Brown Bag Series 2023: Eine Marke muss halten, was sie verspricht Die kostenlose Webinar-Reihe, die von der HWZ in Kooperation mit Post Advertising, Swiss Marketing Forum und AZ Konzept durchgeführt wird, widmete sich in der zweiten Ausgabe der Frage: Lohnt sich der langfristige Aufbau von Markenwert noch?
Die kostenlose Webinar-Reihe, die von der HWZ in Kooperation mit Post Advertising, Swiss Marketing Forum und AZ Konzept durchgeführt wird, widmete sich in der zweiten Ausgabe der Frage: Lohnt sich der langfristige Aufbau von Markenwert noch?
Langfristige Brand Leadership und kurzfristige Sales-Erfolge schliessen einander nicht aus, trotzdem besteht grosses Konfliktpotenzial. Kurzfristige Massnahmen können den Umsatz aktionsbezogen zwar steigern, doch gleichzeitig den Wert etablierter Marken untergraben. Umgekehrt erfordert nachhaltige Brand Leadership Perspektiven, die über ein Quartal hinausgehen und die Marke mit seiner Botschaft immer wieder innovativ aufladen.
Am zweiten «TalkTäglich»-Panel der Brown Bag Series 2023, das von Esther-Mirjam de Boer eingeleitet und moderiert wurde, waren dabei: Sabrina Mehri, CMO und Mitglied der Geschäftsleitung bei Kieser Training AG, Sascha Heiniger, Head of Polestar Switzerland (E-Cars), und Benjamin Gilgen, Co-Studiengangsleiter des CAS Brand Leadership an der HWZ. Präsentierender Partner: Die Post Advertising. Veranstalter: AZ Konzept, HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich und Swiss Marketing Forum. Medienpartner: persönlich.
Lohnt sich der langfristige Aufbau von Markenwert noch oder zählt nur noch der kurzfristige Absatz? Können kurzfristige Ziele in Marketing und Sales erreicht werden, ohne dabei den Brand und dessen Markenwert zu «opfern»?
Klare Botschaften gepaart mit Authentizität
«Erfolgreiche Marken leben davon, dass man von der Sache hinter dem Logo überzeugt ist und voll hinter ihrer Botschaft steht», erklärt Sabrina Mehri. Dabei muss selbst in arrivierte Brands immer wieder neu investiert werden, damit die Marke nicht an Stärke verliert und im Wettbewerbsumfeld nicht durch Konkurrenzprodukte substituiert werden kann. Bei Kieser Training schwingt bis heute die Persönlichkeit und Philosophie ihres Gründers und Pioniers Werner Kieser (1940-2021) mit. Auf der Grundlage seiner eigenen Gesundheitsbiographie hat er mit der einzigartigen Positionierung zwischen Fitness- und Medizinmarkt eine starke Marke aufgebaut, die als Franchisesystem unter dem neuen Brandnamen «Kieser» als gesundheitsorientiertes Krafttraining heute weltweit expandiert.
Polestar wiederum ist eine neuen Marke für Design-Elektroautos im Premiumsegment, die bereits heute weltweit Fahrzeuge ausliefert. Gewissermassen als Dachmarke dahinter steht Volvo. Das Mutterhaus will Polestar bewusst als Brand im exklusiven Bereich der E-Mobilität positionieren. Das Start-up bietet seine Produkte ausschliesslich über ihren Onlinehandel an. Polestar war ursprünglich die Bezeichnung eines Racing-Teams bei Volvo. Der schwedische Automobilhersteller grenzt sich dabei als traditionelle und kultige Weltmarke für sichere Mobilität bewusst von Polestar ab, obwohl Service- und Garantieleistungen über Volvo laufen, die damit reputationswirksam für Polestar wirken, Sascha Heiniger. Die Brand Awareness befinde sich im Aufbau und die bewusst emotionalisierte Marke werde jetzt mit branchenspezifischen Inhalten wirksam aufgeladen und entsprechend positioniert. «Eine neue Marke bietet die Chance, sich als innovatives Unternehmen zu positionieren, das in seiner Nische, jenseits von Tradition und Geschichte, glaubwürdig und freier operieren kann.»
