küchen ohne Bamix und somit noch einiges an Wachstumspotenzial. Aber manchmal wird er nachdenklich – und fragt sich, ob er nicht vielleicht doch eines Tages ein zweites Produkt auf den Markt bringen soll. Selbstverständlich auch ein Küchengerät. «Und idealerweise mit dem gleichen Motor», fügt er an. Dem Herzen des Stabmixers.

Dieter Bachmann, Mettlen, «Neue Zürcher Zeitung»

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