Der Traum vom nachhaltigen Fliegen Synthetische Treibstoffe wecken die Hoffnung auf einen CO2-neutraleren Flugverkehr. Ein breiter Einsatz der Technologie ist in der Aviatik aber noch nicht möglich. Was sind die Gründe und welche Lösungsansätze gibt es?

Synthetische Treibstoffe wecken die Hoffnung auf einen CO2-neutraleren Flugverkehr. Ein breiter Einsatz der Technologie ist in der Aviatik aber noch nicht möglich. Was sind die Gründe und welche Lösungsansätze gibt es?

Erwartet wird, dass unter anderem durch die chemische Zusammensetzung des synthetischen Kerosins Stickoxide und Partikel ­wesentlich reduziert werden können. (Bild: Adobe Stock)

Die Schweizer sind ein Volk von Vielfliegern: Seit 1990 verdreifachte sich der Flugverkehr. Bei allen Flügen aus der Schweiz wurden in den Jahren 2018 und 2019 pro Jahr insgesamt rund 5,7 Millionen Tonnen Treibhausgase (CO2-Äquivalente) ausgestossen. Selbst bei einer Reduktion der Flugbewegungen sind heute geeignete Lösungen gefragt, sollen die Pariser Klimaziele erreicht werden. Ein vielversprechender Weg führt über synthetische Treibstoffe.

Unter dem Titel «Destination 2050» haben Experten des Royal Netherlands Aerospace Centre und des Wirtschaftsforschungsinstituts SEO Amsterdam kürzlich einen Fahrplan für den europäischen Luftverkehr veröffentlicht. Das Ziel: die CO2-Emissionen auf Netto-Null zu senken. Die Analyse hat mehrere wichtige Massnahmen für die Branche aufgezeigt. Ein Ansatzpunkt betrifft die Modernisierung der Flugzeugflotten, schliesslich würden zeitgemässe Maschinen die Treibhausgasemissionen bereits um bis zu 25 Prozent reduzieren. Weiter könnten optimierte Flugrouten sowie eine verbesserte Flugplanung erhebliche CO2-Einsparungen bewirken. Der Schlüssel zum CO2-neutralen Fliegen liegt gemäss den Experten jedoch in der Nutzung von Sustainable Aviation Fuels (SAF). Mit den sogenannten Advanced Biofuels könnten bis zu 80 Prozent der Emissionen im Vergleich zu fossilen Brennstoffen eingespart werden. Nahezu vollständig CO2-neutral wird der Treibstoff im Power-to-Liquid- oder Sun-to-Liquid-Verfahren.

Diese sogenannten Synfuels (synthetischer Kraftstoff) binden Wasserstoff mit Kohlendioxid aus der Erdatmosphäre. Daraus entsteht eine Flüssigkeit, der sich wie Benzin oder Diesel einsetzen lässt. Dieser «verflüssigte Strom» entzieht der Luft nicht nur CO2, sondern setzt auch weniger Russpartikel frei und führt so wiederum zu weniger Verschmutzung. «Synfuels werden langfristig den Energiebedarf für den Langstreckenverkehr, also die Luft- und Schifffahrt, dominieren. Insbesondere in der Luftfahrt wird synthetisches Kerosin es erlauben, den Flugverkehr in den nächsten 20 bis 30 Jahren beinahe CO2-neutral zu betreiben», erklärt der emeritierte ETH-Professor Konstantinos Boulouchos. «Ausgangsbasis ist Wasserstoff, der überwiegend durch Elektrolyse mithilfe (erneuerbarer) Elektrizität erzeugt wird.» Das Ergebnis ist ein synthetischer Treibstoff, dessen kristallklare Flüssigkeit etwas dicker ist als Wasser und – anders als Benzin und Diesel, die mit Geschmacksstoffen angereichert werden – ähnlich riecht wie Vaseline.

Keine Utopie, sondern Technologie

Synfuels scheinen eine optimale Alternative zu herkömmlichen Treibstoffen zu sein: Mit den synthetisch hergestellten Brennstoffen lässt sich dieselbe Reichweite erzielen, es sind keine zusätzlichen Batterien notwendig – und sie funktionieren meist auch ohne den Umbau der Motoren. Werden sie darüber hinaus aus CO2-freiem Strom hergestellt, sind sie klimaschonend und verfügen über alle Vorteile konventioneller Erdölprodukte, aber ohne deren Nachteile. «Bei fossilem Kerosin entsteht nebst dem CO2 ein zusätzlicher Treibhauseffekt durch die Kondensstreifen, Stickoxide und Russpartikel aus der Verbrennung», sagt ETH-Professor Boulouchos. Diese menschengemachten Wolken würden die Wärmestrahlung der Erde abschirmen, wodurch es noch heisser werde. «Es ist zu erwarten, dass durch die chemische Zusammensetzung des synthetischen Kerosins und die entsprechende Abstimmung neuer Brennverfahren beim Flugzeugtriebwerk Stickoxide und Partikel wesentlich reduziert werden können. Schliesslich besteht die Möglichkeit, dass Flugzeuge in Zukunft bei niedrigerer Flughöhe operieren, was diese Sekundäreffekte zulasten eines etwas höheren CO2-Ausstosses vermindern würde», ergänzt er.

