So bluffen Sie sich durchs Berufsleben 100 Ideen für ein besseres Leben: Eine Anleitung in sechs Schritten. Achtung, das Lachen könnte Ihnen im Hals stecken bleiben.

100 Ideen für ein besseres Leben: Eine Anleitung in sechs Schritten. Achtung, das Lachen könnte Ihnen im Hals stecken bleiben.

Am Arbeitsplatz ist man Bullshit in toxischen Dosen ausgesetzt. (Bild: Marten Bjork auf Unsplash)

Nein, Intelligenz hilft Ihnen am Arbeitsplatz wenig. Wenn überhaupt, sind dort geistreiche Menschen im Nachteil: Im Büro geben einfältige, stromlinienförmige und politisch korrekte Personen den Ton an. Mit diesen sechs Grundsätzen kommen Sie in der lebensfeindlichen Umgebung Ihres Unternehmens dennoch voran – ohne den Verstand und Ihre Würde zu verlieren.

  1. Gewöhnen Sie sich Ironie ab, jedenfalls die Art von Ironie, die Menschen an der Macht als solche erkennen. Humor macht Sie verdächtig. Er erweckt den Eindruck, Sie seien nicht mit dem gebührenden Ernst bei der Sache. Vervollkommnen Sie sich dagegen in der Königsdisziplin der Ironie, dem feinen Sarkasmus. Nur die zwei, drei Exoten in der Firma, die etwas Grips haben, dürfen erraten können, dass Ihre mit warmem Lächeln vorgetragene Eloge auf die Abteilungsleiterin ganz und gar nicht als Kompliment gemeint ist. Wenn Sie fliessend in der Sprache der Doppeldeutigkeiten werden, können Sie sich auf Kosten Ihrer arglosen Kollegen amüsieren – und diese werden begeistert an der eigenen Demontage mitwirken. Im Verdachtsfall können Sie alles entrüstet von sich weisen, Stichwort: «plausible deniability».
  2. Haben Sie sich dieses Rüstzeug einmal angeeignet, meistern Sie auch Schritt 2 spielend: Stellen Sie sich konsequent an die Spitze des herrschenden Zeitgeist-Gedöns. Stehen die Zeichen im Büro auf Diversity, könnten Sie zum Beispiel anregen, dass für die ausgeschriebene Stelle einem schwarzen Transgender-Mensch im Rollstuhl der Vorzug gegeben wird. Falls sich wider Erwarten keine Talente mit diesen Attributen melden, haben Sie natürlich weitere woke Wunschprofile in der Hinterhand: eine pansexuelle Shiitin mit Hijab zum Beispiel. Das Wesen des Bullshits, der nirgends so frisch dampft wie in den Büros von Grossfirmen und Verwaltungen, ist ja gerade, dass man nicht dick genug auftragen kann. Mehr ist besser.
  3. Hier ein kleiner Exkurs zum Thema Bullshit, eine Konstante in der Arbeitswelt. Die Worthülsen aus der Chefetage können ganz schön nerven. Aber vergessen Sie nie: Eine gute Miene zu diesem bösen Spiel ist absolut zentral für Ihr Fortkommen. Ein kleiner Trick, für den wahrscheinlichen Fall, dass Ihr Vorgesetzter dauernd leere Phrasen drescht und dabei Zeichen der Zustimmung von Ihnen erwartet. Sagt er: «Für diesen Task brauchen wir ein agiles Mindset», wiederholen Sie einfach die letzten beiden Wörter, also «agiles Mindset». Ihr Chef wird sich bestätigt sehen und mit seinem absurden Monolog weiterfahren: «Ein agiles Mindset können wir nur durch Lösungsoffenheit und Flexibilität sicherstellen.» Sie erwidern wie aus der Pistole geschossen: «Lösungsoffenheit und Flexibilität», und so weiter. Ihr Chef wird die vermeintliche Konversation in angenehmer Erinnerung behalten und Sie als stimulierenden Gesprächspartner. Sie wiederum konnten beim Bullshit-Bingo mitspielen, ohne sich geistig zu beschmutzen. So erhalten Sie sich Ihre Selbstachtung, das wahrscheinlich höchste Gut am toxischen Arbeitsplatz.
  4. Hören Sie auf, sich zu hinterfragen. Alle anderen, die es in Ihrer Firma zu etwas gebracht haben, tun es ja auch nicht. Selbstzweifel sind der grössere Stolperstein als mangelndes Talent, ein geringer IQ oder fehlender Arbeitseinsatz. Besonders mühelos kommen Sie durchs Berufsleben, wenn Sie laut reden, eine naive Begeisterung für die wirren Ideen aus der Chefetage an den Tag legen und natürlich zu 120 Prozent von sich selbst überzeugt sind. Eine steile Karriere liegt drin, wenn Sie narzisstische Eigenschaften – oder sagen wir: Tugenden – entwickeln können. Diese erlauben es Ihnen, sich bedenkenlos jede höhere Aufgabe zuzutrauen – von der Sie natürlich keinen blassen Dunst zu haben brauchen.
  5. Reden Sie den Leuten konsequent nach dem Mund. Ist Ihr Chef ein Militärkopf, dann sollten Sie sich jenen Kasernenton und Jargon angewöhnen, den einfach gestrickte Menschen mit Armeehintergrund halt so verwenden. Sprechen Sie zum Beispiel konsequent von der «nächsten Geländekammer» oder davon, wie Sie die Konkurrenz «unschädlich machen» werden. Und klar war die Panzergrenadier-Rekrutenschule auf dem Waffenplatz Thun die beste Zeit Ihres Lebens. Ist Ihr Chef ein Militärkopf, die Chef-Chefin hingegen eine Esoteriktante, wird Ihnen das einen Sondereffort abverlangen. Sie wollen dann martialisch wirken, aber in Gegenwart der Chef-Chefin auch achtsam-gespürig, mit starken spirituellen Überzeugungen. So ein Spagat ist anspruchsvoll, aber machbar. Und die Herausforderung hat einen Vorteil. Sie kann Sie vor dem Boreout in einer sonst gänzlich reizarmen Umgebung bewahren.
  6. Betreiben Sie penetrantes, schamloses Selfbranding. Der tägliche Post auf Linkedin ist ein Must. Dort danken Sie Ihrer Chefin überschwänglich für die gelungene Betriebsfeier – wo Sie sich trotz reichlich Alkohol tödlich langweilten. Sie gratulieren dem besonders talentlosen Mitarbeiter herzlich zur Beförderung, die Sie hinter den Kulissen erfolglos zu hintertreiben versucht haben. Und Sie stellen das mittelmässige, in die Jahre gekommene Software-Tool Ihres Unternehmens als «KI on steroids» dar, das allen Kunden exponentielles Wachstum ermöglichen werde. Wann immer Ihre Firma einen hirnlosen «corporate rain dance» aufführen lässt, sollten Sie diesen in dem beruflichen Netzwerk distanzlos dokumentieren. Denn bei der Selbstdarstellung via Linkedin gilt die gleiche Formel, die wir schon in Punkt 2 (Stichwort: Bullshit) kennengelernt haben: Der Inhalt ist gleichgültig. Aber mehr ist besser.

Es gibt nur eine Gefahr bei der Befolgung dieser Grundsätze. Sie könnten einer Selbsttäuschung erliegen und das Spiel oder – noch schlimmer – sich selbst ernst zu nehmen beginnen. Dann ist Zeit für einen Jobwechsel! Sonst werden auch Sie toxisch.

Markus Städeli, «Neue Zürcher Zeitung»

100 Ideen für ein besseres Leben

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