«Das Mobilitätsverhalten nach der Pensionierung ist oft von den Gewohnheiten aus dem Berufsleben geprägt» Das eigene Auto ist für viele ältere Menschen ein Symbol für ihre Unabhängigkeit. Mit der richtigen Unterstützung könnten Shared-Mobility-Angebote eine attraktive Alternative sein, wie ein Mobilitätskenner erklärt.
Das eigene Auto ist für viele ältere Menschen ein Symbol für ihre Unabhängigkeit. Mit der richtigen Unterstützung könnten Shared-Mobility-Angebote eine attraktive Alternative sein, wie ein Mobilitätskenner erklärt.
Herr Hauser, warum halten viele Menschen auch im hohen Alter noch an ihrem eigenen Auto fest?
Rudolf Baumann-Hauser: Das Mobilitätsverhalten im Ruhestand ist oft von den Gewohnheiten im Berufsleben geprägt. Wer lange Zeit mit dem Auto unterwegs war, hat oft Schwierigkeiten, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen. Es gibt jedoch noch weitere Gründe, warum ältere Menschen nicht auf ihr Auto verzichten möchten.
Welche zum Beispiel?
Ein wichtiger Faktor ist die Gesundheit. Wer körperlich eingeschränkt ist, fühlt sich ohne Auto oft nicht mehr mobil. Im ländlichen Raum sind Alternativen wie der öffentliche Verkehr oft nicht so gut ausgebaut, was den Umstieg zusätzlich erschwert. Für manche beginnt mit dem Ruhestand aber auch eine Art «Genussphase», in der sie sich bewusst etwas gönnen.
Und das bedeutet?
Viele entscheiden sich zum Beispiel für ein sportlicheres Auto oder kaufen sich ein Wohnmobil, um Reisen zu geniessen, die sie im Berufsleben nicht machen konnten.
Freiheit wird somit immer noch oft mit dem Besitz eines eigenen Fahrzeugs assoziiert.
Genau. Viele verbinden mit dem Auto die Freiheit, spontan und unabhängig zu sein, ohne auf Fahrpläne oder Mietfahrzeuge angewiesen zu sein. Doch bei Menschen im Ruhestand stellt sich die Frage, wie relevant dieser Zeitgewinn wirklich ist, da sie keine beruflichen Verpflichtungen mehr haben.
Drehen wir die Frage doch mal um: Was sind denn die Hauptgründe, warum ältere Menschen auf ein eigenes Auto verzichten?
In Städten können der gut ausgebaute öffentliche Verkehr und die wachsende Verfügbarkeit von Shared-Mobility-Angeboten ältere Menschen zum Umstieg bewegen. Für andere spielt die ökonomische Komponente eine grössere Rolle: Wenn man die Kosten für Garage, Versicherung, Wartung und Betrieb zusammenrechnet, wird eigentlich schnell klar, dass ein eigenes Auto oft purer Luxus ist. Leider ist dies vielen nicht bewusst.
Ist Carsharing somit eine echte Alternative für ältere Menschen?
Das kommt sehr auf die persönliche Einstellung an. Wer der Philosophie «Nutzen statt Besitzen» folgt, ist prinzipiell offen für geteilte Mobilität – unabhängig vom Alter.
Welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie für ältere Menschen?
Für Viele ist sicherlich die Standortfrage zentral. Wie weit ist das nächste Carsharing-Angebot von zu Hause entfernt? Aber auch die digitale Fitness spielt eine Rolle: Viele dieser Angebote sind app-basiert. Gerade für ältere Menschen kann das eine Hürde sein.
Wie könnte man diesen Umstieg für ältere Menschen erleichtern?
Persönliche Erfolgserlebnisse sind der Schlüssel. Eine Möglichkeit wäre es, Menschen bei ihren ersten Erfahrungen mit Shared Mobility zu begleiten.
Wie stellen Sie sich das vor?
Vertrauenspersonen könnten ältere Menschen beim ersten Ausprobieren von Shared-Mobility-Angeboten unterstützen. Sie könnten Fragen beantworten, bei der Nutzung der Apps helfen und gemeinsam die Angebote testen. Positive erste Erfahrungen sind ein unheimlich starkes Mittel, um Hemmschwellen abzubauen. Dieses Heranführen an die geteilte Mobilität muss jedoch nicht allein in der Verantwortung der Anbieter liegen.
Wie meinen Sie das?
Auch die Politik und die öffentlichen Verwaltungen sind gefordert. Wenn wir autofreie Innenstädte wollen und das Ziel haben, dass auch ältere Menschen auf alternative Mobilitätsformen umsteigen, bedarf es entsprechender Sensibilisierung und Schulung. Das könnte in Zusammenarbeit mit Seniorenverbänden und anderen relevanten Institutionen geschehen – idealerweise in Kooperation mit den Anbietern von Shared-Mobility-Diensten.
Zur Person
Rudolf Baumann-Hauser (75) ist diplomierter Bauingenieur mit über 50 Jahren Berufserfahrung. Als früherer Leiter des Fachbereichs Energie des Kantons Luzern, selbstständiger Berater und Coach hat er sich auf die Bereiche Energie, Bau, Umwelt und Mobilität spezialisiert. Heute berät er ehrenamtlich Organisationen, Firmen und Interessierte zu diesen Themen.