So gelingt die Verhandlung mit der Chefin Mehr Lohn, ein höheres Arbeitspensum oder unbezahlte Ferien: Für Verhandlungsgespräche mit Vorgesetzten braucht es weit mehr als ein selbstbewusstes Auftreten.

Mehr Lohn, ein höheres Arbeitspensum oder unbezahlte Ferien: Für Verhandlungsgespräche mit Vorgesetzten braucht es weit mehr als ein selbstbewusstes Auftreten.

 

Büro im Roche-Turm in Basel: Um ein Verhandlungsgespräch erfolgreich zu führen, ist eine gute Vorbereitung nötig (Bild: Simon Tanner / NZZ).

Der Entschluss ist gefasst, eine Lohnerhöhung zu verlangen, das Arbeitspensum den neuen Lebensumständen anzupassen oder den Traum einer Auszeit zu verwirklichen. Es gilt nur noch, den richtigen Moment zu finden, um das Thema mit der Chefin oder dem Vorgesetzten aufzunehmen, sich nicht abwimmeln zu lassen und einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Damit ist die erste Hürde genommen.

Die Vorbereitung auf das Verhandlungsgespräch ist dabei die halbe Miete. Es geht darum, wichtige Fakten zu sammeln und sich über die Interessenlage zu informieren. Für Gehaltsverhandlungen sollte man beispielsweise wissen, wie hoch der aktuelle Marktlohn ist. Ausserdem kann man sich vor Augen führen, wie die Chefin in ähnlichen Fällen entschieden hat und welchen Verhandlungsstil sie pflegt.

Um sich über die eigene Verhandlungsposition klarzuwerden und gleichzeitig die Position des Vorgesetzten richtig einzuschätzen, kann man sich einfache Fragen stellen wie «Was will ich mit dem Gespräch erreichen?», «Warum soll mein Vorgesetzter mit mir verhandeln?», «Welche Grundwerte vertritt er, und könnte es in der Verhandlung zu Konflikten mit meinen eigenen Werten kommen?», «Welches sind meine schlagkräftigsten Argumente?», «Welches sind meine wichtigsten Prioritäten?», «Was bin ich bereit zu opfern und zu welchem Preis?», «Welche roten Linien ziehe ich, beziehungsweise welche Punkte sind für mich nicht verhandelbar?» und «Welche Seite wird eher bereit sein, aus den Verhandlungen auszusteigen, wenn sie nicht bekommt, was sie will?»

Einen Plan B in der Schublade

Entscheidend ist es, einen Plan B in der Schublade zu haben. Die beste Alternative, falls die Verhandlung nicht das gewünschte Ergebnis bringt, stärkt die eigene Position. Die Gehaltsverhandlung beim Einstellungsgespräch fällt beispielsweise leichter, wenn man einen gut bezahlten Job aufgeben würde oder ein anderes attraktives Stellenangebot in Aussicht hat. In einer starken Verhandlungsposition ist auch ein Leistungsträger, der beim Arbeitgeber bleiben will, wenn schon fast das ganze Team zur Konkurrenz abgewandert ist.

Häufig befinden sich Mitarbeitende allerdings nicht in einer derart komfortablen Lage. Will man ein höheres Gehalt, unbezahlte Ferien oder eine Änderung des Arbeitspensums erreichen, spielen das Arbeitsverhältnis und der Verhandlungsstil eine bedeutende Rolle. Ist die Chefin an einem Gespräch auf Augenhöhe und einem für beide Seiten guten Verhandlungsergebnis interessiert, oder will sie ihre kurzfristigen Interessen auf Kosten des Angestellten durchsetzen? Sieht sich dieser selbst als Bittsteller oder als Verhandlungspartner?

Beliebte Abwehrtaktiken der Chefs

Wer sich nicht in die Rolle des Bittstellers drängen lassen oder in die Defensive geraten will, lässt beliebte Abwehrtaktiken von Vorgesetzten bewusst ins Leere laufen. Dazu zählen etwa der pauschale Vergleich mit Kolleginnen und Kollegen («Du verdienst jetzt schon zu viel»), Drohungen («Dann sehe ich mich gezwungen, andere Massnahmen zu ergreifen»), persönliche Angriffe oder Abwertungen («Deine Leistung hat nachgelassen»), ein schlechtes Gewissen machen («Das müssen dann deine Kollegen ausbaden»), Verantwortung abschieben («Mir sind leider die Hände gebunden») oder Beschwichtigungen («Das ist ein guter Punkt, den müssen wir im Auge behalten»).

