Was soll das Gerede? Konzernchefs gehen nicht aus familiären Gründen Fehlbesetzungen können vorkommen. Nicht jede Managerin oder jeder Manager hat das Zeug zum CEO. Dennoch versuchen Firmen der Öffentlichkeit immer wieder weiszumachen, ihr Chef habe sich freiwillig zum Abgang entschlossen.

Fehlbesetzungen können vorkommen. Nicht jede Managerin oder jeder Manager hat das Zeug zum CEO. Dennoch versuchen Firmen der Öffentlichkeit immer wieder weiszumachen, ihr Chef habe sich freiwillig zum Abgang entschlossen.

Peter Boone musste beim Schokoladeproduzenten Barry Callebaut seinen Chefposten nach nur eineinhalb Jahren räumen. (Bild: PD)

Eben noch hatte er oder – noch immer viel seltener – sie das grösste Büro, war oberster Entscheidungsträger im Management und das Gesicht der Firma. Doch auf einmal geht der Konzernchef. Geschieht dies, weil er sich in den Ruhestand begibt oder eine neue berufliche Herausforderung annimmt, lässt sich das problemlos kommunizieren. Schwieriger wird es, wenn der Chef unfreiwillig geht.

Kurze Verweilzeit lässt aufhorchen

Obschon heute in den meisten Firmen Transparenz grossgeschrieben wird, wagt es noch immer kaum ein Unternehmen, in solchen Fällen Klartext zu sprechen. Die Rede ist, wie vor kurzem beim Schokoladeproduzenten Barry Callebaut, dann oft davon, der Abgang erfolge «aus persönlichen Gründen».

Im selben Communiqué des Zürcher Konzerns wurde der Verwaltungsratspräsident Patrick De Maeseneire mit den Worten zitiert: «Im Namen des Verwaltungsrats danke ich Peter Boone für seine über zehnjährige Tätigkeit für Barry Callebaut. Nun möchte Peter wieder mehr Zeit mit seiner Familie verbringen.»

Unerwähnt blieb dabei, dass der geschasste CEO erst ab September 2021 seinen gegenwärtigen Posten bekleidet hatte. Eineinhalb Jahre an der Spitze der Konzernführung ist eine ungewöhnlich kurze Zeit.

Beim Bodenbelaghersteller Forbo, der sich Ende vergangenen November Knall auf Fall von seinem CEO trennte, war man immerhin so ehrlich auszuführen, «unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Ausrichtung des Unternehmens» hätten zur Demission geführt. Der betroffene Manager Michael Schumacher hatte sein Amt erst seit einem guten Jahr ausgeübt.

Familiäre Motive wurden hingegen auch bei der Ankündigung des Rücktritts des Chefs des Automobilzulieferers Autoneum im Dezember 2022 ins Feld geführt. «Matthias Holzammer verlässt Autoneum aus familiären Gründen auf eigenen Wunsch», hiess es. Holzammer war erst seit Oktober 2019 im Amt gewesen.

Jeder Entlassung geht ein Streit voraus

In all diesen Fällen ging, wie gut informierte Kreise berichten, dem Abgang ein Krach zwischen dem Verwaltungsrat und dem Konzernchef voraus. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit auf oberster Firmenebene funktioniert aber nur, wenn der Verwaltungsrat und der CEO Vertrauen zueinander haben. Fehlt es, sind Konflikte unvermeidlich.

Das Überleben eines Konzernchefs hängt zudem entscheidend davon ab, ob er die von ihm erwartete unternehmerische Leistung herbeizuführen vermag. Bei Autoneum und einem weiteren Schweizer Autozulieferer, Feintool, dessen bisheriger CEO bei der Ankündigung seines Rücktritts im Sommer 2022 ebenfalls familiäre Gründe geltend machte, waren die Geschäftsergebnisse offensichtlich zu dürftig. Die beiden Firmen kämpfen seit Jahren mit einer höchst bescheidenen Profitabilität.

Ein weiterer Grund dafür, dass Konzernchefs scheitern, ist schlicht, dass das Anforderungsprofil eines CEO nicht zu ihnen passt. In manchen Firmen wird der Finanzchef oder, wie dies beim ehemaligen Barry-Callebaut-Chef der Fall war, der bisherige Leiter einer grossen Verkaufsregion auf den obersten Posten im Management gehievt. Das wird dann gerne als interne Nachfolgelösung angepriesen und hat grundsätzlich gute Erfolgschancen, da der neue CEO in seiner solchen Konstellation das Unternehmen bereits gut kennt.

Auch der Verwaltungsrat ist in der Pflicht

Dennoch hat nicht jeder Regionen- oder Spartenleiter das Zeug zum Konzernchef. Ein CEO kann sich hinter niemandem anderen verstecken. Er braucht entsprechend breite Schultern und muss bereit sein, jederzeit für die Firma im Einsatz zu stehen. Auch sind besondere kommunikative Fähigkeiten gefragt, um den Austausch mit den unterschiedlichsten Ansprechpartnern zu pflegen.

Versagt der CEO, ist dies meist auch ein Stück weit dem Verwaltungsrat zuzuschreiben. Er muss sich vorwerfen lassen, dass er bei der Auswahl nicht genügend Sorgfalt habe walten lassen. Dies erklärt wohl auch, weshalb Firmen bei einem ungewollten Abgang oft lieber nicht die wahren Gründe nennen. Damit wird aber bloss ein weiterer Vertrauensverlust in Kauf genommen. Besser wäre es, offen zu erklären, die Erwartungen seien nicht erfüllt worden und es brauche nun einen Neuanfang.

Dominik Feldges, «Neue Zürcher Zeitung»

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