Altersvorsorge 2020: Das würde sich für Sie ändern Im September stimmt die Schweiz über die Reform der Altersvorsorge ab. Die Vorlage ist höchst umstritten und Experten sind sich uneinig über deren Wirkung. Klar ist: Je länger die Reformunfähigkeit der Politik andauert, desto mehr Verlierer wird die gegenwärtige Finanzierungssituation hervorbringen. Wer sind die Gewinner und Verlierer bei einer Annahme der Vorlage?

Im September stimmt die Schweiz über die Reform der Altersvorsorge ab. Die Vorlage ist höchst umstritten und Experten sind sich uneinig über deren Wirkung. Klar ist: Je länger die Reformunfähigkeit der Politik andauert, desto mehr Verlierer wird die gegenwärtige Finanzierungssituation hervorbringen. Wer sind die Gewinner und Verlierer bei einer Annahme der Vorlage?

Heute beinahe eine Selbstverständlichkeit, zeigt der Blick zurück in die Geschichte, welch Errungenschaft eine sichere Altersvorsorge für frühere Generationen einst war. Die AHV ging 1948 in der Nachkriegszeit aus der für den zweiten Weltkrieg eingerichteten Lohn- und Verdienstersatzordnung hervor. Das dann ins Leben gerufene Umlageverfahren wird noch heute praktiziert und stand damals wie heute für den Solidaritätsgedanken zwischen den Generationen. Die AHV wird seit 1948 durch Lohnabzüge sowie Beitragszahlungen der öffentlichen Hand, die primär aus Einnahmen der Alkohol- und Tabaksteuer hervorgehen, finanziert. Seit 1999 wird darüber hinaus ein Mehrwertsteuerprozent zur Stärkung der AHV erhoben. Auch die Erträge aus der Spielbankenabgabe werden seit dem Jahr 2000 zur Finanzierung der AHV verwendet. Während der gesamten Zeitspanne wurden im Weiteren die Lohn- und Bundesbeiträge laufend erhöht, sodass die AHV nach der Jahrtausendwende auf einem vorläufig soliden Fundament stand.

All diese Erweiterungen bei der Mittelbeschaffung für die 1. Säule wurden einerseits wegen des Leistungsausbaus, andererseits aber auch wegen des Demografieproblems notwendig. Die letztgenannte Thematik wird sich in den kommenden Jahren wegen der Pensionierungen der Babyboomer-Generation weiter zuspitzen. Deshalb braucht es, so weit sind sich alle einig, eine neue Reform. Doch auch die zweite Säule hat wegen der steigenden Lebenserwartung und des historisch tiefen Zinsniveaus, und somit fehlender Anlagemöglichkeiten, finanzielle Probleme. Deshalb wird im neusten Reformanlauf angestrebt, AHV und BVG nicht mehr getrennt voneinander anzuschauen. Viel mehr soll es diesmal gelingen, mit einer Reform beide Säulen zu reformieren, um die Renten zumindest während der nächsten 15 Jahre zu sichern.

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Diese Reformpakete sind bisher gescheitert

  • – In einer Volksabstimmung am 16. Mai 2004 wurde die 11. AHV-Revision mit 67.9% Nein und von allen Kantonen verworfen.
  • – Mit 68,6% und allen Ständen ebenfalls deutlich, lehnte das Stimmvolk in der Volksabstimmung am 16. Mai 2004 die Verfassungs­änderung zur Finanzierung der AHV/IV durch Anhebung der Mehrwert­steuer­sätze ab
  • – Die Volksabstimmung vom 7. März 2010 forderte eine Senkung des Mindest­um­wand­lungs­sat­zes auf 6.4%, wurde aber mit 72.7% Nein-Stimmen und von allen Kantonen abgelehnt.
  • – Eine Neufassung der 11. AHV-Revision scheiterte in der Schluss­abstimmung im Nationalrat mit 72 Ja- zu 118 Nein-Stimmen, zurückzuführen auf eine unheilige Allianz von SVP, SP und Grünen
  • – Im Herbst 2016 lehnten Volk und Stände auch die SP-Initiative AHV-Plus deutlich ab, wobei immerhin 40,6% der Bevölkerung und 5 Stände dem AHV-Ausbau zustimmten
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Die wichtigsten Inhalte der aktuellen Reform

  • – Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65
  • – Flexibilisierung des Rentenalters zwischen 62 und 70
  • – Anhebung des frühstmöglichen Pensionierungsdatums von 58 auf 62
  • – Erhöhung der Mehrwertsteuer von 8,0 auf 8,3%
  • – Erhöhung der AHV-Lohnabzüge von 8,4% auf 8,7%
  • – Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8% auf 6%
  • – Kompensation der Rentensenkung mit einem AHV-Zustupf von CHF 70
  • – Erhöhung der PK-Beitragszahlungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern
  • – Senkung Koordinationsabzug von CHF 24’675 auf CHF 21’150
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Eine Paket-Lösung, in der die AHV und PK gleichermassen Reformen erfahren, erscheint sinnvoll. Mit einem ausgeglichenen Massnahmenkatalog kann dadurch namentlich eine Kompensation von Renteneinbussen garantiert werden. Die Kompensation der Verluste in der Pensionskasse über eine pauschale Erhöhung der AHV ist dahingegen äusserst umstritten und letzlich der Hauptgrund für die hitzige Differenzbereinigungsphase zwischen National- und Ständerat im Februar 2017. Der von einer CVP-SP-Allianz dominierte Ständerat gab die heute vorliegende Lösung weitgehend vor und war während der Differenzbereinigung nicht mehr bereit, vom Grundsatz der Kompensation über die AHV abzuweichen. Das Gegenlager, bestehend aus den Fraktionen von SVP und FDP, stimmte auf der anderen Seite nicht geschlossen gegen den Vorschlag des Ständerats. Die Tessiner Vertreter der LEGA, aber auch einzelne Magistraten des Bauernverbands sympathisierten offen mit der Reform, da sie sich von der Erhöhung der AHV eine Verbesserung für einzelne Berufsgruppen erhofften, die keinen Zugang zur Pensionskasse haben. Bauern sind als selbstständige Unternehmer beispielsweise nicht dazu verpflichtet, in die Pensionskasse einzuzahlen. Insofern ist ihr einziger Schutz im Alter die AHV. Auch Teilzeitarbeitende haben häufig keine Pensionskasse, da Einkommen bis CHF 24’675 mit dem geltenden Koordinationsabzug nicht in die Pensionskassen aufgenommen werden. Die FDP hat wiederholt propagiert, über die Abschaffung des Koordinationsabzugs statt über die AHV die Einbussen in der Pensionskasse zu kompensieren. Damit hätten primär Kleinstverdiener eine Verbesserung erfahren – die Situation für den Mittelstand hätte sich aber verschlechtert.

Gewinner und Verlierer der Reform

Durch die Senkung des Umwandlungssatzes für alle Neurentner werden primär die Pensionskassen entlastet, die auch wegen des Niedrigzinsumfelds zusehends Mühe bekundet haben, gewinnbringend mit dem Kapitaldeckungsverfahren zu operieren. Auch Neurentner sind trotz des künftig niedrigeren Umwandlungssatzes eher Gewinner. Denn die Kompensation über die AHV fällt allen zu, auch jenen die keine Pensionskasse haben. Somit gehört ein Grossteil der Teilzeitarbeitenden, deren BVG trotz leichter Korrektur noch immer durch den Koordinationsabzug marginalisiert wird, und Bauern automatisch zu den Gewinnern der Reform. Durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 8,3% werden sowohl Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer und Rentner gleichermassen und proportional zu ihrem Konsum belastet. Aktuelle Rentner, die weder von der höheren AHV, noch von den tieferen Umwandlungssätzen betroffen sind, sind daher eher auf der Verliererseite anzusiedeln. Ganz klare Verlierer sind die Jungen, die bei sämtlichen Massnahmen eine Verschlechterung ihrer Situation erfahren. Neben den Arbeitgebern sind es primär sie, welche dauerhaft höhere Beitragszahlungen von neu 8,7% in die AHV leisten müssen. Frauen werden generell stärker belastet, da sie einerseits mit der Erhöhung des Rentenalters den grössten Finanzierungsbeitrag leisten, andererseits aber gleichermassen wie Männer von allen Kürzungen betroffen sind. Die Arbeitgeber profitieren zwar vom höheren Rentenalter der Frauen, sowie der neuen Flexibilisierung des Rentenalters zwischen 62 und 70, sie haben aber gleichermassen höhere Mehrwertsteuern und AHV-Beiträge zu berappen und sind in der Endabrechnung auch eher Verlierer der Reform.

Tendeziell Gewinner

  • – Pensionskassen
  • – Neurentner (Babyboomer)
  • – Bauern und Teilzeitarbeitende

Tendenziell Verlierer

  • – Aktuelle Rentner
  • – Arbeitgeber

Klare Verlierer

  • – Junge Generation
  • – Frauen

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