«Klimaneutral fliegen»: Das EU-Parlament will Greenwashing in der Werbung verbieten Ob Airlines, Brauereien oder Kleiderhersteller: Sie alle wetteifern um Kunden, indem sie behaupten, ihr Angebot sei ökologisch. Oft ist die allgemein gehaltene Werbung irreführend. Dagegen geht die EU nun vor.

Ob Airlines, Brauereien oder Kleiderhersteller: Sie alle wetteifern um Kunden, indem sie behaupten, ihr Angebot sei ökologisch. Oft ist die allgemein gehaltene Werbung irreführend. Dagegen geht die EU nun vor.

(Bild: Bram Naus auf Unsplash)

Unternehmen, die in der Werbung betonen, ihr Angebot sei klimaneutral oder umweltfreundlich, verschaffen sich einen Konkurrenzvorteil. Was «Klimaneutralität» aber genau bedeutet, dürfte nur wenigen Konsumenten bewusst sein – zu abgenutzt ist der Begriff mittlerweile.

Europas grösste Fluggesellschaft Ryanair etwa warb einst mit dem zu einer Buchung auffordernden Slogan «Fliege grüner nach . . .». Die niederländische Konsumenten- und Marktaufsichtsbehörde ACM beanstandete diese Aussage, weil sie unter anderem den Eindruck erwecke, dass Ryanair ökologischer unterwegs sei als die Konkurrenz. Den Beweis dafür blieb die Fluggesellschaft jedoch schuldig.

Die Airline, die stets mit harten Bandagen für ihre Interessen kämpft, liess sich erstaunlicherweise auf die Argumente der ACM ein. Vor rund einem Jahr ersetzte sie den Werbespruch unter anderem mit der Aufforderung, die Passagiere sollen die geschätzten CO2-Emissionen, die aufgrund des Fluges entstünden, mit Zertifikaten kompensieren.

Mehraufwand, aber auch Rechtssicherheit für die Firmen

Die EU will nun gegen Werbung, die das sogenannte Greenwashing betreibt, vorgehen. Am Mittwoch beschloss das Europäische Parlament, dass allgemein gehaltene Begriffe wie «klimaneutral», «grün» oder «umweltfreundlich» im Marketing verboten sind, wenn eine Firma nicht beweisen kann, dass dies auch der Fall ist. Ebenso untersagt sind Nachhaltigkeits-Labels, die nicht auf geprüften Zertifizierungsprozessen beruhen. Eine Firma darf schliesslich auch nicht mehr behaupten, dass ihr Produkt via eine CO2-Kompensation einen positiven Effekt auf die Umwelt habe.

Der Europäische Rat, also die Minister der Mitgliedsländer, müssen dem Verbot noch zustimmen. Verhandler des Rates haben der Übereinkunft allerdings bereits zugestimmt.

Für die Unternehmen bedeuten die Verbote, dass sie einen Mehraufwand auf sich nehmen müssen, wenn sie mit dem Klimaargument werben wollen. Gleichzeitig schafft das Gesetz Rechtssicherheit. Wirklich «grüne» Firmen haben sich nämlich auch darüber beklagt, dass sie in der Flut der Nachhaltigkeits-Labels untergingen.

Konsumentenschützer gehen gegen «Greenwasher» vor

In den EU-Ländern haben Konsumentenschutzverbände wiederholt gegen Firmen wegen Greenwashings geklagt, manchmal allein, manchmal in Kooperation mit Ministerien. In Österreich etwa spiegelte die Airline AUA vor, die Passagiere könnten umweltfreundlich an die Kunstmesse Biennale fliegen («CO2-neutral zur Biennale fliegen, für uns keine Kunst»). Ein österreichisches Gericht beurteilte diese Werbung im vergangenen Herbst als irreführend, weil der nachhaltige Flugtreibstoff SAF, auf den AUA in der Werbung anspielte, nur in kleinen Mengen dem Kerosin beigemischt werde.

Anlass zu Beschwerden gaben auch Labels wie «Ecodesign», die etwa Kleiderhersteller verwenden: Laut Konsumentenschützern, etwa aus den Niederlanden, stiften sie keinen Nutzen, sondern vor allem Verwirrung.

Eine weitverbreitete Form des Greenwashing ist die starke Betonung von «grünen» Investitionen: In Frankreich wurde deswegen das Rohstoffunternehmen Total Energie von Klimaschützern angeklagt. Sie argumentieren, die Firma investiere nach wie vor viel mehr Geld in Erdöl- und Gasanlagen als in alternative Energieformen.

Bei der Frage, was Greenwashing sei, stösst man rasch auf das Problem, dass Experten und Konsumenten Fachbegriffe unterschiedlich auslegen. So hatte die österreichische Brauerei Gösser um Kunden geworben, indem sie behauptete, ihr Bier werde vollständig CO2-neutral gebraut.

Ein Gericht verbot diese Aussage, denn für die Konsumenten bedeute sie, dass der ganze Herstellungsprozess umweltfreundlich vonstattengehen müsse, etwa auch das Mälzen. Die Brauerei dagegen stellte sich auf den Standpunkt, Brauen umfasse strenggenommen bloss die Verarbeitung von Hopfen, Malz und Wasser.

Der Bundesrat beruft sich auf bestehende Gesetze

In der Schweiz sind ähnliche Verbote, wie sie die EU nun voraussichtlich einführt, nicht geplant, obwohl es dazu im Nationalrat wiederholt Vorstösse gegeben hat. Erst im vergangenen Jahr hat zum Beispiel die grüne Politikerin Sophie Michaud Gigon dazu eine Motion lanciert. Sie forderte eine Arbeitsgruppe, die Richtlinien gegen das Greenwashing erarbeiten sollte.

Der Bundesrat sah die Motion jedoch nicht als notwendig an. Unter anderem meinte er, das Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb genüge, um gegen Auswüchse des Greenwashing vorzugehen.

Falsche oder irreführende Angaben über Produkte und Dienstleistungen sind in der Schweiz verboten. Konsumenten, Konkurrenten und Verbände können dagegen klagen. Auch der Bund darf das, wenn er Beschwerden erhält oder zur Überzeugung gelangt, er müsse das öffentliche Interesse schützen.

Daniel Imwinkelried, «Neue Zürcher Zeitung»

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