Marke als strategische Grundlage fürs Marketing
Zuständig für Marketing und Kommunikation beim jungen Biotechnologie-Unternehmen Tigen ist Benjamin Gilgen, Co-Studiengangsleiter CAS Brand Leadership an der HWZ. Seine Aufgabe besteht darin, die Marke klar zu positionieren und die branchenrelevanten Zielgruppen mit relevanten Informationen zu versorgen. Weil es sich bei personalisierten Zelltherapien gegen Krebs um eine ganz spezifische Zielgruppe handelt, müssen die spezialisierten Stakeholder primär mit stichhaltigen Studienergebnissen angesprochen werden. Ein langfristiger Aufbau der Marke Tigen wird durch eine konsistente Betreuung des Ökosystems vorgenommen – von der Roadmap zum Produkt.
«Die Aufladung der Marken mit glaubwürdigen Inhalten, die mit der Aussenwahrnehmung eng übereinstimmen müssen, wird immer wichtiger. Authentizität und Transparenz sind dabei die wichtigsten Faktoren, die einer Marke Glaubwürdigkeit geben, die zunehmend erfolgsrelevant ist. Die elektronischen Medien haben das Markenverständnis fundamental verändert. Inkongruenzen zwischen Markenbotschaften und realem Verhalten werden rasch erkannt und oft skandalisiert, global kommuniziert und schaden der Markenreputation massiv», betonen die Gesprächsteilnehmer quasi unisono. Erfolgreiche Marken arbeiten konstant an der Relevanz, entwickeln sich durch Innovationen kontinuierlich weiter inspirieren die Zielgruppen. Und Sascha Heiniger sagt: «Keine Marke existiert, wenn sie nicht ökonomisch erfolgreich ist.»
Und wie bleiben starke Brands gefragt?
«Bei Premium- und Luxusmarken lässt sich die Bedeutung der Marke, auch für die Zukunft, direkt messen. Verkauft wird ein Traum, der nicht nur durch eine höhere Qualität begründet ist, sondern durch Begehrlichkeit und eingeschränkte Verfügbarkeit den menschlichen Bedürfnissen nach interpersoneller Differenzierung entgegenkommt», so Benjamin Gilgen. Marken sind hier eine soziale Orientierung für den Träger und sein soziales Umfeld. Die gestreuten statusrelevanten Botschaften werden oft nur von den eigenen Referenzgruppen verstanden. Kommunikativ aggressiven Brands gegenüber reagiert das Fachpodium ambivalent. «Wer laut wird, muss auch entsprechend liefern» und sollte dabei sein kulturelles Umfeld immer einbeziehen, das die Botschaften beurteilt. Die Verbindung von Marken mit kurzfristigen Trends gilt als heikel, zumal nachhaltige Marken durch beständige und gleichermassen innovative Werte gekennzeichnet sind, die zeitlos sein müssen im Kern ihres Auftritts.
Was die Zukunft der arrivierten Markenlandschaft angeht, so werden Werte der Orientierung wichtiger, die von den Marken als glaubwürdige Botschaften entsprechend vermittelt werden müssen. Marken müssen – auch ohne äusseren Veränderungsdruck – beweglich bleiben und ihr Zielpublikum auf unterschiedlichen Kanälen, den produkte- oder dienstleistungsrelevanten Ökosystemen, adäquat ansprechen und bewirtschaften. Der individuelle Medienkonsum verändert sich im Onlineumfeld drastisch und kennt eigene Spielregeln, die teilweise nur schwer zu kontrollieren sind: Influencer-Marketing oder neue Gefässe wie Netflix sind hier angesprochen.
Die Marke ist also ein komplexes Gebilde, dass weit über das Logo hinausgeht. Mit einem neuen Logo beginnt noch keine neue Ära. Und ein mögliches Rebranding ist ein langsamer und aufwändiger Prozess ohne Erfolgsversprechen. Es geht heute vielmehr darum, dass Marken ihre Versprechen einlösen und ihre beeindruckenden Botschaften widerspruchslos sichtbar machen. «Eine Marke soll man sich als Person vorstellen können, die etwas über sich zu erzählen hat, was auch zutrifft», sagt Sascha Heiniger.