«Chefs wissen nicht immer alles am besten» – Axa Schweiz schafft Titel wie Vizepräsident ab und passt das Vergütungssystem an Künftig sollen Entscheidungen beim Schweizer Arm der Versicherungsgruppe auf mehr Köpfe verteilt werden. Damit will sich Axa den Bedürfnissen der jüngeren Generationen anpassen.

Künftig sollen Entscheidungen beim Schweizer Arm der Versicherungsgruppe auf mehr Köpfe verteilt werden. Damit will sich Axa den Bedürfnissen der jüngeren Generationen anpassen.

(Bild: Mimi Thian auf Unsplash)

Axa Schweiz hat per Anfang 2024 Zusatztitel im Organigramm abgeschafft, die Hierarchie angepasst und ein neues Vergütungssystem eingeführt. Das hatte als Erstes der «Blick» vermeldet. Das Versicherungsunternehmen bestätigt den Schritt auf Anfrage der NZZ. Bezeichnungen wie Vizepräsident wird es bei Axa Schweiz künftig nicht mehr geben. Generell wird ab 2024 bei dem Unternehmen mehr auf Verantwortung und das Expertenwissen der einzelnen Mitarbeitenden gesetzt.

Es gehe darum, von einer «Statushierarchie» zu einer «Verantwortungshierarchie» zu kommen, in der sich alle Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Position im Unternehmen einbringen und es mitgestalten könnten, sagt Daniela Fischer, HR-Leiterin Axa Schweiz, im Gespräch.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten nicht nach den «Ehrentiteln» wie geschäftsführender Direktor, Direktor, Vizepräsident und stellvertretender Vizepräsident streben, also den Zusatztiteln, die bisher zusätzlich zu den Stellenbezeichnungen im Rahmen von Beförderungen vergeben worden seien. Statt diesen «Statussymbolen» solle die Freude an einem Aufgabenwechsel im Fokus stehen, sagt Fischer.

Diese Titel hätten einen zu hierarchischen Touch gehabt und stammten noch aus einer anderen Zeit. Axa Schweiz proklamiert damit das Ende der Ära, in der Grossunternehmen streng hierarchisch geführt wurden, ein Chef Anweisungen gab und der Mitarbeiter nur ausführte. Es sei eine Ära gewesen, in der die Stufe auf der Karriereleiter den sozialen Status bestimmt habe, schreibt das Unternehmen. Laut der Personalleiterin soll niemand im Unternehmen mehr ungeduldig auf einen Titel warten müssen.

Schneller zu mehr Gehalt

Hierarchien wird es bei Axa Schweiz weiterhin geben. Chefs und Führungsfunktionen wie CFO, HR-Leiterin und Einkaufschefs bleiben bestehen. Allerdings soll in Zukunft die Entscheidungskompetenz auf mehrere statt nur wenige Personen verteilt werden.

«Bei Axa Schweiz kann man nicht mehr befördert werden», sagt Fischer. Stattdessen würden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Positionen wechseln. In Zukunft würden sie auf 13 verschiedenen «Job-Levels» arbeiten. Diese seien über den Verantwortungsgrad im Unternehmen definiert. Insgesamt 450 Positionen verteilten sich auf diese Levels. Sie definieren, welche Entscheidungsbefugnis eine Person im Unternehmen hat.

Mit dieser neuen Struktur wurden die Karriereschritte verkürzt und die Aufstiegschancen beschleunigt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können schneller in kleineren Schritten mehr Verantwortung übernehmen und damit auch schneller mehr verdienen. Axa Schweiz erhofft sich auf diese Weise mehr Mobilität auf den Positionen innerhalb des Unternehmens. «Die Mitarbeiter sollen sich stetig entwickeln», sagt Fischer.

Hintergrund für den Schritt sei ein Kulturwandel in der Arbeitswelt, erklärt Fischer. Junge Menschen wollten schneller Einfluss nehmen können auf ihr Unternehmen. «Die jüngere Generation will sich schnell entwickeln, mitsprechen und entsprechend honoriert werden – nicht ein paar Jahre warten», so Fischer. Man könne sich im Unternehmen verwirklichen, indem man verantwortungsvolle Positionen einnehme.

Man wolle nicht mehr alle Macht auf wenige Mitarbeiter beschränken. Viele Mitarbeiter sollen entscheiden können. «Chefs wissen nicht immer alles am besten», erklärt die Personalchefin. Das sei in der heutigen, sich schnell verändernden Arbeitswelt auch gar nicht mehr möglich. Viele Aufgaben seien so komplex, dass einer allein gar nicht entscheiden könne. Deswegen seien auf den höheren Job-Levels auch ausgewiesene Experten zu finden und nicht nur Personen mit Führungsverantwortung.

Die Leitungen der Bereiche überlassen viele Entscheidungen künftig einzelnen Teams und konzentrieren sich stattdessen auf die Strategie und das Budget. Die Kontrolle soll an Experten auf deren jeweiligen Gebieten abgegeben werden, damit sie autonom und eigenverantwortlich arbeiten können.

Dieselben Anteile am Unternehmenserfolg

Des Weiteren hat Axa Schweiz das Vergütungssystem angepasst. Es sei nun transparenter und konzentriere sich mehr aufs Kollektiv als auf die individuelle Leistung. Die Höhe des Bonus ist vertraglich festgehalten. Der variable Anteil des Bonus ist neu für alle Mitarbeiter auf demselben Level gleich und im Vornherein bekannt. Laut Fischer muss deswegen niemand im Unternehmen Einbussen hinnehmen.

Es ist nicht das Ziel des Unternehmens, die Hierarchie gänzlich abzuschaffen. Es brauche sie für eine gewisse Verantwortlichkeit, führt Axa Schweiz aus.

Der Schritt von Axa gehe in die richtige Richtung, wenn man einen Kulturwandel anstrebe und Inklusion vorantreiben wolle, sagt Daniela Frau, Dozentin an der ZHAW für Führungs- und Personalthemen. Es erfordere aber auch, dass Mitarbeitende die Verantwortung wahrnähmen. Es gebe auch solche, die das gar nicht wollten. «Man kann nicht davon ausgehen, dass alle mehr Eigenverantwortung wollen», sagt Frau. Anderseits bestehe das Risiko, diejenigen zu demotivieren oder zu verlieren, deren Leistung stark mit Geld verbunden sei. Dieses Risiko könne Axa bewusst in Kauf genommen haben, um mehr intrinsisch motivierte Mitarbeitende zu fördern. Privilegien abschaffen könne ausserdem den Austausch zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmern fördern, so Frau.

Es seien jedoch auch schon andere Unternehmen am Versuch gescheitert, flachere Hierarchien einzuführen, bestätigt Frau. Wichtig sei, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kompetenzentwicklung und in Self-Leadership zu schulen. Zudem sei die Akzeptanz für eine ausgeprägte Fehlerkultur wichtig, dann würden sich auch die Jungen trauen, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Raffaela Angstmann, «Neue Zürcher Zeitung»

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