Chefinnen und Chefs, die um jeden Preis als Gewinner aus der Verhandlung gehen wollen, haben ein besonders leichtes Spiel, wenn der Mitarbeitende nicht gewohnt ist, seine Interessen hartnäckig zu vertreten. Wer im Zweifel lieber einlenkt, um keinen Konflikt zu provozieren und das Arbeitsverhältnis nicht zu gefährden, sollte sich überlegen, was er durch die Verhandlung gewinnen kann. Der eine stellt sich vielleicht die langersehnten Familienferien vor, die andere überschlägt den Betrag, der ihr bis zur Pensionierung entgeht, wenn sie nicht regelmässig mehr Lohn erhält.

Verhandlung auf Augenhöhe

Nicht alle Vorgesetzten gehen auf Konfrontation. Es gibt auch Chefinnen und Chefs, die den Mitarbeitenden nicht als Gegner sehen, sondern Verhandlungen auf Augenhöhe führen und eine Vorliebe für Kompromisslösungen haben. Im Vordergrund stehen dann nicht die Positionen, die mit harten Bandagen verteidigt werden, bis jemand gewinnt und sich der andere geschlagen gibt.

Kompromissbereite Vorgesetzte streben vielmehr einen Interessenausgleich und Verhandlungsresultate an, die für beide Seiten Vorteile bringen, aber auch Zugeständnisse verlangen. Der Vorgesetzte vertritt zwar seine Positionen konsequent, will aber den Angestellten auch nicht übervorteilen und setzt sich dafür ein, das Vertrauensverhältnis langfristig zu wahren. Respekt und Wertschätzung bilden den Grundstein sowohl für die Verhandlung als auch für die weitere Zusammenarbeit.

Es braucht Fingerspitzengefühl

Für den Mitarbeitenden geht es in den Verhandlungen darum, seine Interessen entschlossen und zielgerichtet zu vertreten. So sollte etwa das Ziel bereits von Beginn an klar benannt werden. Entschlossenheit und Durchsetzungskraft werden oft mit einem selbstbewussten, bisweilen fordernden oder forschen Auftreten gleichgesetzt. Dies kann zu der falschen Annahme verleiten, je aggressiver man seine Positionen vertrete, desto grösser sei auch der Erfolg.

Tatsächlich ist es meist wenig zielführend, sich an einer fixen Wunschvorstellung festzuklammern und diese mit übertriebenem Kampfgeist durchzuboxen. So kann man sich etwa im Vorfeld die beste Alternative zu einer Lohnerhöhung überlegen und, falls diese nicht bewilligt wird, Weiterbildungsangebote und flexiblere Arbeitszeiten ins Spiel bringen.

In den Verhandlungen ist neben der Fokussierung und Entschlossenheit auch die Fähigkeit gefragt, sich in die Lage des anderen hineinzuversetzen, Fingerspitzengefühl zu zeigen und gemeinsam nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Wer sich selbst nicht gerade als empathisch bezeichnen würde, kann sich vornehmen, im Gespräch mehr Fragen zu stellen, als er es normalerweise tun würde.

Schwierige Verhandlungspartner

Trifft man auf einen schwierigen Verhandlungspartner, zu dem man kaum eine Beziehung aufbauen kann, weil er einen persönlich angreift, sich unverschämt, irrational, unehrlich oder stur verhält, ist es sinnvoll, sich emotional zurückzuhalten und sich auf die sachliche Ebene zu konzentrieren. Man nutzt beispielsweise die Macht des Schweigens und fragt nach den Beweggründen für die vertretene Position.

Manchmal stellt sich heraus, dass der Verhandlungspartner vernünftiger agiert, als dies auf den ersten Blick erscheint. Es kann auch sein, dass die Chefin einfach nur testen will, wie weit sie es treiben kann. Sie verzögert etwa die Verhandlungen, um Unsicherheit zu schüren und um besser abschätzen zu können, wie dringlich die Sache ist. Oder sie unterbreitet ein erstes Angebot, das man unmöglich annehmen kann, um die Reaktion der Mitarbeiterin zu testen und Informationen zu sammeln.

Das Hauptargument nicht entkräften

Dann gilt es, gelassen zu bleiben, die eigenen Grenzen aufzuzeigen und sich weiterhin auf die gemeinsamen Interessen zu fokussieren. Die Mitarbeiterin könnte beispielsweise aufzeigen, welchen Vorteil ein Weiterbildungskurs für das Unternehmen hat und welche zusätzliche Verantwortung sie damit in Zukunft übernehmen könnte – für die Vorgesetzte eventuell eine willkommene Entlastung.

Dabei sollte man grundsätzlich immer mehr fordern, als man sich vorstellt, und das erste Angebot der Gegenseite in der Regel ausschlagen. Damit werden die Grenzen der Verhandlungen erweitert. Ungeübte Verhandler machen gerne den Fehler, alle noch so untergeordneten Argumente aufzuführen, die ihre Position untermauern. Doch damit entkräften sie ihr Hauptargument, das die grösste Wirkung hat. Wie Kurt-Georg Scheible, Autor des Buches «Verhandeln, um zu siegen», ausführt, sollte man auf jeden Fall weitermachen, selbst wenn die Verhandlung in einer Sackgasse zu stecken scheint. Man sucht nach Alternativen, ändert die Perspektive, erweitert den Fokus und signalisiert Flexibilität.

