AHV-Reform: Jetzt erhalten Frauen bis zu 60 000 Franken geschenkt Frauen ab Jahrgang 1961 profitieren von generösen Kompensationen. Statt bis 65 zu arbeiten, lohnt es sich für viele, die AHV schon vorzeitig zu beziehen.

Frauen ab Jahrgang 1961 profitieren von generösen Kompensationen. Statt bis 65 zu arbeiten, lohnt es sich für viele, die AHV schon vorzeitig zu beziehen.

Frauen spüren das Rentenalter 65 in den nächsten Jahren noch kaum – den Entschädigungen sei Dank. (Foto: Ravi Patel auf Unsplash)

Die Abstimmung fiel denkbar knapp aus: 50,6% des Stimmvolkes sagten im Herbst Ja zur Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65. Bemerkenswert war ebenso der Geschlechtergraben. Noch nie bei einem Urnengang war die Differenz so gross: Während 62% der Frauen die AHV-Reform ablehnten, votierten die Männer mit 64% Ja klar dafür.

Künftig müssen die Frauen somit ein Jahr länger arbeiten. Wenn sie zu den Jahrgängen 1961 bis 1969 gehören, kommen sie dafür in den Genuss von grosszügigen Kompensationen. 3 Mrd. Fr. hat der Bund für diese Übergangsgeneration eingeplant.

Wie üppig diese Kompensationen effektiv ausfallen, sei vielen Frauen noch gar nicht bewusst, sagt der St. Galler Vorsorgespezialist Andreas Zeller. «Nach dem Motto «Tue Gutes und sprich darüber» sollten die Behörden besser aufzeigen, wie die Frauen von diesen Entschädigungen profitieren können. Zudem brauchte es eine bessere Aufklärung dazu, welche Art der Pensionierung sich für wen am meisten lohnt.»

Wie viel Geld bei dem Entscheid auf dem Spiel steht, verdeutlicht Zeller am Beispiel einer Frau, die im November 1961 geboren wurde. Als erster Jahrgang der Übergangsgeneration muss sie drei Monate länger arbeiten und erreicht somit im März 2026 den ordentlichen Ruhestand.

Anstatt länger zu arbeiten, könnte es sich für die Frau jedoch auszahlen, wenn sie im Gegenteil vorzeitig aufhört – den Kompensationen sei Dank. Konkret sollte sie sich überlegen, schon im März 2024 in Rente zu gehen. Sie erhält dadurch zwei Jahre länger die AHV, trotzdem sinkt ihre Rente nur minimal von 2058 Fr. auf 2017 Fr. im Monat – ein Minus von gerade einmal 2%.

Dieser Kürzungssatz ist einkommensabhängig. Für Frauen mit einem höheren Lohn erreicht er bis zu 6,5%. Im Vergleich zum Mann ist aber auch dieser Satz sehr lukrativ, wie das Beispiel zeigt: Wenn er die AHV schon zwei Jahre früher bezieht, so fällt seine Rente deutlich stärker, um 13,6% auf nur noch 1778 Fr.

«Frauen der Übergangsgeneration fahren bei der AHV in der Regel klar besser mit einer vorzeitigen Pensionierung», bilanziert Andreas Zeller. Zwar belohnt die AHV all jene, die bis zum ordentlichen Rentenalter arbeiten, mit einem Zuschlag. Der Betrag ist abhängig vom Jahrgang und dem Einkommen. Im Beispiel steigt die Rente um 40 Fr. auf 2098 Fr. pro Monat, wenn die Pensionierung erst im März 2026 erfolgt.

Für den Jahrgang 1960 gibt es 60 000 Franken weniger

Doch dies genügt bei weitem nicht, den um zwei Jahre späteren Rentenbeginn aufzuholen: Bis im März 2026 hat die frühpensionierte Frau von der AHV bereits 45 000 Fr. bezogen. Die Rente summiert sich bei einer Lebenserwartung von 88 Jahren auf 620 000 Fr. Arbeitet die gleiche Person dagegen bis im März 2026 weiter, so erreicht ihr gesamtes AHV-Einkommen lediglich 600 000 Fr. Eindrücklich ist ausserdem der Vergleich zu heute: Frauen bis Jahrgang 1960, welche die AHV um zwei Jahre vorbezogen haben, erhalten laut Zeller bis zum 88. Altersjahr lediglich eine Rente von 560 000 Fr. – ganze 60 000 Fr. weniger.

