Köche sind die neuen Banker: Mit Headhuntern und Boni machen Hoteliers Jagd auf Fachkräfte. Das verteuert die Zimmerpreise Im Gastgewerbe wird um jeden Mann und jede Frau gestritten. Mit Folgen: Die Hälfte aller Schweizer Hotels will die Tarife diesen Sommer erhöhen.

Im Gastgewerbe wird um jeden Mann und jede Frau gestritten. Mit Folgen: Die Hälfte aller Schweizer Hotels will die Tarife diesen Sommer erhöhen.

(Bild: Louis Hansel auf Unsplash)

Ein Chef de Partie ist ein Chefkoch, der in einem Restaurant Küche und Mitarbeiter organisiert. Und es ist gerade eines der gefragtesten Jobprofile auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Zum Start der Sommersaison sind im Gastgewerbe noch viele Stellen frei. Manch ein Hotel- oder Restaurantbesitzer wird langsam nervös.

Entweder, weil seine Schlüsselpositionen noch unbesetzt sind. Oder, weil er fürchtet, dass ihm ein Konkurrent im letzten Moment die guten Leute ausspannt.

«Teilweise brauchen Hotels so dringend einen neuen Koch, dass sie bis zu 500 Franken pro Monat mehr bieten», sagt Martin von Moos, Geschäftsführer zweier Hotels rund um Zürich sowie Präsident des Verbands Hotelleriesuisse. Aber auch, wenn man 200 oder 300 Franken pro Monat mehr angeboten bekomme, sei das natürlich lukrativ. «Das verschärft die Fluktuation», sagt von Moos.

Gemäss einer neuen, bisher unveröffentlichten Umfrage von Hotelleriesuisse haben vier von fünf Hotelbetrieben in der Schweiz Mühe, alle Stellen zu besetzen.

Die Situation ist paradox: Es wird wieder viel gereist, und die Schweiz ist bei Touristen hoch im Kurs. Aber aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels können die Betriebe ihr Potenzial nicht ausschöpfen.

Gemäss der Umfrage haben bereits 30 Prozent der Hoteliers ihr Angebot wegen fehlenden Personals anpassen müssen. Etwa, indem sie nicht mehr alle Zimmer vermieten oder die Öffnungszeiten verkürzen. Im Schnitt kostet sie das 5 Prozent Umsatz.

Die Vermittlung von erfahrenen Hotel- oder Gastro-Angestellten ist dagegen ein gutes Geschäft. Diese Woche machte der Fall eines Headhunters Schlagzeilen, welcher in den neun Betrieben des Zürcher Gastrounternehmers Christian Kramer Hausverbot bekam. Zuerst berichtete das Portal «Inside Paradeplatz» darüber.

«Headhunter sind eine Plage»

«Die Headhunter sind eine Plage. Die verlangen zum Teil 10 000 bis
20 000 Franken für eine Vermittlung», sagt Kramer. Es komme vor, dass die vermittelten Angestellten dann nach drei Monaten schon wieder weg seien, weil sie woanders noch mehr verdienten. «Trotzdem sind wir auf diese angewiesen», sagt Kramer.

Da das Gerangel oft über den Lohn ausgetragen wird, steigen im Gastgewerbe die Kosten. Das hat Folgen: 52 Prozent der von Hotelleriesuisse befragten Hotels gaben an, in diesem Sommer die Preise zu erhöhen. In den ländlichen Gebieten sind es sogar zwei Drittel aller Betriebe.

«Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen Hotelzimmerpreisen und dem Fachkräftemangel», sagt der Hotelleriesuisse-Präsident von Moos. Das Gastgewerbe sei eine Branche mit sehr dünnen Margen und im Moment würden die Personalkosten massiv steigen. «Wir können das nicht irgendwie abfedern, sondern müssen es an die Kunden weitergeben», sagt von Moos.

Tatsächlich begründen es in der Umfrage zwei von drei Hotels, bei welchen die Preise steigen, dass dies an den höheren Personalkosten liege.