Der Verhandlungsklassiker

Beim Harvard-Konzept, einem Verhandlungsklassiker, geht es unter dem Schlagwort «win-win» weniger um Taktiken, um der eigenen Position zum Durchbruch zu verhelfen, vielmehr steht sachbezogenes Verhandeln im Vordergrund. Dazu zählen vier Grundsätze. Erstens sollte das Zwischenmenschliche in den Verhandlungen von Sachfragen getrennt werden. Wenn man dem Verhandlungspartner Gelegenheit gibt, seine Emotionen auszudrücken, kann man danach zu verhandeln beginnen.

Zweitens sollte man die Wünsche, Sorgen und Motive anstatt die Positionen der Verhandlungspartner in den Mittelpunkt stellen und herausfinden, welche Interessen das Gegenüber tatsächlich verfolgt. Hinter der Skepsis des Vorgesetzten gegenüber flexiblen Arbeitszeitmodellen steht möglicherweise die Sorge, den Angestellten nicht mehr kurzfristig erreichen zu können.

Drittens geht man nicht mit einer fixen Idee, sondern mit einem Bündel von Optionen in die Verhandlungsgespräche. Denn die erfolgversprechende Lösung liegt meist ausserhalb des eigenen Sichtfelds. Viertes sollte man beim Feilschen, wie etwa beim Aushandeln der Konditionen, objektive Kriterien wie den Marktwert hinzuziehen. In Verhandlungen sind die Interessen oft gegensätzlich, was sich nicht durch «Win-win»-Bestrebungen aus der Welt schaffen lässt.

Unnötige Zugeständnisse

Beim Schlagwort «win-win» wird häufig auch auf das nach dem italienischen Ökonomen und Soziologen Vilfredo Pareto benannte Pareto-Optimum abgestellt. Laut Florian Weh, Autor des Buches «Verhandlungsflow», sollte in den Verhandlungen der eigene Nutzen maximiert werden, ohne den Nutzen des Partners aus den Augen zu verlieren. Es gelte, bei jeder Verhandlung das Pareto-Optimum anzustreben.

Dabei handelt es sich um eine Situation, in der der Verhandlungspartner A nicht bessergestellt werden kann, ohne gleichzeitig den Verhandlungspartner B schlechterzustellen. Gelingt dies nicht, macht mindestens eine der Parteien unnötige Zugeständnisse. Beispielsweise könnte der Vorgesetzte, sofern er sein Weiterbildungsbudget noch nicht ausgeschöpft hat, den überwiegenden Teil der Kosten hierfür übernehmen, sofern der Mitarbeiter die Kurse in seiner Freizeit belegt und seine neu erworbenen Kenntnisse der Firma einen Mehrwert bringen.

Die Fallstricke

Wie Leigh Thompson, Professorin an der Kellogg School of Management und Autorin des Buchs «Negotiating the Sweet Spot» ausführt, sind die wenigsten Verhandlungen ein Nullsummenspiel. Was die eine Partei gewinnen könne, entspreche nicht dem Verlust der anderen Partei. Es gebe dabei jedoch einige Fallstricke. In den meisten Verhandlungen überschneiden sich die Interessen der beteiligten Parteien, doch oft verstehen die Verhandlungspartner laut Thompson nicht, dass sie gemeinsam einen grösseren Wert erreichen könnten als unabhängig voneinander.

Die Verhandlungen scheiterten nicht selten daran, dass Menschen Zugeständnisse machten, um die Beziehung nicht zu gefährden. Ausserdem können die Gespräche erschwert werden oder zum Erliegen kommen, wenn das Vertrauen wegbricht. Dann sei es sinnvoll, mehr über die Motive des Verhandlungspartners erfahren zu wollen.

Gelingt es, diese Hürden zu nehmen, kann ein Verhandlungsergebnis erzielt werden, das für beide Seiten einen Mehrwert bietet. Anders als bei einem Kompromiss, bei dem die «goldene Mitte» angestrebt wird, wird der Kuchen dadurch grösser, und jeder hat mehr davon. Dabei spielt es für den Verhandlungserfolg keine grosse Rolle, wer mit dem grösseren Stück des Kuchens nach Hause geht. Das Resultat ist in jedem Fall einer Situation überlegen, die nicht die wahren Interessen auslotet, sondern aufgrund der Positionen der Verhandlungspartner eine Kompromisslösung mit gleichwertigen Zugeständnissen zum Ziel hat.

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