Dass die neuartige Technologie noch nicht im Alltag angekommen ist, liegt an den hohen Kosten und der fehlenden Infrastruktur zur Gewinnung von Wasserstoff und Kohlendioxid. Gleichzeitig fehlt es auch an Lagerkapazitäten sowie an grossen Mengen erneuerbarem Strom. Boulouchous schlägt deshalb eine gesetzlich vorgeschriebene Beimischquote vor. Sprich: Synfuels sollen mit herkömmlichen Treibstoffen gemischt werden, um Planungssicherheit in der Aufbauphase zu schaffen und durch das steigende Volumen eine Kostenreduktion zu erreichen. Derzeit sind diese Synfuels auf dem Markt noch nicht erhältlich. Bereits verfügbar sind hingegen sogenannte Advanced Biofuels aus Altfetten und -ölen. Laut der Fluggesellschaft Swiss ist aktuell nur 0,1 Prozent der weltweit benötigten Treibstoffe nicht-fossilen Ursprungs. as Potenzial sei allerdings riesig: Die Branche ist sich ihrer Verantwortung bewusst und anerkennt die grosse Bedeutung von SAF. Nun muss die Technologieentwicklung und Skalierung von SAF weltweit rasch vorangetrieben werden, ist man bei Swiss überzeugt.

Abheben ohne staatliche Unterstützung

Diskutiert wird auch eine zusätzliche Subventionierung dieser Treibstoffe, um die Skalierung zu beschleunigen. Schliesslich rechnet die Branche mit erheblichen Investitionen, um die neue Technologie grossflächig einzuführen. Laut einem Bericht von Aero Suisse werden die Kosten für die Umrüstung auf 500 bis 900 Millionen Franken geschätzt – allein in der Schweiz. Da es vom Bund aktuell wenig Förderung gibt, arbeiten vor allem die Forschung und einzelne Fluggesellschaften an der Technologie. Swiss-Kunden haben verschiedene Möglichkeiten, für ihren Flug SAF einzukaufen, um dadurch ihre flugbezogenen Emissionen zu reduzieren. Das Angebot ist in verschiedenen Kombinationen mit ergänzenden Investitionen in Klimaschutzprojekte erhältlich.

Swiss hat jüngst auch  den Green-Tarif eingeführt. Bei Auswahl dieses Tarifs werden durch die Nutzung nachhaltiger Treibstoffe die flugbezogenen CO2-Emissionen um 20 Prozent reduziert sowie die verbleibenden 80 Prozent durch einen Beitrag an Klimaschutzprojekte ausgeglichen. Durch die Integration der Entscheidung in den Buchungsprozess und die Zahlung hat sich die Nutzungsrate verzehnfacht. «Mit unseren SAF-Angeboten setzen wir wichtige Signale für den Markt, dass hier ein Bedarf besteht und die Produktion und Entwicklung von SAF vorangetrieben werden muss. Auch im Geschäftskundenbereich sind wir aktiv und konnten mit Unternehmungen wie Breitling oder Schweiz Tourismus eine Kooperation vereinbaren, welche die Firmen verpflichtet, ihre Geschäftsreisen vollumfänglich mit SAF durchzuführen. Weiter können Miles-&-More-Kunden ihre Prämienmeilen für eines der Angebote austauschen», heisst es seitens der Swiss. Ausserdem hätten Passagiere die Möglichkeit, sich auf Langstreckenflügen während des Fluges für eines der Angebote zu entscheiden.

Auch andere Fluggesellschaften wie die Lufthansa oder der Flugzeugbauer Airbus arbeiten an entsprechenden Lösungen. Letzterer strebt eine Zertifizierung aller neuen Flugzeuge für 100 Prozent SAF bis 2030 an. Denn aktuell ist eine maximale Beimischung von SAF zum herkömmlichen Kerosin von maximal 50 Prozent möglich. Die Lufthansa Group wiederum erprobt gemeinsam mit Swiss die Nutzung nachhaltiger Flugtreibstoffe. Gemeinsam gehen die beiden Fluggesellschaften verschiedene Partnerschaften und Kooperationen ein, wie beispielsweise mit Synhelion. Das Schweizer CleanTech-Start-Up stellt mithilfe von Sonnenlicht Synthesegas her und setzt damit auf das sogenannte Sun-to-Liquid-Verfahren. Bereits Ende 2023 will Synhelion die ersten Anlagen in Betrieb nehmen und Solartreibstoffe herstellen. Swiss ist überzeugt von der Innovation und schätzt die Technologie als «äusserst vielversprechend» ein. Ob damit der Durchbruch in eine nachhaltige Luftfahrt ermöglicht wird, in der Sonne, Luft und Wasser als Grundlage von Kraftstoff dienen, könnte sich also bald zeigen.

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