Der Fachkräftemangel beschäftigt das Gastgewerbe zwar schon lange, aber die Situation verschärft sich. «2019 – also vor Corona – wurden in der Schweiz pro Jahr rund 20 000 Fachkräfte für die Hotellerie und Gastronomie gesucht. Letztes Jahr waren 85 000», sagt Mauro Cerutti, der für die Online-Stellenbörse Stepstone arbeitet und in der Schweiz die Portale Hotelcareer und Gastrojobs betreibt. Den grössten Mangel gebe es bei Köchen und beim Servicepersonal.

Auch Cerutti, selbst ein ehemaliger Hotelier, hat mitbekommen, dass in der Branche Jagd auf die Mitarbeiter des Konkurrenten gemacht wird. «Das sorgt für zusätzlichen Stress für die Hoteliers und Gastronomen.»

Immerhin: Mittlerweile hat auch der letzte Beizer und Hotelier mitbekommen, dass er sich um sein Personal bemühen muss. Das kommt den Angestellten zugute. Experten sprechen von einem Arbeitnehmermarkt.

Um den Job attraktiver zu machen, wird mit allerlei Massnahmen experimentiert. Am meisten bewähren sich allerdings altbekannte Geld- und Feriengeschenke.

Laut der Hotelleriesuisse-Umfrage haben oder planen 42 Prozent der Schweizer Betriebe Treueboni in Form von mehr Lohn oder mehr Ferien für loyale Angestellte. Auch der Verbandspräsident Martin von Moos arbeitet mit diesem Instrument. Einmal im Jahr wird bei ihm ein Treuebonus ausbezahlt. «Das ist ein Anreiz für unser Personal, dabeizubleiben», sagt er.

Keine Trendwende in Sicht

Zudem versuchen die Hoteliers, dem Bedürfnis nach einer besseren Work-Life-Balance nachzukommen, auch wenn das schwierig ist. Im Gastgewerbe wird nun einmal dann gearbeitet, wenn der grosse Teil der Bevölkerung Freizeit hat. Trotzdem haben rund 30 Prozent der Betriebe die unbeliebte Zimmerstunde, also die unbezahlte Pause zwischen der Arbeit am Mittag und am Abend, abgeschafft. 10 Prozent wiederum haben die Wochenarbeitszeit verkürzt.

Auf geringes Interesse stösst hingegen das Modell der Viertagewoche, obwohl dieses gerade sehr viel Beachtung erfährt. 24 Prozent der befragten Hotels gaben an, diese geprüft zu haben. Aber nur 4 Prozent haben sie tatsächlich umgesetzt. «Jeder Hotelier ist ein Unternehmer und muss eigene Lösungen finden. Wichtig ist, dass er aufs Personal zugeht und ihre Bedürfnisse abholt», sagt Martin von Moos.

Trotz allem: Die Branche muss wohl lernen, mit dem chronischen Unterangebot an Arbeitskräften zu leben. Denn es deutet nichts darauf hin, dass sich der Trend irgendwann in naher Zukunft dreht. Obwohl das Gastgewerbe zahlreiche Initiativen lanciert hat, hapert es etwa bei der Rekrutierung von Lehrlingen, geben die Hotelleriesuisse-Mitglieder an.

«Die heutige Generation ist vielleicht nicht mehr so bereit für das Engagement, das es für das Gastgewerbe braucht. Das zieht sich durch alle Hierarchiestufen durch», sagt Dieter Galliker.

Der Luzerner ist mit seiner Firma 4success seit 27 Jahren in der Vermittlung von Führungskräften in der Hotellerie, Gastronomie und dem Tourismus tätig. Er sagt: «Corona hat sehr vieles verändert. Es ist mittlerweile auch schwierig geworden, Hoteldirektoren zu finden und diese Stellen zu besetzen.»

Es sei ein globales Problem. Selbst in Asien, wo er eine Niederlassung hat, würden Hoteliers händeringend Profis suchen. Dort wie hier gelte, dass man das Personal pflegen müsse. «Wer während Corona die Leute behalten und ihnen weiterhin einen Lohn ausbezahlt hat, hat heute wenig Probleme. Wer hingegen alle entlassen hat, ist heute in einer schwierigen Position.»

Moritz Kaufmann, «Neue Zürcher Zeitung»

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