Noch grösser ist die Differenz zum Mann: «Für ihn lohnt sich ein vorzeitiger AHV-Bezug in der Regel nicht», erklärt Zeller, «es sei denn, die Person hat wegen gesundheitlicher Probleme nur noch eine geringe Lebenserwartung.» Auch hier das Beispiel zur Illustration: Ohne Rentenkürzung kann der Mann bis zum statistischen Lebensende mit 85 mit einem AHV-Einkommen von 500 000 Fr. rechnen. Weil die Rente bei einem Vorbezug aber um 13,6% tiefer ausfällt, beläuft sich das kumulierte Einkommen hier auf lediglich 470 000 Fr.

Simon Tellenbach vom VZ Vermögenszentrum bestätigt Zellers Einschätzung: «Frauen der Übergangsgeneration sollten einen vorzeitigen AHV-Bezug prüfen, denn die Konditionen fallen zum Teil sehr attraktiv aus.» Wobei die Rechnung stark variieren könne. Ohnehin stelle er in den Beratungen fest, dass noch viel Aufklärungsbedarf bestehe. «Vielen betroffenen Frauen ist zum Beispiel nicht bewusst, dass das Rentenalter nur in Drei-Monats-Schritten ansteigt und nicht auf einen Schlag 65 erreicht», erklärt Tellenbach.

Neu gibt es die Möglichkeit der Teilpensionierung

Ob eine Frühpensionierung drinliegt, hängt nicht nur von der AHV ab, sondern ebenso von der Pensionskasse. Auch hier wirke sich die AHV-Reform positiv aus, betont der VZ-Experte: «Neu ermöglicht die AHV eine Teilpensionierung, was gerade für Frauen der Übergangsgeneration interessant sein könnte. So profitieren sie von den Entschädigungen der AHV, können mit einem Teilzeitpensum aber weiter Geld in die Pensionskasse einzahlen.» Dabei bietet die AHV eine grosse Flexibilität: Zum Beispiel kann eine Person die Rente mit 63 Jahren erst zu 20% beziehen und den Anteil mit 64 auf 80% erhöhen.

«Ich gehe davon aus, dass viele Frauen der Übergangsgeneration ihre AHV vorbeziehen werden», erklärt Andreas Zeller aufgrund seiner Erfahrung als langjähriger Leiter einer AHV-Ausgleichskasse. Der frühere FDP-Nationalrat verweist auf die Reform von 1997, als das Frauenrentenalter von 62 auf 64 Jahre anstieg: «Damals waren die Kompensationen deutlich geringer als heute, und trotzdem machte jede vierte Frau von einem Vorbezug Gebrauch. Deshalb könnte der Anteil diesmal noch höher steigen.»

Für den Arbeitsmarkt kommt der Anreiz, frühzeitig in Rente zu gehen, zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn die Fachkräfte werden immer knapper. «Die Firmen müssen sich darauf einstellen, dass manche Frauen die Gelegenheit nutzen und bereits mit 62 oder 63 Jahren aus dem Erwerbsleben aussteigen», sagt Zeller. Pro Jahr sind es gegen 50 000, welche das Pensionsalter erreichen. Die Jahrgänge ab 1961 sollten nun prüfen, ob sich ein vorzeitiger Ruhestand für sie rechnet.

Albert Steck, «NZZ am Sonntag»

AHV kürzt Leistung: Weniger Geld bei Vorbezug

Bei der AHV gilt: Eine Senkung der Rente ist tabu. Doch nun hat der Bund im Stillen eine Kürzung durchgesetzt. «Mit der AHV-Reform wird die vorbezogene Rente nur noch als Teilrente ausbezahlt», erklärt der Vorsorgeexperte Andreas Zeller.

Was bedeutet das? Um eine Vollrente zu erhalten, muss man 44 Jahre in die AHV einbezahlt haben. Jedes fehlende Jahr reduziert die Rente um einen Vierundvierzigstel – also um gut 2%. Bisher galt auch die vorbezogene Rente als Vollrente, falls keine Beitragslücke vorlag. Neu wird die AHV bis zum regulären Rentenalter um die Zahl der Vorbezugsjahre gekürzt. Laut Zeller kann dies bei einem zweijährigen Vorbezug zu einer kumulierten Renteneinbusse von bis zu 2500 Fr. führen.

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